AboAbonnieren

EM-ViertelfinaleEngland besiegt Schweiz im Elfmeterschießen

Lesezeit 6 Minuten
Der Pechvogel kann es nicht fassen: Der Schweizer Manuel Akanji nach seinem verschossenen Elfmeter im EM-Vietelfinale gegen England.

Der Pechvogel kann es nicht fassen: Der Schweizer Manuel Akanji nach seinem verschossenen Elfmeter im EM-Vietelfinale gegen England.

Die englische Fußball-Nationalmannschaft hat mit Ach und Krach das Halbfinale bei der Europameisterschaft 2024 in Deutschland erreicht.

Es dauerte bis 20.40 Uhr, ehe die englischen Fans erstmals ganz aus sich herauskommen konnten. Trent Alexander-Arnold vom FC Liverpool hatte gerade den entscheidenden Elfmeter zum 5:3 (0:0, 1:1, 1:1)-Erfolg im Viertelfinale gegen die Schweiz verwandelt, da gab es auf den Rängen der Düsseldorfer Arena kein Halten mehr und endlich etwas zu feiern.

Nach einer nämlich wiederum über weite Strecken dürftigen Leistung steht England wie schon 2021 im Halbfinale der Fußball-Europameisterschaft und darf weiter vom ersten Titelgewinn bei einem großen Turnier seit 1966 träumen. Nächster Gegner ist am Mittwoch (21 Uhr) in Dortmund die Niederlande. Pechvogel des Abends war der Schweizer Manuel Akanji, der als einziger Schütze im Elfmeterschießen vergab

Gareth Southgate lieferte einen weiteren Beweis dafür ab, dass jegliche Kritik an ihm abperlt. Der englische Trainer änderte seine Startelf nach vier enttäuschenden Auftritten und dem gerade so abgewendeten Achtelfinal-Aus gegen die Slowakei (2:1 nach Verlängerung) nur auf einer Position. Und auch nur, weil er musste. Für den gesperrten Marc Guehi rückte Ezri Konsa von Aston Villa als Innenverteidiger in die Viererkette, die im Aufbauspiel in eine Dreierkette wandelte.

Geldstrafe für Jude Bellingham

Megastar Jude Bellingham durfte trotz seiner obszönen Jubelgeste nach dem späten und spektakulären Treffer zum 1:1 gegen die Slowaken auflaufen. Die UEFA belegte den 21-Jährigen von Real Madrid lediglich mit einem Spiel Sperre auf Bewährung für ein Jahr und 30.000 Euro Geldstrafe.

Auf der anderen Seite schickte Murat Yakin die gleiche Formation wie im Achtelfinale auf der Rasen des Düsseldorfer Stadions. Nach den überzeugenden Auftritten gegen Gastgeber Deutschland (1:1) und in der K.o.-Runde gegen Titelverteidiger Italien wäre alles andere auch eine Überraschung gewesen.

Die Eidgenossen gingen mit einer furchtbaren Statistik in dieses Viertelfinale. In 15 Duellen gegen England gab es nur einen Sieg und der datiert vom 30. Mai 1981 - also aus einer anderen Zeit. Nach den bisherigen Leistungen bei dieser EM ging die Nati allerdings sogar leicht favorisiert in das Spiel mit einem der Turnierfavoriten.

Eckball zum eigenen Torwart

Ihren Ruf als Favoritenschreck blieben die Schweizer allerdings in der ersten Hälfte komplett schuldig. Eine kurze Phase mit zwei Vorstößen zwischen der achten und zwölften Minute - mehr war vom Yakin-Team, das sich häufig mit neun Feldspielern an den eigenen Strafraum zurückzog, nicht zu sehen. Sturmspitze Breel Embolo war zumeist auf sich alleine gestellt. Ein Torschuss blieb Fehlanzeige.

Auf der anderen Seite allerdings auch. Die Engländer hatten mit Phil Foden in einer zentraleren Rolle zwar mehr vom Spiel, schoben sich den Ball aber wie gewohnt zumeist quer und zurück zu. Exemplarisch war der erste Eckball für die Three Lions nach einer halben Stunde. Nach der Ausführung von Kieran Trippier landete das Spielgerät auf relativ direkten Weg beim eigenen Keeper Joran Pickford. Safety first.

Weil das Spiel auch an intensiven Zweikämpfen sparte, kam in den ersten 45 Minuten gähnende Langeweile auf. Erst als Bukayo Saka sich auf rechts mal gegen Michael Aebischer durchsetzte und Granit Xkaka einen Schuss von Koodie Mainoo am Fünfmeterraum blocken musste, kam so etwas wie Gefahr vor einem der beiden Tore auf (44.).

Erster Torschuss nach 51 Minuten

Nachdem es in der 51. Minute tatsächlich den ersten Torschuss der Partie durch Embolos Roller in Pickfords Arme gegeben hatte und der Stürmer im letzten Moment noch von Konsa am Kopfball gehindert wurde (57.), hatten die Schweizer ihre bis dahin beste Phase. Der Wille, das Spiel in 90 Minuten zu entscheiden, war nun deutlicher zu erkennen. Aebischer zielte zunächst allerdings noch zu hoch (66.).

Die Nati, die in der zweiten Hälfte auf die in rot getauchte Kurve mit ihren enthusiastischen Fans spielte, ließ aber nicht mehr locker und belohnte sich. Dan Ndoye vom FC Bologna setzte sich rechts durch und flankte. John Stones verlängerte die Hereingabe so ungeschickt, dass Embolo das Spielgerät vor Walker aus kurzer Entfernung zum 1:0 über die Linie spitzeln konnte (75.).

Breel Embolo trifft zur Schweizer Führung.

Breel Embolo trifft zur Schweizer Führung.

Southgate reagierte sofort, wechselte dreimal offensiv und stellte komplett auf Dreierkette um. Fünf Minuten später stand es 1:1. Rechtsaußen zog an der Strafraumgrenze nach innen, zog mit links aufs lange Eck ab und traf mithilfe des Innenpfostens zum Ausgleich (80.). Es war der erste Torschuss der in der zweiten Hälfte offensiv nicht existenten Engländer im gesamten Spiel.

Partie wird im Elfmeterschießen entscheiden

Nun war es ein Fußballspiel und weil in der regulären Spielzeit kein Tor mehr fiel, durften sich die 47.000 Zuschauer in Düsseldorf auf 30 Minuten Zuschlag freuen. In der Verlängerung hatte England die erste Chance und auch der zweite Torschuss hätte beinahe gesessen. Yan Sommer im Schweizer Tor konnte nach einem 22-Meter-Kracher von Declan Rice den Einschlag gerade so noch verhindern (95.).

Fußball, UEFA Euro 2024, EM, England - Schweiz, Finalrunde, Viertelfinale, Düsseldorf Arena, Englands Bukayo Saka jubelt mit Luke Shaw (r) über sein Tor zum 1:1.

Englands Bukayo Saka jubelt mit Luke Shaw (r) über sein Tor zum 1:1.

Das nun völlig ausgeglichene Spiele bewegte sich unaufhaltsam Richtung Elfmeter-Lotterie. In der die Engländer allerdings auf ihren Kapitän Harry Kane verzichten mussten. Der sichere Elfmeter-Schütze verließ nach einem Zweikampf an der Seitenlinie mit Manuel Akanji nach 110 Minuten den Platz, obwohl Gareth Southgate ihn auffing, als er in die englische Bank zu stürzen drohte.

Der eingewechselte Xherdan Shaqiri hätte die Entscheidung vom Punkt beinahe noch mit einem Lausbubenstreich verhindert. Seine mit links direkt aufs englische Tor gezogene Ecke landete aber am Lattenkreuz (117.). Die Nati wollte es nun noch einmal wissen, doch Pickford parierte eine Direktabnahme von Zeki Amdouni (119.), dann zielte Silvan Widmer drüber (120.).

Wie schon am Abend zuvor zwischen Frankreich und Portugal musste also ein Unglücklicher gefunden werden. Nach dem Portugiesen Joao Felix traf es diesmal Manuel Akanji. Der ehmalige Dortmunder vergab als erster Schweizer Schütze und blieb der einzige. Als Trent Alexander-Arnold als fünfter und letzter Engländer verwandelte, war der erneute Einzug der Southgate-Elf in ein EM-Halbfinale perfekt.

Endlich etwas zu feiern: Die englischen Fans freuen sich in Düsseldorf über den Einzug ihrer Mannschaft ins EM-Halbfinale.

Endlich etwas zu feiern: Die englischen Fans freuen sich in Düsseldorf über den Einzug ihrer Mannschaft ins EM-Halbfinale.


Spielstatistik:

England - Schweiz 5:3 i.E. (0:0,1:1,1:1)

England: Pickford - Walker, Stones, Konsa (78. Palmer), Trippier (78. Eze) - Mainoo (78. Shaw), Rice - Saka, Bellingham, Foden (115. Alexander-Arnold) - Kane (109. Toney). - Schweiz: Y. Sommer - Schär, Akanji, Ricardo Rodriguez - Rieder (63. Zuber), Freuler (118. Sierro), Xhaka, Aebischer (118. Amdouni) - Ndoye (98. Zakaria), Embolo (109. Shaqiri), Vargas (63. Widmer). - Schiedsrichter: Daniele Orsato (Italien). - Zuschauer: 46907. - Tore: 0:1 Embolo (75.), 1:1 Saka (80.). - Elfmeterschießen: 1:0 Palmer, Pickford hält von Akanji, 2:0 Bellingham, 2:1 Schär, 3:1 Saka, 3:2 Shaqiri, 4:2 Toney, 4:3 Amdouni, 5:3 Alexander-Arnold. - Gelbe Karten: Kane (1) / Schär (1), Widmer (3)