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Interview

Tourismus-Chef
Wie sich die EM auf den Tourismus auswirkt – Heimvorteil fürs „Köln-Gefühl“

Lesezeit 5 Minuten
In Partylaune präsentierten sich die schottischen Fans in Köln, Tausende belagerten die Domtreppen und feierten fröhlich in der Stadt.

In Partylaune präsentierten sich die schottischen Fans in Köln, Tausende belagerten die Domtreppen und feierten fröhlich in der Stadt.

Austragungsort der Fußball-EM zu sein, kostet viel Geld. Aber lohnt sich der Aufwand? Und kommen die Gäste irgendwann wieder? Ein Interview mit Dr. Jürgen Amann, Chef von Kölntourismus.

Was ist für Sie interessanter, die 90 Minuten auf dem Platz oder das Treiben in den Fan-Zonen, das Public Viewing und die Atmosphäre in den Städten?

Aus professioneller Warte sehe ich vor allem zwei Effekte, kurzfristige pekuniäre Erfolge durch Einnahmen im Einzelhandel oder der Hotelerie. Und dann sehe ich die, die mittelfristig durch Imageeffekte entstehen, weil Fans eine gute Zeit in einer Stadt verbringen und mit den Menschen in Kontakt kommen. Vielleicht verstärken sich positive Bilder und die Stadt kann in den kommenden Jahren davon zehren. Ein gutes Beispiel dahingehend war die Fußball-WM 2006 in Deutschland.

Sie sprechen vom „Sommermärchen“ und der Entdeckung des Public-Viewings.

Vorher wurde Deutschland als organisationsstark wahrgenommen, ansonsten aber eher als langweilig und etwas dröge. Und dann hat das Turnier zur Erkenntnis beigetragen, dass Deutschland auch herzlich und fröhlich ist. Aus privater Sicht schaue ich auf Spielsysteme und neue Erfolgsmodelle, die in großen Turnieren kreiert werden. Stars entstehen bei großen Turnieren, wo ein anderer Druck herrscht.

Ziel ist es, die Menschen zu einem zweiten Besuch zu bewegen und sich auf anderer Ebene mit Köln auseinanderzusetzen. Dafür bedarf es eines positiven Eindrucks.
Jürgen Amann

Wie groß ist der Druck für die Ausrichterstädte? Alle wollen glänzen – wie auf dem Platz.

Ich halte das für einen positiven Druck, weil es eine große Vorlaufzeit gab und nun endlich losgegangen ist. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und präsentieren Köln jetzt unseren Gästen. Mit den Bildern, die dabei entstehen, wollen wir auch hinterher noch für die Stadt begeistern. Ziel ist es, die Menschen zu einem zweiten Besuch zu bewegen und sich auf anderer Ebene mit Köln auseinanderzusetzen. Dafür bedarf es eines positiven Eindrucks.

Und der entsteht natürlich nicht durch die vielen Baustellen.

Am Ende des Tages ist es das Köln-Gefühl. Ein gutes Beispiel ist vielleicht das Eröffnungsspiel in München gewesen, für das ich eine Karte erhalten habe. Vor mir saßen zwei Schotten, die beim Zwischenstand von 1:3 konsterniert meinten: We are not here for the match. We are here for the beer (Anm. d. Red.: Wir sind hier wegen des Biers). Das bringt es selbstironisch auf den Punkt. In München ist es die Bierkultur. Und in Köln wird es die Atmosphäre sein, die nochmal anders ist als in München.

Die Uefa sorgt mit ihrem Branding, wie es im Werbejargon heißt, für ein einheitliches und fast schon uniformes Erscheinungsbild in den Stadien. Gewinnen die regionalen Besonderheiten dadurch nicht erst recht an Bedeutung?

Wir haben bestimmte Werte, die mit Köln verbunden werden. Hiervon können wir uns für ein Turnier nicht lösen. Die Uefa macht das sehr geschickt, die Fans suchen das Spezielle, das Besondere, das Unterscheidende. Wir haben hier eine ganz andere Atmosphäre als bei der Fußball-WM vor zwei Jahren in Katar. Das spüren die Menschen und nehmen dieses Gefühl mit nach Hause. Fußball ist der Nationalsport, der Sport ist trotz aller Konkurrenz auch verbindendes Element.

"Ein Hotelzimmer ist verderbliche Ware"

Arena-Chef Stefan Löcher sprach nach der Basketball-EM vor zwei Jahren von der Strahlkraft großer Sportveranstaltungen. Der Fußball strahlt nochmal weiter.

Durchaus, ich halte den mittelfristigen Imageeffekt für wertvoller als kurzfristige Ausgabenerhöhungen. Wir versuchen die Menschen durch kostenlose Stadtführungen oder unseren EM-Guide zum Wiederkommen zu bewegen.

Eine Europameisterschaft ist also aus touristischer Sicht interessanter als eine Weltmeisterschaft.

Sportlich gesehen mit Sicherheit. Kürzlich war ich dienstlich in China, wo die EM auch eine Rolle spielt. Deutschland ist sehr kompakt mit Distanzen von vier oder fünf Stunden zwischen Hamburg und München. Es gibt in China spezielle Reiseveranstalter, die direkt die Tickets mit anbieten. Nicht umsonst gehört das asiatische Online-Bezahlsystem Alipay zum Sponsorenpool der Uefa. Am Ende ist glaube ich ein Bündel von Faktoren entscheidend, ob Menschen nochmal nach Köln zurückkommen.

Geschäftsführer von Kölntourismus: Dr. Jürgen Amann.

Geschäftsführer von Kölntourismus: Dr. Jürgen Amann.

Stört es Sie, wenn Hotelübernachtungen an Spieltagenin der Stadt plötzlich 600 Euro oder mehr kosten?

Am Ende des Tages ist das Marktwirtschaft. Ein Hotelzimmer ist verderbliche Ware. Wenn ich ein Zimmer nicht verkaufe, ist es für diesen Tag verloren. Und zweimal verkaufen geht nicht. Wann sonst sollte ein Hotelier mal überdurchschnittliche Preise erzielen? Man darf den Bogen aber nicht überspannen. Die Relation zwischen Preis und Leistung muss gerechtfertigt sein. Aber verglichen mit anderen Großstädten liegt Köln eher am unteren Ende der Preisspanne.

Das Fan-Camp im Jugendpark musste wegen Hochwassers kurz vor Turnierbeginn abgesagt werden. Es wäre die einzige günstige Übernachtungsmöglichkeit für Fans gewesen. Ärgert Sie das?

Ich finde es traurig, denn an dieser Stelle hätte man das Köln-Gefühl bei einer jüngeren und nicht ganz so zahlungskräftigen Zielgruppe ganz gut präsentieren können. Aber im Umland gibt es immer auch günstige Alternativen. Schade ist es aber schon.

Das Lebensgefühl als Pluspunkt

Auch beim Public Viewing setzt Köln mit Tanzbrunnen und Heumarkt erstmal auf charmante Atmosphäre und nicht auf Massenabfertigung. Eine gute Idee?

Das ist wieder der individuelle Charme der Stadt. München setzt auf das Olympiagelände, Berlin setzt auf Masse am Reichstag und am Brandenburger Tor, Frankfurt hat die größte schwimmende Leinwand auf dem Main. Und wir setzen stark auf dezentrale Erlebnisse. Mit dem Public Viewing am Rheinufer ist es vielleicht genau die richtige Mischung.

Das Lebensgefühl ist nicht planbar, es hängt mit Emotionen, mit Wetter und auch dem Turnierverlauf zusammen. Das ist ähnlich schlecht planbar wie der Verlauf eines Fußballspiels.

Der Aspekt des Nicht-Planbaren ist es, was wir als Lebensgefühl bezeichnen. Plötzlich ist man im Austausch mit jemandem, der im Brauhaus neben einem steht. Das ist nicht planbar. Und das ist ein großer Vorteil von Köln. Ich sehe durchaus eine Konkurrenz zwischen den Austragungsorten. Als Jugendtrainer habe ich immer gesagt: Wir spielen alles wegen des Spaßes. Aber wer hat mehr Spaß? Der Gewinner oder der Verlierer? Für mich ist das ein Antrieb.