Top-Talente, Top-TeamWarum die Spanier ein schwerer Gegner für die Deutschen sind

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Tempo und Technik auf dem linken spanischen Flügel: Nico Williams begeistert bei der Fußball-Europameisterschaft und erzielte im Achtelfinale beim 4:1 gegen Georgien das vorentscheidende 3:1.

Tempo und Technik auf dem linken spanischen Flügel: Nico Williams begeistert bei der Fußball-Europameisterschaft und erzielte im Achtelfinale beim 4:1 gegen Georgien das vorentscheidende 3:1.

Der spanische Mix stellt die Gegner bislang vor unlösbare Rätsel — Nico Williams und Lamine Yamal überzeugen. Ein Blick auf das Achtelfinale

Der spanische Achtelfinalsieg gegen Georgien war schon fast eine Dreiviertelstunde alt, als Nico Williams sich noch einmal im Kölner Rheinenergiestadion blicken ließ. Während eine größere Gruppe spanischer Fans in der Südkurve das souveräne 4:1 und den Einzug in das Viertelfinale am Freitag (18 Uhr) in Stuttgart gegen Deutschland trotz Regens unablässig mit „Eviva Espana“ besang, suchte Williams demütig und dankbar die Haupttribüne auf. Dort warteten Familie und Freunde, um den 21-Jährigen mit Umarmungen und Schulterklopfen in Empfang zu nehmen und ihn für einen weiteren grandiosen Auftritt bei der Fußball-Europameisterschaft zu feiern.

Nico Williams Eltern flüchten zu Fuß aus Ghana

Ohne den Mut seiner Eltern würde Nico Williams niemals das Trikot der Furja Roja tragen und neben Pedri und dem erst 16-jährigen Lamine Yamal zu einer neuen spanischen Generation junger Wilder gehören, die von der iberischen Halbinsel aus die Fußballwelt erobern will. Es war Anfang der 90er Jahre, als Maria und Felix Williams sich von der ghanaischen Hauptstadt Accra auf den Weg in die spanische Exklave   Melilla in Nordafrika machten. Das Paar durchquerte dabei die Sahara — teilweise zu Fuß und unter größten Strapazen und Lebensgefahr.   Nicos Mutter war auf der Flucht bereits mit dem acht Jahre älteren Sohn Inaki schwanger.

Der Anfang einer unglaublichen Geschichte, die nach Armut, Entbehrungen und harter Arbeit schließlich in Bilbao ihr Happy End fand. Im Baskenland nämlich bilden die Williams-Brüder beim Athletic Club eine jetzt schon legendäre Flügelzange, die mit ihren Leistungen dafür sorgt, dass die Familie sich keine Sorgen mehr machen muss.

Nico Williams zeigt tolle Leistung

Eine Geschichte, die das Meer aus Herzlichkeit und Glück am späten Sonntagabend im Müngersdorfer Stadion und auch Nico Williams fulminante Leistungen bei dieser EM erklärt. Es ist atemberaubend, wie der 21-Jährige mit Tempo und Technik seine Gegenspieler von einer in die nächste Verlegenheit bringt, gleichzeitig aber auch Teil des unfassbaren spanischen Pressings und der Konterabsicherung ist. Deutschlands Rechtsverteidiger Joshua Kimmich muss sich im Viertelfinale auf Schwerstarbeit einrichten.

Was auch für die linke deutsche Seite gilt, egal ob dort Maximilian Mittelstädt oder David Raum auflaufen. Mit Lamine Yamal greift dort nämlich das wohl größte Talent an, das der Fußball seit Lionel Messi hervorgebracht hat. Der erst 16-jährige Stürmer des FC Barcelona ist ein begeisterndes Kunstwerk aus jugendlicher Unbekümmertheit, faszinierender Technik   und einer wunderbaren Verspieltheit, die ihn manchmal noch zu Lasten seiner Effektivität geht.

So ging Nico Williams im „Duell“ mit seinem Buddy Lamine am Sonntag als doppelter Sieger vom Feld. Während Yamal trotz einiger Chancen weiter auf seinen Titel als jüngster EM-Torschütze aller Zeiten warten muss, erzielte Williams beim 3:1 seinen ersten EM-Treffer und gab den wackeren, aber chancenlosen Georgiern den Rest. Als es in der Schlussphase des einseitigen Spiels für die beiden Youngster nur eine Trinkflasche gab, setzte sich Williams erneut durch. Der 21-Jährige siegte bei „Schnick, Schnack, Schnuck“ mit seiner Schere gegen Yamals Papier und durfte als erster einen kräftigen Schluck aus der Pulle nehmen. „Wir verstehen uns sehr gut. Ich glaube, dass das diese Verbindung auf dem Spielfeld schafft“, sagte Nico Williams.

EM 2024: Spanien als großer Favorit

Fakt ist, dass die Spanier mit ihrer grandiosen Mischung aus starkem Kollektiv und individueller Extraklasse der große Favorit dieser EM sind. „Wir haben eine wunderbare Mannschaft. Wenn wir so weitermachen, werden wir gegen Deutschland gewinnen“, gab sich Williams genauso selbstbewusst wie sein Trainer Luis de la Fuente: „Ohne jemanden zu beleidigen oder zu nahe treten zu wollen, haben wir die beste Mannschaft und die besten Spieler der Welt. Wir sind ehrgeizig, von uns überzeugt und wollen weitere Meilensteine setzen. Der nächste lautet, das nächste Spiel zu gewinnen.“ Der 63-Jährige kann sich dabei neben seinen Youngstern auf erfahrene Spieler wie Rodri (Manchester City) und Fabian Ruiz (San Sebastian) verlassen, die gegen Georgien wie der eingewechselte Leipziger Dani Olmo zu den Torschützen zählten.

Das deutsche Team ist gewarnt und wird am Freitag seine absolute Topleistung abrufen müssen, um dem dreifachen Europameister gefährlich werden zu können. Unverwundbar sind die Spanier jedenfalls nicht. Das zeigten die Georgier trotz all ihrer Unterlegenheit auf. Etwa beim ersten EM-Gegentreffer der Iberer, als Robin Le Normand eine Flanke zur 1:0 -Führung des Außenseiters ins eigene Netz abfälschte. „Jedes Team hat Schwächen, keiner ist perfekt“, stellte Luis de la Fuente fest. Eine Aussage, die Deutschland hoffen lässt, den spanischen Express mit den Ausnahmekünstlern Williams und Lamine Yamal stoppen zu können.

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