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Sportchef Keller im Interview, Teil 2„Steffen Baumgart ist der goldrichtige Trainer für den 1. FC Köln“

Lesezeit 8 Minuten
1. FC Köln, Training, von links: Christian Keller, Steffen Baumgart (1. FC Köln), 17.09.2022, Bild: Herbert Bucco

Vertrauen klaren Abmachungen: FC-Sportchef Christian Keller (l.) und Trainer Steffen Baumgart.

Im zweiten Teil des Rundschau-Interviews spricht Sportchef Christian Keller über die Sturm-Situation des 1. FC Köln, Trainer Steffen Baumgart, die Krise des Frauen-Teams und die Bedeutung des Unterbaus. Das Gespräch führten Martin Sauerborn und Tobias Carspecken.

Herr Keller, sehen Sie für die kommende Saison Handlungsbedarf im Sturm?

Ich zitiere mal unseren Trainer: „Wir beurteilen unsere Stürmer nicht danach, wie viele Tore sie schießen, sondern wie sie sich in unsere Spielidee einfügen.“ Unsere Stürmer arbeiten gegen den Ball und machen ihren Job. Fairerweise muss man auch fragen, wie oft sie in Abschlusspositionen gebracht werden. In dem Punkt können wir uns sicherlich steigern. Bei Davie (Selke) geht es in die richtige Richtung. Er war in Dortmund einer der wenigen Lichtblicke und auch in den Spielen davor ordentlich. Bei Steffen (Tigges) haben wir gesagt, dass er in der Bundesliga mithalten und auch Tore schießen kann, aber eben noch nicht auf konstantem Niveau.

Genießen beide Spieler auch nächste Saison Ihr Vertrauen?

Ich vertraue ihnen auch über den Sommer hinaus. Das heißt aber nicht, dass vielleicht noch ein neuer Stürmer hinzukommt. Das eine schließt das andere nicht aus.

Wie wird der FC auf dem Markt wahrgenommen?

Es wird erkannt, dass Steffen und sein Team eine klare Spielidee etabliert haben. Dass der FC eine gute Plattform ist, gerade für jüngere Spieler, um sich zu entwickeln. In Verbindung mit der Strahlkraft des FC und der Lebensqualität in Köln sind wir als Club nicht unattraktiv. Das hilft uns bei der Rekrutierung. Natürlich nicht, um den Superstar zu bekommen, der 25 Tore macht. Aber um entwicklungsfähige Spieler hierher zu lotsen.

Momentan haben wir einen negativen Ergebnistrend, mit Dortmund sicherlich auch einen Leistungstrend. Trotzdem haben wir weiter alles selbst in der Hand.
Christian Keller, FC-Sportchef

Kann man bei Steffen Baumgarts Vertrag vom „Freiburger Modell“ sprechen?

Das Modell heißt: Gemeinsam etwas abmachen und es dann umsetzen. Würden Sie mit Baumgart auch in die Zweite Liga gehen? Ich bin der Meinung, dass Steffen der goldrichtige Trainer für den FC ist und er mit seinem Trainerteam einen guten Job macht – auch wenn die jüngsten fünf Ergebnisse uns allen nicht gefallen haben, allen voran Steffen und seinem Team nicht.

Das beantwortet aber unsere Frage nicht.

Wir steigen nicht ab.

Und Gesetz des Falles?

Ich mag diese selbsterfüllenden Prophezeiungen nicht. Wir sollten über die Dinge reden, die wir besser machen müssen, damit wir wieder Punkte holen. Momentan haben wir einen negativen Ergebnistrend, mit Dortmund sicherlich auch einen Leistungstrend. Trotzdem haben wir weiter alles selbst in der Hand.

Die FC-Frauen schweben in der Bundesliga ebenfalls in Abstiegsgefahr. Wie ordnen Sie dort die prekäre Lage ein?

Im Frauenfußball ist der Zusammenhang zwischen investiertem Kaderbudget und sportlichem Output noch höher als im Herrenfußball. Die Tabelle ist noch mehr ein Abbild dessen, was in die Mannschaft investiert wird. Da sind wir mit unserem Budget einerseits weit von ganz vorne weg, aber andererseits auch weit von den Abstiegsplätzen im soliden Mittelfeld angesiedelt. Deshalb müssten wir uns unter normalen Umständen auf einem gesicherten Mittelfeldplatz aufhalten.

Welche Schuld trägt der entlassene Trainer Sascha Glass?

Dass wir mit einer sehr negativen Leistungsentwicklung in akuter Abstiegsgefahr schweben, ist nicht nur dem Trainer anzulasten. Das wäre viel zu einfach. Aber der Trainer ist nun mal derjenige, der die Hauptverantwortung für die Leistung einer Mannschaft trägt. Wir sind seit Wochen weit davon weg, eine klare Spielidee auf den Platz zu bringen, die Voraussetzung ist, um ein Spiel zu gewinnen.

War der Umbruch vor der Saison zu groß?

Auf dem Papier ist das der nominell beste Kader, den die FC-Frauen je hatten. Aber Papier ist geduldig, das wissen wir alle.

Der Frauenfußball darf auf Dauer kein massives Zuschussgeschäft mehr für uns sein. Bei aller strategischen Relevanz müssen wir es schaffen, wirtschaftlich zumindest pari zu kommen, in bestem Fall auf erhöhtem Niveau.
Christian Keller, FC-Sportchef

Welche Defizite bestehen?

Es fehlt derzeit unter anderem an individuellen Waffen, um offensiv gefährlicher zu werden. Der Kader hat relativ wenig Geschwindigkeit nach vorne und verfügt über wenig Spielerinnen, die Eins-zu-eins-Situationen auflösen und Tiefe ins Spiel bringen können.

Welche Folgen hätte ein Abstieg des Frauen-Teams?

Wir würden nicht um Lichtjahre zurückfallen und müssten uns auch im Budget nicht signifikant einschränken. Allerdings müssten wir die Mannschaft neu aufbauen, weil die meisten Spielerinnen ganz bewusst nur Verträge für die Erste Liga haben. Nichtsdestotrotz müssten wir ein Team aufstellen können, das in der Lage sein sollte, schnell wieder aufzusteigen.

Der FC würde den Frauenfußball also auch im Abstiegsfall weiter ernst nehmen?

Ja, komplett. Wenn wir es machen, dann machen wir es richtig. Die Frauen merken aktuell sehr deutlich, dass wir versuchen, ihre Rahmenbedingungen zu verbessern. Nicht alle Verbesserungen sind nach außen sichtbar. Aber für die Frauen sind das teilweise massive Sprünge. Und es werden weitere folgen.

Warum leistet sich der FC den Frauenfußball, wenn er ein Zuschussgeschäft darstellt?

Weil der Frauenfußball aus unserer Sicht strategische Relevanz hat. Wir können nicht 50 Prozent der Gesellschaft systematisch vernachlässigen, wenn sie diesen Sport auch gerne ausüben möchten. Zudem sind wir an einem Standort, der sich auf die Fahnen schreibt, sehr divers zu sein. Deshalb sollte der 1. FC Köln seinen Beitrag leisten, dass Frauenfußball hier auf einem guten Niveau stattfindet – auch wenn die Rahmenbedingungen noch deutlich verbesserbar sind. Aber da sind wir wie gesagt dran.

Zum Heimspiel am 23. April gegen Eintracht Frankfurt geht der FC ins Rhein-Energie-Stadion, um den Rekord von 23 200 Zuschauern für ein Frauen-Erstligaspiel in Deutschland zu knacken. Welche Idee steckt dahinter?

Wir haben uns sehr intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, wie man den FC-Frauenfußball gesamtheitlich besser vermarkten kann. Das Spiel dient als Kick-off, um die Frauen-Vermarktung zu verbessern. Der Frauenfußball darf auf Dauer kein massives Zuschussgeschäft mehr für uns sein. Bei aller strategischen Relevanz müssen wir es schaffen, wirtschaftlich zumindest pari zu kommen, in bestem Fall auf erhöhtem Niveau.

Wir haben festgelegt, welche Ziele wir mit der U21 verfolgen und welche Richtlinien es geben soll, nach denen die Mannschaft ausgerichtet ist. Denn für einen Entwicklungsclub wie den 1. FC Köln ist eine funktionierende U21-Mannschaft brutal wichtig.
Christian Keller, FC-Sportchef

Blicken Sie dem Spiel unter sportlichen Gesichtspunkten nun mit Magenschmerzen entgegen?

Es geht bei diesem Spiel um mehr als drei Punkte. Wir sind bereits bei mehr als 15.000 verkauften Karten. Das ist in Anbetracht dessen, dass es noch vier Wochen bis zum Spiel hin sind, ein guter Wert. Wir hoffen deshalb, dass wir den Rekord deutlich knacken und ein Zeichen für den Frauenfußball setzen werden. Natürlich wollen wir das Spiel auch gewinnen, obwohl es gegen Frankfurt sehr schwierig wird. Mit Blick auf die tabellarische Situation kommt der Partie nun eine höhere sportliche Bedeutung zu, als es ursprünglich geplant war.

Abstiegssorgen plagen auch die U21-Mannschaft. Der jüngste 3:2-Sieg in der Regionalliga gegen Wattenscheid wird aller Voraussicht nach aberkannt, weil zwischenzeitlich verbotenerweise vier Ü23-Spieler auf dem Platz standen.

Das hat mir meine Laune nach dem Dortmund-Spiel (1:6) komplett verhagelt und war besonders ärgerlich, weil die Mannschaft mit dem Sieg eigentlich einen Meilenstein auf dem Weg zum Klassenerhalt erreicht hatte. Jetzt werden die drei Punkte am grünen Tisch vergeben. Das ist auch deshalb bitter, weil die Mannschaft das Spiel nach tollem Kampf gedreht hatte.

Haben Sie eine Erklärung dafür, wie dieser Fehler passieren konnte?

Das ist unerklärlich, weil genügend erfahrene Verantwortliche mit dabei waren. Trotzdem kann ich niemanden dafür den Kopf abreißen, weil das niemand absichtlich gemacht hat. Es ist jetzt passiert und lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Wir müssen aushalten, was an berechtigter Kritik kommt. Es gilt jetzt nach vorne zu schauen, weil die Leistungsentwicklung in der Rückrunde stimmt.

Warum haben Sie in Krisenzeiten im Gegensatz zu Sascha Glass an U21-Trainer Mark Zimmermann festgehalten?

Der U21 hat in erster Linie ein stabiles Kaderkonstrukt gefehlt. Die Rotation war in der Hinrunde zu extrem. Zudem war der Auftrag der Mannschaft nicht klar definiert und von uns eingefordert. Das haben wir verändert.

Das ist eine harte Erkenntnis.

Aber es war so.

Wie läuft die Suche nach einem Nachfolger von Mark Zimmermann, dessen Vertrag nicht verlängert wird?

Der volle Fokus liegt darauf, dass das Team, das sich im Sommer auch spielerseitig stark verändern wird, den Klassenerhalt sichert. Zur Stabilisation gehören möglichst wenig Nebengeräusche. Gerüchte über mögliche Trainerkandidaten wären Nebengeräusche.

Sie suchen also erst einen neuen Trainer für die U21, wenn die Liga feststeht?

Ja. Wir haben aber ein Profil erstellt und werden den neuen Trainer dann schnell finden.

Wie sieht das Profil aus?

Die drei wesentlichen Hauptkriterien lauten: Der Trainer muss zur FC-Identität sowie zu unserer Spielidee passen und die Fähigkeit besitzen, junge Spieler entwickeln zu können. Es könnte ein jüngerer Trainer werden, muss es aber nicht.

Würde der FC auch im Falle eines Oberliga-Abstiegs an der U21-Mannschaft festhalten?

Ja, das würden wir. Aber wir werden nicht absteigen.

Warum ist die U21 für den FC so wichtig?

Weil aus der U19 im Regelfall nur sehr wenige Spieler herauskommen, die direkt so weit sind, dass sie die Intensität des Herrenfußballs mitgehen können. Deshalb ist es so wichtig, einen Übergang zu schaffen. Folglich ist die U21 als höchste Ausbildungsmannschaft unerlässlich. Gleichzeitig gilt es zu überlegen, wie Spieler bereits im U19-Alter noch stärker an die viel höhere Spielintensität des Herrenfußballs herangeführt werden können.

Welche Konsequenzen werden aus der schwachen Saison der U21 gezogen?

Wir haben das Profil der Mannschaft konzeptionell deutlich geschärft. Wir haben festgelegt, welche Ziele wir mit der U21 verfolgen und welche Richtlinien es geben soll, nach denen die Mannschaft ausgerichtet ist. Denn für einen Entwicklungsclub wie den 1. FC Köln ist eine funktionierende U21-Mannschaft brutal wichtig.