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Interview

FC-Präsident zur Wahl
„1. FC Köln kann sich mit seiner ganzen Wucht engagieren“

Lesezeit 7 Minuten
FC-Präsident Dr. Werner Wolf auf der Bühne der Demonstration „Wählt Liebe“.

FC-Präsident Dr. Werner Wolf auf der Bühne der Demonstration „Wählt Liebe“. 

Präsident Dr. Werner Wolf spricht vor dem Derby gegen Düsseldorf über die Bundestagswahl, die Plattform „X“ und Julian Reichelt.

Der 1. FC Köln steht in der 2. Fußball-Bundesliga vor dem wichtigen Derby gegen Fortuna Düsseldorf. Martin Sauerborn sprach vor dem Spiel mit Präsident Dr. Werner Wolf aber über die Bundestagswahl und die Rolle des FC im Kampf für demokratische Werte.

Guten Tag Herr Wolf, zwischen Fortuna Düsseldorf und dem FC herrscht Rivalität. Mit welchem Gefühl gehen Sie in dieses Spiel?

Ich denke noch an das Hinspiel, das wir hätten gewinnen müssen. Das 2:2 durch das Gegentor in der Nachspielzeit hat sich wie eine Niederlage angefühlt. Eine verunglückte Flanke, die traumhaft ins Tor ging und für uns sehr schmerzhaft war. Von daher haben wir am Sonntag etwas gutzumachen.

Das Derby ist ein Risikospiel, mehr als 1000 Polizeibeamte werden im Einsatz sein. Geht die Rivalität zwischen den beiden Clubs in ein Feindbild über?

Die Rivalität zwischen den beiden Städten ist legendär. Es gibt sie nicht nur im Fußball, sondern auch im Karneval. Sie wird bleiben, aber dort, wo sie Grenzen überschreitet, muss man dafür sorgen, dass nichts passiert. Es ist aber keine Feindschaft und ist es auch nie gewesen. Auch, wenn beide Mannschaften das Spiel natürlich gewinnen wollen, werden wir rund um dieses Derby zeigen, was es heißt, gemeinsam für eine Sache einzutreten.

Das Derby findet am Tag der Bundestagswahl statt. Ein besonderer Tag, der über die Zukunft Deutschlands entscheidet und an dem auch über demokratische Werte abgestimmt wird.

Wie positioniert sich der 1. FC Köln rund um diesen Tag?

Wir stehen gemeinsam mit Fortuna Düsseldorf für die Demokratie und setzen uns dafür ein, dass die Menschen eine demokratische Partei wählen. Es gibt ein Video, in dem die Kapitäne beider Teams, Timo Hübers und Andre Hoffmann, die Menschen aufrufen, zur Wahl zu gehen und für Akzeptanz und Zusammenhalt werben. Wir sind als FC bei der Demonstration „Wähl Liebe“ entschlossen für unsere Demokratie, Vielfalt und Freiheit eingetreten.

Es gab auch ein Video, in dem die FC-Profis dazu aufrufen wählen zu gehen. Die Aussage des Luxemburgers Mathias Olesen „ich kann nicht in Deutschland wählen, aber geht wählen, damit ich hier bleiben kann“, hat den Rechtspopulisten Julian Reichelt zu einem Post veranlasst, in dem er dem FC „links-grüne Angstpropaganda, bewusste Irreführung und Verdummung der eigenen Anhänger“ vorwirft. Was entgegnen Sie dem als FC-Präsident?

Zunächst einmal war ich beeindruckt von der Selbstreflexion und der Aufmerksamkeit der Spieler bei ihren spontanen Antworten. Als Präsident freue ich mich sehr darüber. Die Aussagen von Julian Reichelt kommentiere ich nicht.

Der 1. FC Köln zählt mehr als 140.000 Mitglieder. Was kann der Club tun, um die akut gefährdete Demokratie zu schützen?

Wir können als Club öffentlich Stellung beziehen und uns mit unserer ganzen Wucht engagieren. Die Anerkennung der demokratischen Grundordnung ist Bestandteil unserer Satzung. Wir leben in Zeiten, in denen es von fundamentaler Bedeutung ist, für die Demokratie zu kämpfen. Die weltweite Entwicklung zeigt uns aktuell brutal, dass Demokratie keine Selbstverständlichkeit ist.

Der FC St. Pauli, Werder Bremen und der SC Freiburg haben als Bundesliga-Clubs ein öffentliches Signal abgegeben und verbreiten ihre Inhalte nicht mehr über die von Elon Musk betriebene Plattform „X“, ehemals Twitter. Ist es für den FC mit seinen Werten nicht zwingend erforderlich, diesem Beispiel zu folgen?

Wir sehen den Kanal kritisch, weil seit der Übernahme von Elon Musk kaum noch ein inhaltliches Regulativ stattfindet. Wir haben uns mit dem Thema intensiv auseinandergesetzt, kontrovers diskutiert und uns entschieden, vorerst auf dem Kanal zu bleiben, um dort mit anderen einen Gegenpol zu rechtspopulistischen Posts und Fakenews zu schaffen. Schließlich befinden sich bei mehr als 400 Millionen aktiven Nutzern weiterhin überwiegend Normaldenkende auf der Plattform. Gleichzeitig arbeiten wir an Alternativen zur Echtzeitkommunikation und bewerten im Sommer neu, ob wir uns von „X“ lösen werden.

Worin sehen Sie die Gefahr für die demokratische Grundordnung?

Es gibt aktuell antidemokratische Bewegungen auf der ganzen Welt. Wenn ich höre, wie der amerikanische Präsident Dinge gestalten will und mit welcher Selbstverständlichkeit er sich über staatliche Institutionen hinwegsetzt, macht mir das Angst. Wir haben in Deutschland mit der AFD auch eine Partei, die andere Vorstellungen vom Zusammenleben und diesem Staat hat. Es ist wichtig, hier frühzeitig eine Grenze zu ziehen und Mitstreiter zu aktivieren. Die NSDAP hatte vor ihrer Machtergreifung 1933 auch durch freie Wahlen ihre starke Position erlangt. Wir haben lange Zeit in Frieden und sorglos gelebt, Die Welt verändert sich gerade aber und es ist wichtig, dass alle begreifen und alle sich darum kümmern, dass es nicht in diese Richtung geht.

Sie gehören zur Nachkriegsgeneration und haben miterlebt, wie es Deutschland und den Deutschen durch den wirtschaftlichen Aufschwung immer besser ging. Liegt in der Sorglosigkeit, im persönlichen Wohlstand, eine Gefahr für die Demokratie?

Deutschland ist ein Land, in dem es vielen Menschen gut geht, in dem für die Grundbedürfnisse gut gesorgt ist. Das führt so einer gewissen Anspruchshaltung, aber auch zu einer Sorglosigkeit in dem Sinne, das haben wir, das wird immer so bleiben. Die Wahrheit ist, wir werden dafür kämpfen müssen.

Nach dem Krieg war der Zusammenhalt der Menschen das wichtigste Gut. Ist dieser Wert auf Kosten individueller Werte zu sehr verloren gegangen?

Ich bin das älteste von fünf Kindern und war früh in der Verantwortung. Ich habe schnell gelernt, dass es bei allen unterschiedlichen Meinungen und Reibungen nur geht, wenn alle zusammenhalten – in der Familie und in der Gesellschaft. Zusammenhalt ist auch der zentrale Wert des 1. FC Köln. Der gestiegene Wohlstand und das Aufkommen der sozialen Medien haben dazu geführt, dass individuelle Werte und egoistisches Verhalten mehr und mehr in den Vordergrund getreten sind.

Haben Sie eine Idee, wie man diese Entwicklung stoppen und wieder umdrehen kann?

Der Zusammenhalt ist da. Denken Sie an die Flutkatastrophe im Ahrtal und die unglaubliche Welle der Hilfsbereitschaft. Menschen aus ganz Deutschland sind gekommen, um in der Notversorgung und beim Wiederaufbau zu helfen. Oder die Situation, als die Flüchtlinge aus der Ukraine nach Deutschland kamen. Die Grundtugend ist da, man muss sie nur wecken. Ich bin überzeugt, wenn wir in schwierige Zeiten kommen, wird sie wieder da sein. Not schweißt zusammen.

Sie kommen aus einer Großfamilie und haben vier Kinder. Da läuft nicht immer alles reibungslos ab. Was braucht es, damit der Zusammenhalt gewahrt bleibt?

Wichtig ist, dass meine Frau und ich ein gemeinsames Verständnis haben und am Ende des Tages erfordert es viel Arbeit. Wir haben viel investiert und verzichtet und waren für unsere Familie da, nicht nur in der Not. Wesentlich ist die Fähigkeit, auch in schwierigen Situationen miteiander kommunizieren zu können, weil durch Kommunikation Brücken gebaut werden. Es ist ein großer Unterschied, ob Leute übereinander oder miteinander reden. Auf dieser Basis versuchen wir auch beim FC den Kontakt zu unseren Mitgliedern zu halten. Unsere Stammtische mit mehr als 1000 Teilnehmern haben gezeigt, wie wichtig Dialog und Diskurs in schwierigen Zeiten sind. Es gibt Spannungen, Reibereien und Wut. Wichtig ist, dass diese Emotionen in vernünftigem Rahmen Raum bekommen. Die Menschen haben das Bedürfnis rauszulassen, was sie bewegt und wollen ernst genommen werden.

Die Teilnehmerzahlen an den Mitgliederversammlungen sind allerdings weiter zurückgegangen. Versammlungen, auf den die Mitglieder ihr demokratisches Recht in Anspruch nehmen und mitgestalten können. Gibt Ihnen dieser Umstand nicht zu denken?

Wir hätten gerne 4000 und mehr Mitglieder bei den Versammlungen. Es wäre wichtig, dass mehr Mitglieder kommen. Bei unseren Heimspielen rennen uns die Menschen auch die Bude ein. Allerdings gibt es dieses Problem bei nahezu allen anderen Fußballclubs gleichermaßen.

Womit wir zurück beim Derby wären. Was wünschen Sie sich für diesen 23. Februar 2025?

Einen Sieg, ein friedliches Spiel und eine Stärkung der demokratischen Partien im Bundestag. Wer jetzt nicht begriffen hat, dass er wählen gehen soll, wann soll er es begreifen? Wir befinden uns weltweit in einer prekären Situation, die wir nur mit einem klaren Bekenntnis zur Demokratie lösen können und indem wir der Politik den Rücken stärken. Denn es werden Veränderungen nötig sein, die spürbar und nicht für alle angenehm sein werden.