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Debakel des 1. FC Köln in DarmstadtKeller und Struber kritisieren die Haltung

Lesezeit 4 Minuten
Kölns Trainer Gerhard Struber (l) weist Linksverteidiger Leart Paqarada beim Spiel in Darmstadt zurecht.

Kölns Trainer Gerhard Struber (l) weist Linksverteidiger Leart Paqarada beim Spiel in Darmstadt zurecht.

Der 1. FC Köln arbeitet das 1:5-Debakel von Darmstadt auf und muss dabei das Thema der mentalen Stabilität angehen.

Christian Keller hatte das Unheil kommen sehen und stand damit erst einmal Moment alleine da. „Für mich hat sich diese Leistung angekündigt“, sagte der Sportchef des 1. FC Köln nach der 1:5-Demontage des Fußball-Zweitligisten am Freitag bei Darmstadt 98 und blickte in staunende Gesichter. Es gab also zusätzlichen Erklärungsbedarf für die dritthöchste Zweitliga-Niederlage in der Historie der Geißböcke, denn eigentlich hatte die Lernkurve mit dem 2:0-Heimsieg gegen Ulm und dem 3:2-Testspielsieg gegen Bundesligist VfL Bochum nach oben gezeigt.

Für Keller nicht: „Mit hat schon das Karlsruhe-Spiel nicht gefallen. Da haben wir bereits Grundlagen vermissen lassen“, erinnerte der 45-Jährige an das 4:4-Spektakel, bei dem der FC durch sorgloses Defensivverhalten eine 3:0-Führung hergeschenkt hatte. Auch der solide wirkende Heimsieg gegen Aufsteiger Ulm konnte Keller nicht überzeugen: „Mir hat auch dieses Spiel trotz des Sieges nicht gefallen. Ulm war als Gegner kein Gradmesser und wir hätten sicher Probleme bekommen, wenn Ulm mehr Geschwindigkeit gehabt hätte.“

Vernichtendes Urteil des FC-Sportchefs

Ein vernichtendes Urteil des Sportchefs, der damit zum Ausdruck brachte, dass die Trainingsarbeit auf und neben dem Platz seit dem unglücklichen 2:2 im Derby bei Fortuna Düsseldorf innerhalb der Mannschaft eine Haltung gefördert hat, die sich im Stadion am Böllenfalltor vollumfänglich offenbarte und in den Untergang führte.

Wenn ich mich während des Spiels bemitleide, weil es nicht funktioniert, ist das ein Teil der Haltung, der nicht sein kann.
Christian Keller, Geschäftsführer Sport 1. FC Köln

„Wenn die Sprints in die defensive Richtung von Spiel zu Spiel weniger werden, hat das nichts mit Taktik, sondern mit Haltung zu tun. Wir haben wie eine Schülermannschaft gespielt. Das hatte nichts mit Profifußball zu tun“, kritisierte er und nahm die Spieler in die Pflicht, Verantwortung zu übernehmen: „Wenn ich mich während des Spiels bemitleide, weil es nicht funktioniert, ist das ein Teil der Haltung, der nicht sein kann. Jeder Spieler ist dazu aufgerufen, den Kopf hochzunehmen und zu sagen: Okay, Ärmel hoch, fangen wir mit den Grundlagen an und kommunizieren darüber.“

Eine Anklage, die die Mannschaft am Samstagvormittag wohl auch beim 90-minütigen Rapport am Geißbockheim zu hören bekam und die zeigt, dass der FC sich weiterhin nicht aus dem Teufelskreis der mentalen Instabilität befreien kann. Das Anlaufverhalten der Offensivspieler gegen allenfalls biedere, aber kampfstarke Darmstädter war genauso ungenügend, wie die Zweikampfführung auf dem gesamten Feld.

20 Gegentore in 10 Pflichtspielen

Ein langer Ball und ein gewonnener Zweikampf genügte den zuvor seit 383 Tagen zu Hause sieglosen Lilien, um alleine vor dem bemitleidenswerten FC-Keeper Jonas Urbig im Kölner Tor aufzutauchen. Sechsmal schossen die Darmstädter aufs Tor, fünfmal waren sie erfolgreich, weil sie jedes Mal völlig ungehindert zum Abschluss kamen. Urbig hat damit in den zehn Pflichtspielen dieser Saison schon 18 Mal hinter sich greifen müssen.

Das klingt eher nach der Bilanz eines Absteigers als jener eines Aufstiegsanwärters und ruft im Umfeld automatisch Kritik am Spielsystem von Trainer Gerhard Struber hervor, der für viele Geschmäcker zu hoch verteidigen lässt und dadurch die Defensive zu sehr entblößt.

Vier Spiele bis zur nächsten Länderspielpause

Christian Keller vertritt eine andere Meinung: „Wir hatten Darmstadt so erwartet und waren auch darauf eingestellt. Es lag keineswegs am Matchplan, sondern an der Umsetzung der Spieler. Wenn die Grundlagen des Fußballspiels nicht stimmen, ist die Taktik nur Schall und Rauch“, sagte der Sportchef und nahm den Österreicher in Schutz: „Eine seriöse Zweikampfführung, Sprintbereitschaft und der Wille, die eigene Aufgabe zu erfüllen, muss jeder selbst hinkriegen. Das ist nichts, was der Trainer beeinflusst. Mit ihm muss ich nicht sprechen.“

Bis zur nächsten Länderspielpause stehen mit den Heimspielen gegen Paderborn, Fürth und im Pokal gegen Holstein Kiel sowie dem Auftritt bei Hertha BSC Berlin noch vier Partien auf dem Programm. Vier Spiele, in denen die Kölner mental stabiler auftreten müssen, um nicht noch mehr Ungemach hervorzurufen, als nach dem 1:5 in Darmstadt. Die FC-Fans hatten ihren Lieblingen erstmals seit dem Bundesliga-Abstieg die Unterstützung versagt und sie von der Kurve weggeschickt.

Da muss man nicht herumschreien, aber jeder muss spüren, dass wir dem Anspruch nicht gerecht geworden sind.
Gerhard Struber, Trainer 1. FC Köln

Gerhard Struber, der vor dem Spiel am Freitag noch davon gesprochen hatte, dass sich der FC „inmitten einer guten Entwicklung“ befände, ist aufgefordert gegenzusteuern. „Es braucht jetzt eine Mischung aus einer klaren, sehr sachlichen Analyse und, dass die Jungs mich auch mal richtig sauer und enttäuscht erleben. Da muss man nicht herumschreien, aber jeder muss spüren, dass wir dem Anspruch nicht gerecht geworden sind“, kündigte der 47-Jährige noch in Darmstadt an. Immerhin sind die meisten FC-Profis auch in Köln geblieben, um nach dem Abstieg Wiedergutmachung zu betreiben.

Mit nur drei Siegen aus den ersten neun Zweitliga-Spielen ist dies nicht gelungen. Der FC ist am Sonntag auf Platz zehn der Tabelle zurückgefallen und droht mit nur 12 von 27 Punkten vorerst im Mittelmaß zu versinken. Die Spitze mit Fortuna Düsseldorf (20 Punkte), dem Karlsruher SC (19) und dem Hamburger SV mit Ex-Trainer Steffen Baumgart (18) ist jedenfalls erst einmal enteilt.