Rund 2500 Menschen feierten in Gemünd und Schleiden den nach der Flutkatastrophe entstandenen Zusammenhalt.
Mit BildergalerieSo schön waren die Flut-Helferfeste in Gemünd und Schleiden
Bei allem Schrecken und Leid, das die Flutkatastrophe verursacht hat, hat sie auch unfassbar viele bewegende, berührende, ja schöne Momente hervorgebracht. Meist sind die mit den Helfern verbunden, die sich aus allen Ecken der Republik in die Eifel aufgemacht hatten, um die Betroffenen nicht alleine zu lassen.
Sie sind als Fremde gekommen, als Freunde gegangen – und viele kommen immer wieder. In der Stadt Schleiden wird dies unter dem Slogan #gemeinsamstark subsummiert. Diese Gemeinschaft haben sie mit zwei Helferfesten am Freitag in Gemünd und am Samstag in Schleiden gefeiert.
Müssen es denn zwei Feste sein? Ist das wieder so ein Gemünd-Schleiden-Ding? Dass die alten Rivalitäten in aller Freundschaft gepflegt werden, gehört in den Orten dazu. Genauso, dass die Schleidener beim Fest in Gemünd anpacken und die Gemünder in Schleiden helfen. Doch vor allem belegen die Zahlen die Notwendigkeit: Mehr als 1500 Menschen sind es auf dem Marienplatz, rund 900 auf dem Driesch – auf einen Platz hätten die nicht alle gepasst.
Helfer sind nun auch zum Fest Hunderte Kilometer gefahren
Mehrere Hundert Helfer sind viele Stunden gefahren, um an diesem Wochenende wieder in dem Tal zu sein, das auch ihr Leben verändert hat. Wie viele genau gekommen sind, vermag niemand zu sagen. Bürgermeister Ingo Pfennings geht in seiner Rede da lieber kein Risiko ein und nennt die einzelnen Helfer und Gruppen aus nah und fern nicht, bezeichnet sie einfach alle als Helden. Für die Feste hat die Stadt einen „Notfallplan“: Falls es an Unterkünften gemangelt hätte, wären Turnhallen zu Bettenlagern geworden. Das ist laut Pfennings nicht notwendig: Die Helfer sind da untergekommen, wo sie auch geholfen haben.
Die Feuerwehrleute aus Mariensee bei Hannover etwa. In Herhahn hatten sie als Helfer Quartier gemacht und sich, wie Jan Enders berichtet, sehr gut aufgenommen gefühlt. Der Kontakt ist nicht abgerissen. Viereinhalb Stunden sind sie nun wieder in die Eifel gefahren – und verzichten wieder auf Komfort. „Wir machen es wie vor zwei Jahren: Wir schlafen auf dem Boden im Bürgerhaus“, sagt Enders.
Die „schwere Truppe“ kam mit Treckern und Co. ins Schleidener Tal
Die schwere Truppe ist ebenfalls wieder da. Zum einen hat wohl jeder, der in der Region einen Trecker, Radlader, Kipper, Lkw oder Sonstiges sein Eigen nennt, nach der Katastrophe Tour um Tour gefahren, um die gigantischen Müllberge aus den Orten zu schaffen.
Es gab aber auch kniffligere Jobs. Um die haben sich unter anderem Jan Grothe und das Team von Unitec aus Lohne im Kreis Soest gekümmert. „Auf Zuruf der Versicherungen“ seien sie unmittelbar nach der Flut gekommen, um einen Bus, Autos, Anhänger oder Gascontainer aus Urft und Olef zu bergen. Im September haben sie sich ehrenamtlich auf den Weg gemacht, als es galt, die Müllberge, die in Vogelsang aufgestapelt waren, abzutransportieren.
Oder der Mann, den die Gemünder nur als „der Spieß“ kennen. Eigentlich heißt er Heiko Steng und ist Oberstabsfeldwebel bei der Bundeswehr. Mit Trinkwassersystemen sind er und sein zehnköpfiges Team nach der Flut aus Bruchsal bei Karlsruhe nach der Katastrophe in Gemünd gefahren. Da der Spieß auch die Mutter der Kompanie ist, hat er sich umgeschaut, wo noch welche Hilfe nötig ist – und ist im Verpflegungszelt fündig geworden, wo Manpower und Strukturen gebraucht wurden.
Drei Wochen lang haben er und seine Leute mit angepackt. „Es war eine geile Zeit, wir haben so viele klasse Menschen kennengelernt“, sagt er. Der Kontakt zur DRK-Truppe sei nicht abgerissen: „Da sind Freundschaften entstanden.“
Die Helfer haben im Schleidener Tal Zusammenhalt neu erfahren
Gleiches gilt für René Wegner, Judith Pietrantuoni und die anderen Jungs und Mädels vom Goitzsche-Front-Fanclub, die aus ganz Deutschland kommen und sich selbst vor der Flut nicht kannten. „Als ich zum ersten Mal wieder auf dem Heimweg war, hab' ich geheult wie nie im Leben. Da ist mir zum ersten Mal bewusst geworden, was den Leuten widerfahren ist.“ Seitdem sind er und die Truppe immer wieder gekommen: zu Weihnachten, zu Jahrestagen, einfach so mal. „Zusammenhalt hat eine ganz neue Bedeutung bekommen“, sagt Wegner. Na klar: „Was bleibt“ von der Ostrock-Band wird auch lauthals auf dem Marienplatz gesungen.
Eine ganz kurze Anreise hat inzwischen Rebecca Müller. Ihre Hilfe mit der Charlie-Truppe hat in den ersten Tagen nach der Flut begonnen. Heute ist sie immer noch aktiv, etwa im Malzirkus für die Kinder in Gemünd. Die Stadt Schleiden hat sie eingefangen: Sie ist von Simmerath nach Dreiborn umgezogen: „Das Herz ist hiergeblieben in Gemünd.“
Die Kommerner Küchenfeen haben für die Gemünder gekocht
Dass sie es nicht allzu weit haben, ist für die Küchenfeen aus Kommern unerlässlich gewesen. Jeden Tag haben sie in den ersten Wochen nach der Flut gekocht und das Essen zum Malsbenden-Treffpunkt bei Klaudia Wergen gebracht, später zwei, drei Mal pro Woche.
Da die Flut auch alle Kochbücher in den Häusern vernichtet hat, haben sie vor Weihnachten alle Rezepte, die sie in dieser Zeit gekocht haben, niedergeschrieben, mit Fotos garniert und binden lassen: Die ersten Kochbücher konnten so in die sanierten Häuser einziehen. Wenn die Küchenfeen Simone und Melanie und die Malsbendener von dieser Zeit erzählen, fließen auch schonmal die Tränen. Es war und ist einfach sehr emotional.
Den Wert der Hilfe, die von überall her gekommen ist, fasst der heutige Schleidener Feuerwehr-Chef Wolfgang Fuchs in Worte: Am Donnerstagabend nach der Katastrophe, als die meisten Feuerwehrleute 48 Stunden ununterbrochen im Einsatz gewesen seien, habe man sie zum Schlafen geschickt – erschöpft, desillusioniert. Am Freitagmorgen um 6 Uhr sei aus Dortmund die erste Bereitschaft ins Tal gerollt: „Da ging die Sonne auf. Es war ein Moment, aus dem wir Kraft und Motivation geschöpft haben. Da wussten wir: Wir sind nicht alleine.“
Daher haben sich alle zusammen diese Feste verdient. Dass zu einem anständigen Fest gute Musik gehört, versteht sich. Mit The Meadow Connection und Stingchronicity (Gemünd) sowie Dan O'Clock und Highway 51 (Schleiden) beweisen die Organisatoren ein glückliches Händchen. Vor den Top-Acts Kasalla und Domstürmer wird es noch etwas voller auf den Plätzen.
Besondere Konzerte auch für Kasalla und Domstürmer
Auch für die Frontleute sind derartige Auftritte nicht so wie alle anderen. „Was wir können, ist Musik machen. Und wenn wir damit unterstützen können, machen wir das sehr gerne. Man geht hier schon mit einem anderen Gefühl auf die Bühne“, sagt Kasalla-Sänger Bastian Campmann, bevor er und seine Jungs Gemünd rocken. Doch halt: Zuerst gibt's im Kurhaus-Foyer noch ein kurzes Treffen. Maria Agnes Groß ist 92 Jahre alt und ganz großer Fan der Band. Logisch: Die Musiker nehmen sich vorm Auftritt die Zeit für einen Plausch mit der Dame – für alle anderen gibt's nach dem Konzert Gelegenheit, Autogramme und Fotos zu ergattern.
Auch wenn Domstürmer-Gitarrist Jürgen „Geppie“ Gebhard in Gemünd lebt, kann das Gastspiel in Schleiden durchaus als Heimspiel durchgehen. Sänger Micky Nauber spricht ganz leise von einer „Herzensangelegenheit“, solche Konzerte zu geben. Ganz leise? Der Mann ist die Woche über krank gewesen. Die gerade erst wiedererlangte Stimme schont er im Gespräch lieber, um auf dem Driesch so richtig Gas zu geben.
Ja, beide Bands dürfen sich über textsichere Fans freuen. Doch es gibt da eine uralte Band (Bläck Fööss), die vor Urzeiten (1977) ein Lied geschrieben hat , das auf beiden Plätzen für noch mehr Jeföhl sorgt. „En unserem Veedel“ transportiert einfach perfekt den Geist der Zeit nach Flut. In so vielen betroffenen Orten ist es das Flut-Lied geworden. Man steht zusammen, hakt sich unter, schunkelt ein bisschen. Ja, das eine oder andere Tränchen fließt – auch das gehört dazu. Und für die Schleidener gibt's ein kleines Tüpfelchen obendrauf: „En unserem Schleede“ passt auch wunderbar.
Wenn ihr schon mal da seid...
Wie Eifel funktioniert, auch zwei Jahre nach der Flut, haben die Mitglieder des Goitzsche-Front-Fanclubs erfahren. Nach der Flut haben sie unentwegt geholfen, immer wieder sind sie danach nach Gemünd gekommen. Am Wochenende waren sie eigentlich nur zum Feiern da. Die Rechnung hatten sie indes ohne die Gemünder gemacht. „Wenn ihr schon mal da seid, könntet ihr doch morgen in den Müsgesauel kommen“, hieß es am Freitagabend auf dem Marienplatz. Ein Anbau müsse dort noch abgerissen werden.
Weder Werkzeug noch Arbeitskleidung hatte die Truppe dabei. Doch wen stört das denn? Der Auftrag wurde selbstverständlich erfüllt. Dank Bürgermeister Ingo Pfennings waren noch in der Nacht die Container fürs Abbruchmaterial organisiert worden. Und am Samstag entwickelte sich der Arbeitseinsatz zu einem spontanen Straßenfest.
Wiederaufbau an Kirche verschoben
Die evangelischen Kirchen in Schleiden und Gemünd hat das Wasser ebenfalls schwer beschädigt. Der Wiederaufbau in Schleiden hätte eigentlich vergangenen Montag beginnen sollen. Doch damit das Helferfest auf dem Driesch stattfinden konnte, wurde der Baubeginn um eine Woche verschoben. „Darauf kommt es jetzt auch nicht mehr an“, sagt Pfarrer Erik Schumacher.
Zur Quartierskirche wird das Haus in Gemünd umgewandelt. Der Förderbescheid ist eingetroffen. Es soll laut Schumacher ein Ort für alle werden, eventuell mit Probenräumen, vielleicht mit Café. Das genaue Konzept wird nun erarbeitet.