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Erneute HaftSiegburger Missbrauchstäter wurde trotz elektronischer Fußfessel rückfällig

Lesezeit 4 Minuten
Zwei Modelle der elektronischen Aufenthaltsüberwachung, bekannt als elektronische Fußfessel.

Die elektronische Fußfessel trug der Angeklagte seit seiner Entlassung aus der JVA Siegburg. Der Missbrauchstäter muss nun wieder hinter Gitter.

Ein wegen Missbrauchs vorbestrafter 32-Jähriger muss wieder in Haft: Wegen Besitzes von Kinder- und Jugendpornografie.

Mehr als 1000 Sexualstraftäter in Nordrhein-Westfalen befinden sich derzeit in einem Resozialisierungsprogramm. 80 Prozent, so die Bilanz, schaffen es, nicht wieder kriminell zu werden. Ein 32-Jähriger aber, der wegen seiner Gefährlichkeit dauerhaft eine elektronische Fußfessel trug, muss nun erneut hinter Gitter. Das Siegburger Schöffengericht verurteilte ihn wegen Besitzes von Kinder- und Jugendpornographie zu zwei Jahren.

„Das waren nicht nur Bilder“, mahnte der Vorsitzende Richter Dr. Alexander Bluhm. Hinter jedem dieser Fotos, die schweren sexuellen Missbrauch Minderjähriger zeigen, stecke eine gequälte Seele. Extrem schwer wogen die Vorstrafen des Angeklagten, der zuletzt in der JVA Siegburg im geschlossenen Vollzug eine so genannte Sozialtherapie machte.

Die Psychologin aus dem Resozialisierungsprogramm zeigte den Siegburger an

Als Kind und Jugendlicher hatte er in diversen Kinderheimen gelebt, dort als 20-Jähriger einen 14-Jährigen missbraucht, später sich immer wieder Jungen unsittlich genähert, einen gar als „Sexsklaven“ gegen Bezahlung anderen Pädophilen angeboten. Bis Oktober 2022 saß er im Gefängnis, im Februar 23 erzählte er seiner Psychologin von den inkrimierten Fotos, diese nahm die Bilder in Augenschein und zeigte ihn an. Die Rückfallgeschwindigkeit wirke ebenfalls strafschärfend, so das Gericht.

Die Therapie bei der Psychologin aus der Landesklinik Langenfeld ist ein Baustein des vom Land NRW finanzierten „Kurs“-Programms. Eingebunden ist neben dem Landeskriminalamt auch die örtliche Polizei, Sozialarbeiter und die Bewährungshilfe als Führungsaufsicht. Der Angeklagte wurde schon im Juni vor seiner Haftentlassung von einer Fallkonferenz mit allen Beteiligten für das Resozialisierungstraining ausgewählt. Grundlage sei die Risikorückfallbewertung gewesen, erläuterte seine Bewährungshelferin im Prozess.

Der Siegburger sprach spielende Kinder im Wald an

Laut psychologischem Gutachten läge zwar eine kombinierte Persönlichkeitsstörung bei dem 32-Jährigen vor, aber keine seelische Abartigkeit. Der Angeklagte wird engmaschig betreut, er erhält regelmäßige Anrufe von der Polizei, muss sei Handy vorlegen. Und er trägt eine elektronische Fußfessel.

Zu seinen Auflagen gehört, dass er sich Kinder und Jugendlichen nicht nähern darf. In zwei Fällen, wo dies geschah, einmal arbeitete er als Gärtnerhelfer an einer Schule, ein anderes Mal sprach er spielende Kinder im Wald an, hätte die Überwachung funktioniert, sagte der Angeklagte.

Man kann solche sexuellen Präferenzen nicht behandeln, sondern nur lernen, damit umzugehen
Die Strafverteidigerin vor dem Siegburger Schöffengericht

Eine Verhaltensänderung sei nicht in kurzer Zeit zu erwarten, räumte seine Strafverteidigerin ein. Ihr Mandant habe einen langen Weg vor sich: „Man kann eine solche sexuelle Präferenz nicht behandeln, sondern nur lernen, damit umzugehen.“

Schon bei den ersten Schritten in Freiheit kam der Angeklagte indes ins Stolpern: Aus einer Siegburger Unterkunft, die Strafentlassenen hilft, flog er raus. Er hatte junge, 18 und 19 Jahre alte Mitbewohner mit Geschenken überhäuft und bedrängt. Sein Arbeitgeber kündigte ihm. Er habe es sich offenbar „bei den Kunden im Garten gemütlich gemacht und ausgiebig telefoniert“, sagte der Richter.

Der Angeklagte wirke sehr offen, seine Sexualität sei ein beherrschendes Thema, berichtete seine Bewährungshelferin. Er melde sich häufig telefonisch, auch bei der Polizei. Man wisse aber bei seinen ausufernden Erzählungen nicht, „was ist Fakt, was Fantasie“. Laut dem 32-Jährigem habe ihm die Polizei Tipps gegeben, wo sich die Schwulenszene in Köln treffe. Und ihm geraten, sich von Sexualpartnern den Ausweis zeigen zu lassen.

Das Schöffengericht sah eine schlechte Sozialprognose, „wir können Sie nicht in der Gesellschaft mitleben lassen“, so Dr. Bluhm. „Wir gehen davon aus, dass Sie wieder straffällig werden, Sie haben das nicht unter Kontrolle“. Der 32-Jährige nahm das Urteil mit einem Grinsen auf und streckte den Daumen nach oben. „Alles ok.“


1147 Probanden, teilte die Pressestelle des Landeskriminalamts (LKA) auf Anfrage der Redaktion mit, befinden sich aktuell im NRW-Programm KURS; die Abkürzung steht für Konzeption zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern. Im Schnitt sind es somit 24 in jeder der 47 Kreispolizeibehörden. Die genaue Zahl für den Rhein-Sieg-Kreis teilte das LKA nicht mit, das berge die Gefahr der Identifizierung.

Eine elektronische Fußfessel, wie sie der Angeklagte in Siegburg hat, müsse nicht jeder tragen. Sie komme „nur bei KURS-Probanden in Betracht, bei denen ein besonders hohes Rückfallrisiko vorliegt“.