Tomislav PerkoDer Mann, der ohne Geld auf Weltreise ging
Tomislav Perko hatte ein gutes Leben. Neben seinem Masterstudium der Betriebswirtschaft arbeitete der 31-jährige Kroate als Börsenmakler, trug Anzug und Krawatte, verdiente gutes Geld. 2008 kam die Finanzkrise. Perko war ohne Job, aber mit 35.000 Euro Schulden – Geld, das er sich von Freunden und Verwandten für Investitionen geliehen hatte.
Nicht Geld ist wichtig, sondern Mut
Er begann daraufhin, in einer Saftbar zu arbeiten. Gleichzeitig nahm er über die Online-Plattform Couchsurfing Reisende aus aller Welt in seiner Wohnung in Zagreb auf. Damit begann seine Verwandlung. Seine Gäste zeigten ihm, dass Geld nicht das Wichtigste zum Reisen ist, sondern Mut. Also begann er selbst zu Reisen. Erstmal unternahm er nur ein paar Städtetrips in Europa. Zu seinen Zielen fuhr er meistens per Anhalter. Zum Übernachten nutzte er Couchsurfing.
Dann hatte Perko eine Idee. Er wollte der Sonne hinterherreisen. „1000 Tage Sommer“ nannte er sein Projekt. Von Kroatien aus reiste er über den Irak und Indien nach Australien, segelte über den Indischen Ozean nach Afrika und reiste bis nach Südamerika. Und das alles fast ohne Geld. Knapp drei Jahre dauerte seine Reise.
Was ich getan habe, kann jeder
Nebenbei schrieb er einen Blog. In einer Hängematte in Ecuador hat er ein Buch geschrieben, ein zweites folgt. Im April und Mai war Perko an verschiedenen Hochschulen in Europa zu Gast. Bei seiner Vorlesung „How to travel the world with almost no money“ hat er Interessierten seine Geschichte erzählt. Und Antworten auf die Frage gegeben: Wie bereist man denn nun ohne Geld die Welt?
Herr Perko, wer kann so reisen, wie Sie gereist sind?
Tomislav Perko: So ziemlich jeder, der es wirklich will. Ich glaube nicht, dass es zu große Hürden für die meisten Menschen gibt. Vielleicht haben sie gesundheitliche Probleme, das ist das einzige, was mir einfällt. Ich denke nicht, dass meine Geschichte etwas Besonderes ist. Das kann so ziemlich jeder. Trampen, einen Schlafplatz, einen Job oder etwas zu essen finden, das kann jeder, der es wirklich will. Es geht darum, Prioritäten zu setzen. Meine Priorität war es, zu reisen, und dem habe ich alles untergeordnet. Wenn andere Leute das auch machen, können sie es auch schaffen.
Was ist das Wichtigste, was man braucht?
Perko: Einen Wunsch, sonst nichts. Ich denke, man sollte nicht so viel überlegen. Überlegen führt zu Plänen, Pläne führen zu Erwartungen und Erwartungen führen zu Enttäuschungen. Die Leute wissen, ob sie reisen wollen, oder nicht. Das ist das Einzige, worüber man nachdenken muss. Es ist ja nicht so, dass du morgen direkt losgehst, obwohl du es könntest. Man kann schon ein bisschen planen. Aber es muss der Wunsch da sein, zu reisen, der stärker ist, als alles andere. Es ist leicht, Ausreden zu finden. „Ich möchte reisen, aber nicht so viel, ich möchte nicht trampen, ich möchte dies nicht, möchte das nicht“. Jeder muss seinen eigenen Weg finden. Das war mein Weg, weil ich es so wollte. Aber es gibt tausend andere Wege, die genauso gut sind.
Die Vorbereitung, das Budget und die Fortbewegung
Jemand hat den Wunsch zu reisen und möchte los. Was ist der nächste Schritt?
Perko: Für mich kam dieser Schritt ganz natürlich. Für mich war es, Menschen via Couchsurfing bei mir aufzunehmen. Couchsurfing war für mich auf meiner Reise besonders wichtig. Nicht nur, weil es umsonst ist, sondern vor allem, weil ich coole Menschen getroffen habe. All diese Menschen, die ich bei mir aufgenommen habe, haben mir einen Zugang zur Couchsurfing-Community verschafft. Dadurch war es viel einfacher, auf meiner Reise einen Schlafplatz zu finden.
Das war also eine Art Vorbereitung. Die Leute hinterlassen Referenzen auf deinem Profil. Das macht es einfacher, selber Gastgeber zu finden, weil die Leute dir vertrauen. Und für das Trampen muss man nicht trainieren, du musst nur deinen Daumen ausstrecken. Man muss auch einfach nur seinen gesunden Menschenverstand benutzen. Wie viele Kilometer sind es bis zur nächsten Stadt? Schaffe ich das an einem Tag? Das meiste kommt mit der Erfahrung. Manchmal braucht man natürlich ein Visum. Dann muss man schon zur Botschaft gehen. Aber das war es dann auch. Weil es keinen wirklichen Plan gibt, braucht es auch nicht viel Vorbereitung.
Wie viel Geld haben Sie auf ihrer Reise ausgegeben?
Perko: Keine Ahnung. Mein tägliches Budget war etwas weniger als zehn Euro. Manchmal habe ich schon mehr ausgegeben, weil ich Flugtickets oder so kaufen musste. Aber dann habe ich auch einen Monat mal gar nichts ausgegeben. Ich habe unterwegs auch Geld verdient. Ich habe Straßenmusik gemacht, hab irgendwo gearbeitet, ich habe geschrieben. Es gibt viele Wege, unterwegs Geld zu verdienen.
Wie haben Sie diese Jobs gefunden?
Perko: Meistens bin ich einfach irgendwo hingegangen und habe nach einem Job gefragt. Ich gehe zum Beispiel in ein Restaurant, freunde mich mit dem Personal an, lächle der Kellnerin zu. Dann frage ich ob sie Hilfe in der Küche oder irgendwo brauchen. Vielleicht können sie mir dann einen Schlafplatz oder was zu essen anbieten, oder eben etwas Geld. Es wird nicht passieren, dass jemand auf dich zukommt und dir einen Job gibt, du musst selbst aktiv werden.
Wie sind Sie gereist?
Perko: Ich bin getrampt, ich bin gelaufen. Ich bin in einem Boot über den Indischen Ozean gefahren, im Austausch gegen Arbeit. Ich bin Zug gefahren, mit Bussen gefahren und geflogen, wenn es nötig war. Manchmal habe ich Mietwagen von Station zu Station gefahren. Ich habe Mitfahrzentralen genutzt. Unterkünfte habe ich vor allem über Couchsurfing gefunden, ich habe House-Sitting gemacht, Home-Exchange, Freiwilligenarbeit, habe auf der Straße geschlafen und in Restaurants.
Hatten Sie jemals Probleme beim Trampen?
Perko: Nicht wirklich. Manchmal kommt man nicht dorthin, wo man hin will. Aber das gehört zum Spiel dazu. Dann muss man sich eben einen Schlafplatz suchen. Aber das war es dann auch.Viele Leute haben Angst zu trampen.Weil sie irgendeine verrückte Geschichte über irgendeinen Typen gehört haben, der irgendwo irgendwen umgebracht hat. So ein Mist passiert – leider. Aber das ist nicht die Regel, es ist die Ausnahme. Alle Menschen, die ich kenne, die trampen, sind heute noch am Leben.
Übernachten auf der Straße, kostenloses Essen und was man beim Reisen wirklich braucht
Sie haben auch in Zelten neben der Straße geschlafen.
Perko: Ja, manchmal. Aber wirklich nur in etwa fünf Prozent der Fälle musste ich das machen. Wenn man keine Unterkunft hat, stellt man sein Zelt auf. In großen Städten habe ich in Parks geschlafen. Das passiert aber nicht sehr häufig.
Hatten Sie dabei jemals Angst um Ihre Sachen?
Perko: Klar. Man sollte schon aufpassen, dass niemand deine Sachen stiehlt. Am besten umarmt man seinen Rucksack beim Schlafen. Auch hier muss man seinen gesunden Menschenverstand einsetzen. Ich wurde einmal beraubt, in Peru. Sie haben meinen Laptop und meine Kamera geklaut. Mitten am Tag.
Wofür haben Sie auf Ihrer Reise das meiste Geld ausgegeben?
Perko: Das meiste Geld habe ich für Essen ausgegeben. Ich hab auch Geld für Transport und Unterkunft ausgegeben. Manchmal habe ich Flugtickets gekauft. Die waren recht günstig, aber Flugtickets sind eben Flugtickets.
Wie haben Sie es dennoch geschafft, die Ausgaben für Essen möglichst gering zu halten?
Perko: Ich habe nie in Restaurants gegessen. Ich habe meisten für mich selbst oder mit meinen Gastgebern gekocht. Manchmal habe ich auch in Mülltonnen hinter Supermärkten geschaut. Ich bin auch in Restaurants gegangen, nachdem diese schon geschlossen waren und habe nach Essen gefragt, was sie sonst wegwerfen würden. Manchmal geben sie dir dann was.
Welche Sachen braucht man wirklich für diese Art des Reisens? Was war in ihrem Rucksack?
Perko: Ein Zelt, ein Schlafsack, eine Matratze, ein paar Klamotten. Ich hab nicht viel Kleidung mitgenommen, weil ich versucht hab, dorthin zu gehen, wo gerade Sommer ist. Ansonsten Hygieneartikel, Ladekabel, meinen Laptop, meine Kamera. Etwas für den Regen, eine Taschenlampe, ein Schweizer Taschenmesser und das war es schon. Das ist so ziemlich die Basis. Man lernt wirklich, mit so wenig wie möglich auszukommen, weil man ja auch alles herumschleppen muss. Wenn dein Haus auf deinem Rücken ist, musst du dir überlegen, was du in deinem Haus haben möchtest.
Wie das Reisen bereichert, wann es einsam macht und wie man die Angst davor überwindet
Was hat Sie auf ihrer Reise am meisten bereichert?
Perko: Einfach nur das Leben jeden Tag. Wenn jemand anhält, um dich mitzunehmen oder wenn jemand dich bei sich zu Hause aufnimmt. Das ist alles, was ich brauchte. Jeder Tag war anders, aber auch irgendwie gleich. Irgendetwas Erstaunliches passiert immer. Nicht jeden Tag, aber häufig. Du lernst jemand neues kennen, du lernst etwas Neue. Einfach die Intensität des Reisens. Es gibt kein bestimmtes Event. Es war der Prozess.
Haben Sie sich manchmal einsam gefühlt?
Perko: Na klar. Manchmal sind aber auch einfach zu viele Menschen um einen herum. Wenn man so reist wie ich, ist man eigentlich nur beim Trampen alleine. Dann hält jemand an und du hast wieder jemanden zum Reden. Dann ist man bei irgendwem Zuhause und kann mit demjenigen Reden. Dann trifft auch andere Reisende. Man ist nicht so häufig einsam.
Was sagen Sie Menschen, die einen sicheren Job haben, gerne Reisen möchten, aber Angst haben, danach keinen Job mehr zu bekommen?
Perko: Tu, was du tun möchtest. Du wirst es nie herausfinden, wenn du es nicht versuchst. Dann musst du eben mit dieser Angst leben. Wenn Reisen dein Traum ist, wirst du alles in der Macht stehende versuchen, das zu verwirklichen. Das ist alles. Die meisten Menschen finden Ausreden. Dann ist Reisen aber offensichtlich nicht deren Priorität. Deine Priorität ist Sicherheit, ein fester Job, nicht reisen.
Die Welt wird derzeit immer gruseliger. Es gibt Krisen, Anschläge, Terror. Viele Menschen haben deshalb Angst, weil sie all diese Sachen in den Medien sehen. Was sagen sie solchen Menschen?
Perko: Hör nicht auf die Medien. In ihrem Zuhause in Brüssel oder Paris kann man sich auch nicht sicher fühlen. Manchmal passiert Mist. Ich wurde einmal fast verprügelt. Es fand ein Fußballspiel statt und ein paar Hooligans dachten ich wäre ein Fan vom anderen Team, weil ich ein weißes T-Shirt anhatte. Das ist aber in Zagreb passiert, meiner Heimatstadt. Nur weil man in seiner eigenen Stadt ist, heißt das nicht, dass man auch sicher ist. Du könntest morgen von einem Auto überfahren werden. Und dann?
Was ist die größte Gefahr, wenn man sich auf Reisen begibt?
Perko: Du und dein Verstand. Natürlich muss man vorsichtig sein und seinen Verstand einsetzen. Die größte Gefahr kommt aus dem Inneren, so blöd es auch klingt. Die Welt kann ein gefährlicher Ort sein, wenn man nicht vorsichtig ist. Genau wie deine eigene Stadt. Du bist deine größte Gefahr. Wenn du nicht nachdenkst, aber auch, wenn du zu viel nachdenkst. Ich habe heute ein Zitat vom Dalai Lama gelesen: „Du kannst in deinem Leben machen, was du willst. Oder du kannst es nicht.“ Man muss es versuchen, um es herauszufinden.
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