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Zweiter Weltkrieg in HitdorfAls die Amis den Rhein überquerten

Lesezeit 4 Minuten
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Das alte Sägewerk in Hitdorf liegt schon 1942 in Trümmern. 

  1. Am 6. April 1945 hat das US-Militär bei Hitdorf den Rhein überquert, schwere Gefechte waren die Folge.
  2. Rosanna Großmann und Agatha Mazur haben Geschichtsinteressierte aus Hitdorf ausfindig gemacht, die versuchen, die Kriegszeit zu rekonstruieren.
  3. Was ist Anfang April genau passiert, wie viele Opfer gab es? Teilweise werden sogar Original-Quellen des US-Militärs gesichtet.

Leverkusen – Als Werner Gries vor 45 Jahren das alte Haus des Dorfarztes in Hitdorf erwarb, fielen ihm sofort die Einschusslöcher in der Außenmauer auf. Er erfuhr, dass sie aus dem Zweiten Weltkrieg stammten, ebenso wie die Schäden am Balkon: Hier war eine Granate eingeschlagen, in den Rohren des Balkongeländers steckten sogar noch Kugeln. „Ich war neugierig, was dort passiert ist“, erzählt der fast 80-jährige Engelskirchener.

Also recherchierte er gemeinsam mit seinem Nachbar Norbert Werry, übersetzte Berichte von amerikanischen Soldaten ins Deutsche, suchte lokale Karten aus den 40er Jahren. In den Büchern „All The Way To Berlin“ und „Aus Trümmern in die Freiheit“, letzteres in Monheim erschienen, fand er je ein paar Seiten, die die Anlandung in Hitdorf beschreiben.

Auch die Brauerei in Hitdorf wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört.

„Ich dachte, man könnte alles schön zusammenfügen und hätte dann ein komplettes Bild“, berichtet Gries von seinen Ergebnissen. „Leider widersprechen sich die Schilderungen aber.“

Viele Ungereimtheiten und Halbwahrheiten

Das hat auch Carl Florczak festgestellt. Der 66-jährige gebürtige Engländer wohnt seit 2008 in Hitdorf. Als ehemaliger Bundeswehrsoldat interessiert er sich für die Geschichte und recherchiert bereits seit mehreren Jahren zum Zweiten Weltkrieg. Seitdem die US-Amerikaner ihre Archive geöffnet haben, hat er sich handschriftliche Dokumente, angefertigte Skizzen, „Messages“ zwischen den verschiedenen Militärischen Abteilungen im Original angeschaut. Dass nach dem Zweiten Weltkrieg viele Falschinformationen durch die Welt geistern, davon ist auch er überzeugt. „Viele wollten zur damaligen Zeit auch einfach Geld machen“, erklärt er. Manche sprechen von Fallschirmjägern oder Tigerpanzern, die hier im Bereich Hitdorf unterwegs waren. „Die waren hier aber gar nicht stationiert“, betont Florczak.

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Die Türme von St. Stephanus sind im Zweiten Weltkrieg zerstört worden.

Einig sind sich die Hobbyhistoriker, dass in der Nacht auf den 6. April 1945 eine Kompanie des amerikanischen Militärs gegen 2 Uhr in der Nacht den Rhein überquerte, um in Hitdorf einen Brückenkopf zu errichten. Auf der rechten Rheinseite wurden sie von heftigem Feuer der deutschen Soldaten empfangen. Bis zum frühen Morgen hatten die US-Amerikaner den Stützpunkt etabliert. In der Nacht auf den 7. April kam die deutsche Verstärkung an, schildert Carl Florczak. Am Abend des 7. Aprils begannen die US-Amerikaner, sich zurückzuziehen, nachdem sie zuvor mehrere Male von Soldaten der Wehrmacht angegriffen worden waren, die in immer größeren Truppen aufmarschierten. So geht es laut Werner Gries aus den Schilderungen des amerikanischen Offiziers James Megellas hervor. Aufzeichnungen, die sich Florczak im US-Archiv angeschaut hat, bestätigen das.

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Später bezeichnete man den Kampf als „kleines Dünkirchen“ – es sei „eine der blutigsten Schlachten des Zweiten Weltkriegs gewesen, da prozentual so viele der Eingesetzten ums Leben kamen“, so Werner Gries. Bernd Bilitzki, 1. Vorsitzender des Hitdorfer Heimatmuseums, gibt allerdings zu bedenken, dass es bis heute keine genauen Zahlen über die gefallenen Soldaten auf deutscher Seite gibt. Möglicherweise seien daher die Schilderungen auch übertrieben. Aus den Aufzeichnungen des US-Militärs kann man zumindest entnehmen, dass bei den Gefechten zehn Soldaten ums Leben gekommen sein sollen.

Hans Kürten, der vor Kurzem verstorbene Besitzer des Hitdorfer Heimatmuseums, hatte einst von der Begegnung mit einem amerikanischen Soldaten erzählt, viele Jahre nach dem Krieg: Man hätte die Strömung im Rhein unterschätzt und habe viel zu weit unten am anderen Ufer angelegt, erinnert sich Werner Gries an die Anekdote. Interessant ist auch, dass die Amerikaner „nach diesem Debakel“ von Hitdorf angefangen haben, Infrarotgeräte zu benutzen. Die seien zuvor in Hitdorf getestet worden, hat der ehemalige Soldat Carl Florczak herausgefunden.

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Norbert Werry (l.) und Werner Gries zeigen die Einschusslöcher auf. Man findet viele in Hitdorf.

Werner Gries selbst hat den Krieg als Jahrgang 1941 als kleines Kind miterlebt. Gries’ Vater ist im Stalingrad gefallen. Heute kann kaum noch jemand von Kriegszeiten berichten, „und Erinnerungen ändern sich auch mit der Zeit“, so benennt Gries das Vergessen und Verdrängen. Ihre Eltern hätten fast nichts erzählt, nur einzelne besondere Szenen. Viel zu selten sei das Kriegsgeschehen und der Nationalsozialismus in der Zeitzeugen-Generation hinterfragt worden, überlegt Gries. „Man war so von der Propaganda vereinnahmt. Meine Mutter hätte auf die Nazis Hass haben müssen, hat aber nie auf die geschimpft.“ Dass aktuell eine Kultur des Hinterfragens gerühmter Persönlichkeiten entsteht, komme laut Gries auch viel zu spät: „Man kriegt die falsche Vorstellung nicht aus den Köpfen.“ Umso wichtiger, sich mit der (deutschen) Vergangenheit gründlich auseinander zu setzen, auch wenn man dafür die Recherche selbst in die Hand nehmen muss.

Das Hitdorfer Heimatmuseum hat sich dieser Sache angenommen. Bernd Bilitzki, 1. Vorsitzender, plant mit seinem Verein, dem 34 Mitglieder angehören – davon sind knapp 14 aktiv dabei –, eine Ausstellung über den Zweiten Weltkrieg. Terminiert ist sie allerdings noch nicht.