Zwei Wochen Homeschooling„Es kommt kein Gong mehr und sagt: Die Schule ist aus“
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Leverkusen – „Sport!“, sagt Constantin Bloch. Der Unterricht macht auch Zuhause Spaß. Liegestützen sind für den Drittklässler eine willkommene Herausforderung. Dass man Fragen zu Schulaufgaben erst in einen Chat schreiben und auf die Antwort warten muss, anstatt einfach den Finger zu heben, findet er doof. „Aber als die Schule das erste Mal zu war, war es schlechter“, lautet das Fazit des Neunjährigen nach zwei Wochen Homeschooling im zweiten Schul-Lockdown.
Stapel Arbeitsblätter
Und damit trifft er die Meinung vieler Eltern, die sich in einer Umfrage im Netz widerspiegelt: An den meisten Schulen hat sich seit dem Frühjahr viel getan. Auch wenn die Bandbreit des Unterrichts von einem Stapel kopierter Arbeitsblätter bis zu abwechslungsreichen Digitalformaten reicht.
„Es ist aber noch Luft nach oben“
„Es läuft besser und sortierter als im Frühjahr“, sagt Diana Dahlmann über ihre Erfahrungen an der KGS Möwenschule in Wiesdorf. „Es ist aber noch Luft nach oben.“ So bekomme ihr Kind in der vierten Klasse Sonntags einen Wochenplan per Mail, alternativ kann dieser an der Schule ausgedruckt abgeholt werden. Die Aufgaben müssen dann freitags abgegeben werden, entweder an der Schule oder digital per Scan oder Foto. Videokonferenzen gibt es in dieser Klasse nicht.
„Sehr positiv überrascht“ ist eine Mutter, deren Tochter die erste Klasse der Grundschule Kerschensteinerstraße besucht. „Die Lehrerin ist sehr bemüht, die Kinder haben engen Kontakt zu ihr, es gibt täglich Videos, Videokonferenzen, ausreichend Aufgaben, ein Padlet und immer das Angebot sich als Eltern zu melden, falls irgendwelche Problem auftreten.“ Ein großes Lob gibt es auch für die GGS Opladen von einer Mutter: „Der Unterricht läuft sehr gut strukturiert und organisiert.“ Für ihre Kinder starte der Tag mit einem Videoanruf der Lehrer, bei dem die Tagesaufgaben besprochen werden. Die Lehrer seien für Fragen immer online zu erreichen.
Padlets sind der Star
Das Padlet scheint vor allem an den Grundschulen eine große Karriere gemacht zu haben: Hierbei handelt es sich um eine digitale Pinnwand. Lehrerinnen und Lehrer können hier in verschiedenen Ordnern Bilder und Videos hochladen, Dateien zum Bearbeiten bereitstellen, Internetseiten verlinken und Sprachnachrichten aufnehmen. Viele Eltern berichten, dass das an ihren Schulen mittlerweile sehr gut ausgestaltet sei.
Auch der Unterricht für die Tochter von Kathrin Sauer, die die zweite Klasse der Theodor-Fontane-Grundschule besucht, ist auf ein Padlet aufgebaut. „Das geht natürlich nicht immer reibungslos, als Eltern müssen wir schon viel dabei bleiben und unterstützen“, sagt die Mutter. Bei ihren beiden älteren Kindern, die die siebte und neunte Klassenstufe am Lise-Meitner-Gymnasium absolvieren, wird sie dagegen kaum noch gebraucht. „Die hatten sogar einen Testtag im November, wo an der Schule alles zum Distanzunterricht geübt wurde“, lobt die Mutter. Die Älteren hätten natürlich auch eine höhere Affinität zu den technischen Geräten und könnten dort richtigen Onlineunterricht live verfolgen. „An beiden Schulen geben sich die Lehrer sehr viel Mühe, selbst für die Kleine gibt es sogar eine kleine Teamkonferenz zum Start in den Tag, das ist ein deutlicher Fortschritt zum ersten Lockdown.“
Lehrer haben viel gelernt
Auch da seien die Lehrerinnen sehr engagiert gewesen, mittlerweile haben aber alle noch viel dazu gelernt, sagt auch Judith Braun, Schulleiterin der Fontane-Schule. „Wir sind technisch jetzt auf einem ganz anderen Level.“ Alle Kolleginnen haben sich fortgebildet, viele drehen mittlerweile eigene Lehrvideos, senden Sprachnachrichten auf das Padlet , es werden viel mehr interaktive Lerninhalte angeboten. Das sei aber nur durch den großen Einsatz des Lehrpersonals möglich. „Ich habe Zugriff auf alle Klassenpadlets und sehe nicht selten, dass eine Lehrerin noch um 22 Uhr daran arbeitet, damit die Kinder am Morgen frische Inhalte haben“, sagt die Schulleiterin.
Arbeit und Freizeit verschwimmen
Dass Arbeit und Freizeit sich mehr vermischen, hat auch Constantins Mutter Marina Bloch festgestellt. Sowohl bei sich, wie auch bei ihren Kindern. Ihre eigene berufliche Arbeit verschiebe sich oft in die Abendstunden. „Und es kommt kein Gong mehr und sagt: »Die Schule ist aus, jetzt ist Freizeit.«“ Bis 14 Uhr sei Constantin immer beschäftigt, teilweise auch bis 16 oder 17 Uhr. „Gerade für die Motivation fehlt der direkte Kontakt zu Klassenkameraden schon sehr.“ Ihre ältere Tochter besucht das Freiherr-vom-Stein-Gymnasium. „Da ist auch eine Lernkurve beim Online-Unterricht zu erkennen“, sagt die Mutter. Neben technischer Probleme werde hier aber der Ablauf verkompliziert, weil Lehrer derzeit unterschiedliche Plattformen nutzen.
Eltern der Gesamtschule Schlebusch äußern sich dagegen sehr zufrieden: „In der fünften Klasse gibt es Unterricht nach Stundenplan.“ Entweder werde die Stunde ganz über Teams abgehalten oder es gebe eine Einweisung und dann eigenständige Arbeit, bei der die Lehrer aber immer im Chat erreichbar seien. „Ein Lob an die Lehrer. Klappt alles super“, sagt die Mutter.
Wechselmodell erwünscht
Dennoch sind alle froh, wenn die Kinder wieder in die Schule können. „Der Präsenzunterricht kann von Eltern niemals komplett ersetzt werden“, sagt Diana Dahlmann. „Ich würde mir bei noch länger andauerndem Lockdown zumindest ein Wechselmodell wünschen – mit sehr kleinen Gruppen und großen Abständen.“ Bei vielen Eltern liegen die Nerven blank, während sie sich täglich zwischen Schulaufgaben, Homeoffice und Mittagessen kochen zerreiben.
Die Freunde fehlen
Auch Constantin Bloch antwortet mit einem lauten „Ja!“ auf die Frage, ob er sich freut, wenn er wieder in die Schule gehen und seine Freunde sehen kann. Nur einen Vorteil erkennt er am Heimunterricht: „Dass man mehr am Laptop machen darf.“ Aber das wiegt die fehlenden Freunde nicht auf.