„Absolut unverhältnismäßig“278 Euro Bußgeld für 16-jährigen Schüler empört Eltern
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Ein Berufsschüler vom Berufskolleg an der Stauffenbergstraße muss ein saftiges Bußgeld zahlen, weil er auf der anderen Straßenseite mit seinen Mitschülern stand.
Die Eltern wollen sich wehren.
Leverkusen – Mit der Bescherung war es bei Familie Schmidt im vergangenen Jahr bereits zweieinhalb Wochen vor Heiligabend soweit: Am 9. Dezember landete nämlich ein Brief des Ordnungsamtes im heimischen Briefkasten. Inhalt: die Aufforderung zur Zahlung von 278,50 Euro. Ein Bußgeld mit allem Gebühr- und Porto-Drum-und-Dran, dessen Anlass zu diesem Zeitpunkt zwar schon drei Wochen zurücklag, die Schmidts aber bis heute umtreibt. Adressat des Schreibens war Sohn Peter Schmidt. Der 16-Jährige soll am 18. November gegen die Coronaschutzverordnung verstoßen haben.
Die Geschichte dieses Verstoßes an sich ist schnell erzählt. Und doch ist sie komplex, denn sie taugt wohl als gutes Beispiel für jene Unsicherheit, die diese Pandemie bei nahezu jedem Menschen und in so gut wie allen Bereichen des täglichen Lebens hervorruft: Peter Schmidt ist Schüler am Berufskolleg Opladen. An besagtem Tag hatte er nach eigener Aussage gegen 9:36 Uhr Pause und ging mit zwei Mitschülern nach draußen. Weil der Schulhof ihnen zu voll mit anderen Schülerinnen und Schülern gewesen sei, sagt Peter Schmidt, habe sich das Trio kurzzeitig vom Schulgelände entfernt und auf die andere Seite der Stauffenbergstraße gestellt, „um dort mit Maske und Abstand die Pause zu verbringen“.
„Sorge, dass ich dann noch mehr Ärger bekommen könnte“
Kurze Zeit später seien Mitarbeiter des Ordnungsamtes vorbeigekommen und hätten den Schülern mitgeteilt, dass sie gerade gegen das Ansammlungsverbot zu Corona-Zeiten verstießen, da ihre Gruppe Personen aus mehr als zwei unterschiedlichen Haushalten umfasse. „Sie nahmen unsere Personalien auf, sagten, dass wir Post bekommen würden – und verabschiedeten sich“, erinnert sich Peter Schmidt. Die ganze Angelegenheit sei „bestimmt aber freundlich“ vonstatten gegangen. „Und ich wollte in diesem Moment auch nichts weiter sagen, weil ich Sorge hatte, dass ich dann noch mehr Ärger bekommen könnte.“ Der Rest: ist bekannt. Ist die erwähnte Bußgeld-Bescherung kurz vorm Fest.
Die Schmidts können diese Art der Handhabe bei allem Verständnis für die derzeitige Situation nicht nachvollziehen: „Mein Sohn ist Vollzeitschüler. Er saß mit den beiden ebenfalls betroffenen Schülern ohnehin schon den ganzen Tag im Klassenraum zusammen. Und sie sind ja in der Pause gerade deshalb auf die andere Straßenseite gegangen, um nicht zwischen all den anderen Jugendlichen auf dem Schulhof zu stehen“, sagt Mutter Monika Faust-Schmidt. Sie findet das Vorgehen inklusive der Höhe des Bußgeldes – zumal es sich um einen 16-Jährigen handele – „absolut unverhältnismäßig“.
Indes: Auch aus Sicht des Ordnungsamtes ist die Sache klar. Bereits im Vorfeld dieser Kontrolle am 18. November habe es nämlich „vermehrt“ Beschwerden gegebenen, „dass sich im Bereich des Berufskollegs die Schüler nicht an die geltenden Bestimmungen der Corona-Schutzverordnung halten“. Daraufhin sei es zu ersten Kontrollen vor Ort gekommen – so auch schon am 17.1., also einen Tag vor dem Vorfall mit Peter Schmidt. Bei dieser Gelegenheit sei wiederum tatsächlich eine „größere Personengruppe“ an der Schule angetroffen worden. Und gerade „um die Verhältnismäßigkeit zu wahren,“ habe man daraufhin zunächst einmal Rücksprache mit der Schulleitung gehalten und sie über die Notwendigkeit weiterer Kontrollen in Kenntnis gesetzt.
22 Bußgeldverfahren
Seitens der Schulleitung sei denn auch zugesichert worden, die Schüler ab sofort ausreichend auf dieses Problem aufmerksam zu machen und täglich mehrmals mit Lautsprecherdurchsagen zu informieren. Und erst dann seie die neuerliche Kontrolle erfolgt, in die Peter Schmidt geriet. Trotzdem seien die Mitarbeiter auch am nächsten Tag auf eine erneute „große Personengruppe im öffentlichen Bereich“ getroffen, die die Schutzbestimmungen „offensichtlich“ ignoriert habe. Das Ergebnis seien 22 Bußgeldverfahren gewesen, eines davon gegen Peter Schmidt. In den Tagen und Wochen danach seien dann keine Verstöße mehr festgestellt worden. Ergo: „Die Kontrollen haben zur Einhaltung der Regeln beigetragen.“
Peter Schmidt ist sich hingegen übrigens sicher, dass die erwähnten Lautsprecherdurchsagen erst nach seiner Konfrontation mit den Kontrolleuren erfolgt seien. „Vorher wurden wir nicht informiert. Ich dachte bei den ersten Durchsagen sogar noch: Das fällt euch aber früh ein!“
Matthias Momberg, stellvertetender Schulleiter, kann den Ärger der Schmidts und anderer Eltern durchaus nachvollziehen. „Das Problem ist: In der Schule sitzen unsere Schülerinnen und Schüler über Stunden zusammen – mit Maske. Und wenn sie dann zur Pause hinausgehen, dann ist es nachvollziehbar, dass sie irritiert sind, wenn sie dann plötzlich nicht mehr zusammenstehen dürfen.“ Er finde es sogar menschlich, wenn der eine oder andere dann den Wunsch verspüre, sich ein wenig abseits zu stellen und eventuell sogar einmal die Maske abzunehmen – was ja im Falle von Peter Schmidt noch nicht einmal geschah. Aber: Gerade er habe sich eben auf einen Teil der Stauffenbergstraße gestellt, der außerhalb des Schulgeländes liege. Dort gelte eben dieses öffentliche Versammlungsverbot.
„Und das entzieht sich dann leider auch unserer Kontrolle. Wir sind schließlich keine Polizeibehörde.“ Zudem würden jene Beschwerden von unbekannt, die sich auf diesen Teil des Schulumfeldes bezögen und die eben zu den verschärften Kontrollen im November geführt hätten, offenbar stets direkt an das Ordnungsamt gerichtet. „Und nicht an uns. Das ist schade“, betont er. „Aber wie man in so einem Fall verfährt, muss eben jeder für sich entscheiden.“ Und noch eine Sache betont Momberg: „Unsere Schüler sind sehr diszipliniert. Wir haben auf unserem Gelände keine Probleme und achten explizit auf die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften.“
Wie es nun weitergeht? Das weiß niemand. Klar ist nur eines: Was auch immer sich an jenem 18. November vor dem Berufskolleg abgespielt haben mag – die Angelegenheit ist noch nicht beendet. Der Einspruch der Schmidts gegen den Bußgeldbescheid für Sohn Peter wurde mittlerweile abgeschmettert. Bis Anfang Februar kann er noch zurückgezogen werden. „Danach geht die Angelegenheit vom Ordnungsamt an die Staatsanwaltschaft“, sagt Monika Faust-Schmidt und kündigt an, sich nun mit anderen Eltern zusammentun zu wollen.