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„Tollkühne“ ForderungenAndreas Tressin bewertet Tarifverhandlungen der IG Metall

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Metaller in NRW beim Streik (Symbolbild).

  1. Andres Tressin ist Geschäftsführer des Arbeitgeberverbands der Metall- und Elektroindustrie sowie der Unternehmerschaft Rhein-Wupper mit Sitz in Opladen.
  2. Er bewertet die Tarifrunde aus Sicht der Arbeitgeber.
  3. Er findet die Forderungen der IG Metall überzogen - schließlich war die Branche schon vor Corona in einer schwierigen Lage.
  4. Lesen Sie hier das ganze Interview.

Herr Tressin, die IG Metall hat offenbar Geschmack an mehr Freizeit gefunden. Auch dieses Mal gibt es eine Forderung, die Arbeitszeit zu verkürzen. Das würde den Unternehmen Geld sparen. Klingt doch gar nicht schlecht, oder?

Die Möglichkeit zur Arbeitszeitabsenkung hatten die Tarifvertragsparteien in der Vergangenheit schon längst geregelt gehabt, allerdings mit der Maßgabe, dass bei einer Arbeitszeitabsenkung die Entgeltbestandteile entsprechend zu mindern waren. Jetzt will die IG Metall bei einer Arbeitszeitabsenkung zumindest einen Teillohnausgleich. Damals herrschte zwischen den Tarifvertragsparteien noch Einigkeit darüber, dass zwischen der Höhe der Arbeitskosten und der Sicherung von Beschäftigung ein Kausalzusammenhang besteht; das scheint die IG Metall nun nicht mehr ganz so eng sehen zu wollen.

Zur Person

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Andreas Tressin ist Geschäftsführer des Arbeitgeberverbands der Metall- und Elektroindustrie.

Andreas Tressin ist Geschäftsführer des Arbeitgeberverbands der Metall- und Elektroindustrie sowie der Unternehmerschaft Rhein-Wupper mit Sitz in Opladen. Der Jurist vertritt rund 300 Unternehmen. Die Verbände sind unter anderem im Wuppermann-Bildungswerk engagiert, wo Jugendliche eine Ausbildung bekommen, die anderswo nicht zum Zuge gekommen wären. (tk)

Vorschläge in Zeiten wirtschaftlicher Rezession ungerechtfertigt

Auch vier Prozent erscheinen im Vergleich als moderate Verhandlungsbasis, egal ob in Zeit oder Geld …

Das sehen unsere Mitgliedsunternehmen aber ganz anders. Konkret: Weniger Arbeit mit zumindest Teillohnausgleich oder bei gleicher Arbeit mehr Geld – auf diesen Nenner lässt sich die Forderung bringen. Diesen Vorschlag muss man in Zeiten wirtschaftlicher Rezession, teurem Strukturwandel und völliger Planungsunsicherheit schon als „tollkühn“ bezeichnen. Denn auf jeden Fall würde sich der Faktor Arbeit nochmals massiv erhöhen, was in der aktuellen Situation für unsere Unternehmen schlicht unzumutbar ist. Im Übrigen sei daran erinnert, dass die IG Metall noch vor einem Jahr aufgrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ein Einfrieren der Entgelte als den richtigen Weg angesehen hat. Den will sie offensichtlich nun nicht mehr fortsetzen.

Metallindustrie schon vor Corona angeschlagen

Müssen die Arbeitgeber in der Corona-Krise, die ja die Unternehmen sehr unterschiedlich betrifft, ein so flexibles Angebot nicht begrüßen?

Ich warne davor, Corona als alleinigen Bewertungsmaßstab für alles weitere tarifliche Handeln zu machen. Denn wir dürfen uns nichts vormachen: Schon vor Corona stand die Metall- und Elektroindustrie bei der Digitalisierung beziehungsweise der Transformation vor einem gigantischen Investitionsstau. Hinzu kam, dass weltweit die Konjunktur deutlich zurück gegangen war und die Arbeitskosten am Standort Deutschland überproportional gegenüber unseren Mitbewerbern im Ausland stiegen und wir immer mehr an internationaler Wettbewerbsfähigkeit verloren hatten.

Schon vor Corona war deshalb die Lage sehr ernst und ein Belastungsmoratorium für unsere Branche dringend angezeigt. Corona kam dann gleichsam als Brandbeschleuniger noch dazu und kostete und kostet weiterhin die Unternehmen vor allem unglaublich viel Liquidität. Liquidität, die jetzt an allen Ecken und Enden für die Investitionen der Zukunftstechnologien fehlt, sodass manche Unternehmen sich fragen, ob sie ihr Geschäftsmodell überhaupt noch finanzieren und damit umsetzen können. Noch gar nicht eingepreist sind dabei die verschärften Eigenkapitalvorschriften bei den Banken nach Basel IV, die den Zugang zu Krediten immer schwieriger, mindestens aber wegen gestiegener Zinsrisikozuschlägen immer teurer werden lassen. Eine Senkung der Arbeitskosten wäre das Gebot der Stunde.

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Eine Vier-Tage-Woche würde doch erhebliche Spielräume bringen für die Unternehmen.

Welche Spielräume? Eine Arbeitszeitreduzierung und eine Verteilung auf eine Vier-Tage-Woche bedeutet im Ergebnis nichts anderes, als einen Mangel zu verwalten. Zudem mindert sich bei jeder Arbeitszeitreduzierung meist die Produktivität.

Nach allem, was man aus dem Arbeitgeber-Lager so hört, wünscht man sich dort mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Wie könnten die aussehen?

Vorrangig sollte man sich darauf besinnen, was eigentliche Aufgabe von Tarifverträgen ist: Nämlich die Schaffung von Mindestarbeitsbedingungen, also einen tariflichen Rahmen, der auch von den Unternehmen getragen werden kann. Darüber hinaus wäre es in der Tat klug, einen vor allem bestimmbaren und damit umsetzbaren Rahmen mit eingebauter Variabilität bei den Entgeltstrukturen zu definieren, der optional Abweichungen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, der Innovationsfähigkeit und der Investitionsbedingungen zulässt.