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Gute Laune in der S19 und RE9Unterwegs mit dem Kult-Lokführer und seiner Trompete

Lesezeit 4 Minuten
Lokführer Martin Kowalski bei einer kurzen Pause. dann ist Zeit für ein Liedchen mit der Trompete.

Lokführer Martin Kowalski spielt für Fahrgäste der DB Regio - meistens in der S19 oder im RE9

Bahnfahren kann auch Spaß machen. Zum Beispiel, wenn es gute Unterhaltung und Musik gibt. Dafür sorgt Lokführer Martin Kowalski bei der DB Regio.

Wenn ein Lokführer die Fahrgäste außerplanmäßig bittet auszusteigen, ist das normalerweise kein gutes Omen und führt in der Regel zu langen Gesichtern. Bei Martin Kowalski ist das anders. Der 57-Jährige unterhält seine Fahrgäste in der S19 oder dem RE9 gerne aus dem Fahrerstand mit bunten Geschichten aus dem Rhein- und Auenland. Und wenn es die Zeit erlaubt, holt er am Bahnsteig seine Trompete raus und spielt ein kleines Ständchen.

An diesem Donnerstagmorgen ist die S-Bahn voller Gamescom-Besucher auf dem Weg zur Messe in Köln-Deutz. Kowalski, der seit 3:20 Uhr die Strecke von Au an der Sieg nach Köln und zurück absolviert und schon seit halb zwei in der Nacht auf den Beinen ist, ist nicht die Spur müde. Im Gegenteil. Er ist im Animationsmodus. „Schön, dass ich am Bahnsteig in Siegburg noch einige überreden konnte, hier in die S19 einzusteigen“, flachst er ins Mikro: „Festhalten, wir rollen an!“

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Lokführer Martin Kowalski - frei nach Konfuzius

In Spich, der übernächsten Haltestelle, erzählt Kowalski über die Bordlautsprecher, dass er mal einen Fahrgast hatte, der gefragt habe: Is this the train to Speech?“ Irgendwie buchstäblich, denn ab dem Moment ist er so richtig in Sprechlaune: „Willkommen, liebe Fahrgäste aus Speech. Wir tauchen gleich Richtung Flughafen ab, 18 Meter unter die Erde, bevor es dann von der realen in die virtuelle Welt geht.“

Seine Anspielung auf die Spielemesse einige Stationen weiter lässt die Fahrgäste aufhorchen, einige schauen irritiert, andere schmunzeln, weil sie Kowalski schon kennen. Tobias, Berufsschüler auf dem Weg nach Köln, lacht: „Ja, der macht ja öfter diese Ansagen!“ Und staunt dann doch nicht schlecht, als Kowalski am Airport-Bahnhof um spontanes Erheben bittet: „Es wäre supertoll, wenn Sie hier mal kurz in die reale Welt aussteigen. Ich habe eine Überraschung!“ Er würzt seine Ansprache mit ein bisschen rheinländischem Englisch: On our own free will — natürlich, alles freiwillig.

Während die Türen sich öffnen, ist Kowalski schon draußen neben der Lok und stimmt auf seiner 30 Jahre alten goldenen Trompete einen seiner Lieblingssongs an: „Georgy Girl“. Für alle, die den Titel der australischen Band „The Seekers“ aus dem Jahr 1967 nicht kennen – sie erfahren es natürlich auf der Weiterfahrt vom Trompeter, angereichert mit weiteren musikalischen Anekdoten und der Info, dass das Lied aus seinem Geburtsjahr stammt.

Ein Ständchen vor der Gamescom

Sascha und seine Tochter Stella Askani aus Karlsruhe haben wie viele andere Fahrgäste ihre Handys gezückt und den Trompete spielenden Kowalski gefilmt. Zurück im Abteil amüsieren sie sich immer noch und schwärmen: „Sowas erlebt man definitiv nur in Köln.“ Stella, die, was für ein Zufall, selbst Trompete spielt, ist begeistert: „Das war echt gut!“ Noch vor dem Eintritt in die virtuelle Gamescom-Welt haben die beiden das Filmchen noch schnell nach Hause übermittelt.

Trompetender Zugführer Martin Kowalski

Lummerland-Lied für den Berliner Besuch in Köln.

Bei Tausenden Fahrten in den vergangenen zwölf Jahren dürften haufenweise Videoschnipsel entstanden sein – versehen mit so oder anders lautendem Hinweis an Familie oder Freunde: Das habe ich gerade bei der Deutschen Bahn erlebt! Kowalski bietet Programm für alle und ist, das wissen die Verantwortlichen der Bahn, beste Werbung für das Verkehrsunternehmen, bei dem ja bekanntermaßen nicht immer alles harmonisch läuft. Die Bahn formuliert das so: „Martin Kowalski trifft die richtigen Töne – in seinen Ansagen und auf seiner Trompete. Mit seinem Humor, seinen flotten Sprüchen und seiner Musik scheint er hier genau richtig eingesetzt zu sein.“

Der gutgelaunte Lokführer schafft es, die Gäste bei Laune zu halten mit Titeln von Louis Amstrongs „Wonderful World“, über Leonhard Cohens „Hallelujah“ bis hin zu Celine Dions „My heart will go on“. Der Titanic-Song passt vor allem dann ganz gut, wenn die Bahn gerade zuvor in den Flughafentunnel abgetaucht ist und sich Wartezeiten ergeben.

Lummerland-Lied für Berliner Familie

Applaus gibt es eigentlich immer. Auch am Kölner Hauptbahnhof, wo Kowalski in der Pause kurz mal für die Berlinerin Lisa und ihre drei Kinder Juna, Alva und Enno das Lummerland-Lied anstimmt. Die kleinen Fans lieben Jim Knopf und Lukas, den Lokomotivführer. Was hängen bleibt: Ferien in Köln sind toll!

Mit neun Jahren bekam Martin Kowalski seine erste Trompete. Regelmäßig musiziert er mit seiner Familie. Alle spielen Blechblasinstrumente und haben auch schon mal bei einem Fest der DB Regio mit den Höhnern auftreten dürfen. Klar, dass „Echte Fründe“ da auch zu seinem Repertoire gehört.

Natürlich gefallen sein Spiel und sein Entertainment nicht jedem. „Man muss das dosieren. Pendler sind meistens sensibel“, sagt er. Und fügt augenzwinkernd hinzu: „Du kannst nicht jeden erreichen. Das kann der Papst auch nicht!“

Der luftige Bahnhof am Flughafen ist für Kowalski die schönste Spielstätte. „Die Akustik ist hier genial“, sagt er. Manchmal spielt er aber auch am Bahnsteig in der Stadt Blankenberg mit Blick auf die Burg — am liebsten im Mondlicht. Oder nach Konzerten in der Lanxess-Arena. „Da habe ich mal Elton Johns ‚Can you feel the love tonight‘ zum Besten gegeben“, erzählt er. Die vom Konzert des Briten noch beseelten Fans fielen ihm fast um den Hals.