Mit zehn Schüssen gestopptMann nach Verfolgungsjagd in Troisdorf vor Gericht
Siegburg/Troisdorf – Mit zehn Schüssen aus seiner Dienstwaffe legte ein Polizeibeamter einen Mercedes nach einer Verfolgungsjagd lahm. Der Fahrer stand jetzt vor dem Schöffengericht. Er sei, so sagte der 32-Jährige, seitdem traumatisiert. „Unser Mitleid hält sich stark in Grenzen“, entgegnete der Vorsitzende Richter Dr. Alexander Bluhm.
Der Gastronom hatte in einer Nacht Ende Juni 2020 auf der Autobahn Gas gegeben, als er einen Streifenwagen sah, beschleunigte auf Tempo 190 bis 200 – doppelt so schnell wie erlaubt –, verließ an der Abfahrt Troisdorf die A 59 und landete im Gewerbegebiet in einer Sackgasse. Als er den von seiner heutigen Ex-Freundin geliehenen Auto mit heulendem Motor wenden und vor den Beamten flüchten wollte, zerschoss ein 50-jähriger Kommissar seinen Reifen.
Mann war unter Drogen und ohne Führerschein unterwegs
Im Wagen entdeckten die Polizeibeamten Cannabis, der Drogentest fiel positiv aus. Der Mann war zudem ohne Führerschein unterwegs, er hatte zwar Fahrstunden gemacht, aber keine Prüfung abgelegt. Und er stand unter Bewährung, war nach mehreren Vorstrafen wegen gefährlicher Körperverletzung 2018 wegen Betäubungsmittelhandels und -besitzes zu einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden: In Lohmar hatte er eine Marihuanaplantage betrieben.
Vor Gericht gab sich der gelernte Verkäufer geläutert, betonte, dass er rund um die Uhr arbeite. Im Corona-Lockdown habe er seine Bar von Grund auf renoviert und umgestaltet, plane einen Außenverkauf. Und er wolle einen Online-Handel aufziehen, mit Dekoartikeln. „Dafür habe ich jemanden eingestellt.“ Wovon er lebe? „Von staatlichen Corona-Hilfen und mit Unterstützung der Familie.“ 1200 Euro habe er monatlich zur Verfügung. Er kümmere sich zudem um seine Mutter, die nach einer Hirnblutung im Rollstuhl sitze und zu Hause von einer Pflegerin betreut werde.
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Nach seiner Tat habe er eine Verhaltenstherapie begonnen, so der Angeklagte. Zudem legte er dem Gericht einen negativen Drogentest aus dem März vor. Das alles rechtfertige eine positive Sozialprognose, sagte die Staatsanwältin, die eine Haftstrafe von einem Jahr und drei Monaten forderte, nochmals auf Bewährung. Dem folgte das Gericht. Einzige Bewährungsauflage: ein Drogenscreening alle drei Monate auf Kosten des Angeklagten.
Nicht ins Gewicht fiel der überraschend negative Bericht der Bewährungshilfe. Demnach sei der Angeklagte „hochmütig, aufbrausend und aggressiv“, zeige eine „Anspruchshaltung gegenüber dem Staat“ und „narzisstische Züge“. Er könne von sozialarbeiterischen Hilfen nicht profitieren. Der Anklagte sagte, man sei uneins gewesen über den Sinn der Corona-Maßnahmen. Der Vorsitzende Richter verordnete ihm erneut Unterstützung, besser sei aber wohl ein anderer Bewährungshelfer.
Der Gastronom schmiedet indes schon neue Pläne, schwärmte in einem Randgespräch mit seinem Verteidiger über den nächsten Urlaub: in einem Luxus-Ferienhaus in Thailand.