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Dem Sammeln verschriebenSiegburger Hans-Jürgen Vriesen besitzt 72.000 Kugelschreiber

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Hans-Jürgen Vriesen 1

Kisten und Kaffeepötte dienen der Unterbringung, doch der Platz wird knapp.

Siegburg – Wer als Reporter bei einem Termin sein Schreibzeug vergessen hat, hat normalerweise ein kleines Problem. Es wird aber keines, wenn der Interviewpartner Hans-Jürgen Vriesen heißt. Denn bei ihm kann aus einem Vorrat von rund 72.000 Kugelschreibern geschöpft werden.

Freilich würde der 63-Jährige bevorzugt seine prall gefüllte Kiste mit rund 1000 neu angelieferten Kulis anbieten, um das Dilemma zu beheben. Denn die anderen 71.000 sind akribisch sortiert, in Listen erfasst und eingelagert.

Der Siegburger ist Kugelschreiber-Sammler. Ende der 1980er packte ihn die Leidenschaft für das Schreibgerät, das sich der Ungar László József Bíró 1938 patentieren ließ und das zum unverzichtbaren Utensil auf der Welt wurde. Sein Vater brachte Hans-Jürgen Vriesen damals regelmäßig Kugelschreiber eines großen Mineralwasser-Unternehmens mit, die sich zunächst in einem Karton ansammelten. „Irgendwann waren es so viele, dass ich anfing, sie zu sammeln“, erzählt Vriesen, der mit Ehefrau Marly in der Nordstadt wohnt.

Die Sammelei wurde zum Selbstläufer, sprach sich im Bekanntenkreis herum: „Es werden mir bis heute aus allen erdenklichen Ecken Kulis mitgebracht“, berichtet er. Auch er selbst lässt keinen liegen: „Die finden sich überall, am Straßenrand, auf Wegen.“

Sammler erkennt wertvolle Stücke schnell

Vriesen unterscheidet zunächst nicht zwischen dem einfachen Werbe-Kugelschreiber und den hochwertigen Exemplaren. „Alle haben ihren Reiz und einen ideellen Wert für mich.“ So zeigt er etwa auf seinem Laptop eine Liste mit rund 170 Schreibgeräten eines Leverkusener Pharma-Riesen. Alles Werbe-Artikel. Sie werden von ihm mit der gleichen Sorgfalt katalogisiert wie seine Lieblingsstücke. Die erhalten allerdings hochwertigere Lagerbehälter aus Aluminium oder stabilem Holz.

Der Astronauten-Stift

„Astronauten-Stift“ wird der Space Pen der amerikanischen Firma Fisher genannt. Die Space Pens sind seit 1967 bei den bemannten Weltraumflügen der USA und Russlands dabei. Der Space Pen hat eine Gasdruckmine, die das Eintrocknen verhindert und das Schreiben unter Bedingungen der Schwerelosigkeit ermöglicht.

Die Mine soll laut Firmenangaben noch nach 100 Jahren schreibfähig sein. Sie schreibt unter Wasser, über Kopf, auf fettigem Untergrund und hält Temperaturen von von minus 45 Grad bis 120 Grad Celsius aus. (loi)

Er erkennt die wertvollen Stücke schnell. Bei seltenen Stücken dauert die Recherche länger, wie beim roten Exemplar, das aus der Lindauer Manufaktur stammt. Das fristet sein Dasein jetzt in einem schmucken Alu-Köfferchen neben einem vergoldetem Cross, einem Montblanc-Roller und einem Weltraum-Kugelschreiber von Fisher.

5000 Sammelstücke per Annonce gefunden

Vriesens Bestandsdatei enthält neben der Werbeaufschrift ergänzende Merkmale, etwa ob der Stift eine farbige Mine hat, und die Nummer des Lagerbehälters. Das sind vor allem größere Tassen und Kaffeepötte. „Das hat sich bewährt“, sagt der Sammler, „es ist übersichtlich, und man findet die Stücke schneller als beim Stapeln in Kartons.“ Rund 1500 Behälter sind im Haus verteilt, alle penibel katalogisiert. Mittlerweile seien die Tassen, die er manchmal auch von Altglasbehältern mitbringt, fast ein weiteres Sammelgebiet.

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Vriesens Lieblingsstücke (v.l.): Lindauer Manufaktur, Cross vergoldet, Montblanc Roller, Shaeffler vergoldet (USA), Waterman (USA), Fisher Space Pen (USA), Carven Paris

„Arbeit gibt es immer“, findet Hans-Jürgen Vriesen. „Eigentlich war die Ruhe in der Pandemie für mich günstig, da hatte ich Zeit, alles auf Vordermann zu bringen. Ich bin ein Anti-Fernseh-Gucker und verbrachte viel Zeit im Keller.“ Ein Ende seiner Sammelleidenschaft sieht der Experte noch nicht.

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Vor kurzem war das Ehepaar im Schwarzwald, wo es in einem Anzeigenblatt ein Angebot über 5000 Sammelstücke entdeckte. „Wir sind die 150 Kilometer hingefahren. 50 Euro haben die Stücke gekostet, ein Schnäppchen.“

Einmal im Jahr tauscht er sich mit zwei Gleichgesinnten aus der Eifel und aus Norddeutschland aus. Vriesen: „Im Vergleich zu meinem Freund aus dem Norden bin ich ein Waisenknabe. Er hat rund eine halbe Million Kulis.“ Also: Es gibt noch viel zu tun.