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Künstler ohne BühneStraßenmusiker in Siegburg erzählen ihre Geschichte

Lesezeit 4 Minuten
Ein junger Mann mit Schirmmütze und Gitarre; er trägt eine Brille und hat eine dunkle Hautfarbe.

Keith H. kommt aus Siegburg und spielt so oft er kann in der Fußgängerzone.

Sie gehören zum Stadtbild wie Marktleute und Cafés. Doch wer sind die Straßenmusiker eigentlich?

Meistens abends, wenn nur noch wenige Menschen in der Fußgängerzone unterwegs sind, sitzt Michael Orth aus Sankt Augustin unter einem Vordach und spielt leise auf seiner Gitarre. „Am liebsten da, wo keine Leute wohnen“, sagt er. Das könne Ärger geben.

Mit Westernhagen und Lindenberg

Aber: „Man muss die Leute abholen, sie im Herz treffen.“ Das gehe am besten mit Deutschrock. Zum Repertoire des 60-Jährigen gehören Songs von Max Giesinger, Andreas Gabalier, Marius Westernhagen oder Udo Lindenberg.

Ein Mann mit Schirmmütze und Gitarre, vor ihm steht ein Fahrradanhänger. Er sammelt Geld im aufgeklappten Gitarrenkoffer.

Michael Orth aus Sankt Augustin spielt am liebsten deutsche Songs.

Manchmal fahre er auch nach Koblenz, Köln oder Düsseldorf, sagt Orth. Immer dabei: sein Anhänger, in den er Stuhl, Noten und die Gitarre packt. „Auf der Straße zu spielen war immer mein Traum“, verrät der 60-Jährige.

„Ich habe erst mit 30 Gitarre spielen gelernt. Ich bin Rechtshänder, spiele aber auf einem Instrument für Linkshänder, weil ich so die Barré-Griffe besser greifen kann.“ Barré-Griffe, das sind Akkorde, bei denen ein Finger quer über alle Saiten gelegt wird – für Anfänger eine anspruchsvolle Übung.

In Köln gehen die Menschen einfach vorbei
Michael Orth,Gitarrist

Der Blick des Sankt Augustiners wandert immer wieder auf die Uhr. „Länger als 20 Minuten darf ich ja nicht an einer Stelle spielen – aber abends ist das Ordnungsamt nicht mehr unterwegs.“

Keith H. wohnt direkt um die Ecke, die Siegburger Fußgängerzone ist seine bevorzugte Bühne. In der Kaiserstraße hört man seine kräftige Stimme schon von weitem. „Hier ist es weniger stressig als in Köln. Man kann sich selbst hören, es ist gemütlicher“, sagt er.

Die Leute blieben auch mal stehen, hörten zu. „Sie bedanken sich auch für die gute Zeit. Insbesondere Kinder sind fasziniert von Musik. Das tut sehr gut. In Köln gehen die Menschen einfach vorbei.“

Gitarre ist seit 25 Jahren Instrument des Siegburgers

Der 42-Jährige spielt gelegentlich deutsche Songs, ansonsten Pop, Reggae und afrikanische Songs. Straßenmusik mache er seit zwei Jahren. Sein Set spielt er auswendig, Noten braucht H. nicht: „Gitarre spiele ich aber schon über 25 Jahre, es ist mein Hobby.“

Seine Finger fliegen über die Tasten, dass nicht nur das Zuhören, sondern auch das Zusehen eine Freude ist: Deniz Ahrens aus Much macht erst seit Mitte April in der Kreisstadt Musik, spielt erst zum „dritten oder vierten Mal hier“.

Es macht am meisten Spaß, wenn ich nicht weiß, was kommt
Deniz Ahrens, Keyboarder

Er habe früher, als Kind, Keyboard gespielt, die Langeweile während der Corona-Pandemie ließ ihn sein Instrument wieder auspacken. „Zu mehr als Jingle Bells hat es aber nicht gereicht“, meint der 28-Jährige.

Ein junger Mann mit Baseballkappe, Sonnenbrille und einer blauen Fleecejacke spielt Keyboard vor dem Eingang zu einem Geschäft.

Deniz Ahrens aus Much improvisiert meistens auf seinem Keyboard.

Doch er übte und spielt jetzt, Blues, Jazz und Boogie Woogie – zumeist improvisiert. „Da ist auch schon mal etwas von Ray Charles dabei, das meiste denke ich mir aber aus. Es macht auch am meisten Spaß, wenn ich nicht weiß, was kommt“, sagt der 28-Jährige. Er spiele mit einem Verstärker für das Keyboard, auch wenn Lautsprecher in der Fußgängerzone verboten seien.

„Im Moment bin ich arbeitssuchend, das Musikmachen kommt also auch ein bisschen aus der Not heraus“, sagt Arenz. Viele Leute reagierten positiv, genervt sei so gut wie niemand. „Vielleicht mal in der Nähe von Restaurants oder offenen Geschäften. Deswegen spiele ich aber oft nach Feierabend.“

Wenn das Wetter mitspielt, steht Andreas Bühl (37) fast jeden Samstag in der Fußgängerzone. „Die Stadt wurde mir von einem Kollegen empfohlen“, berichtet Bühl. „Hier sind die Regeln nicht so eng wie in meiner Heimat Euskirchen. Da darf man nur zwischen der vollen und halben Stunde spielen und muss danach 30 Minuten warten.“

Ein Mann mit Brille und Schirmmütze spielt Gitarre vor dem Eingang eines Geschäfts. Auf seinem Notenständer hat er die Noten mit Wäscheklammern fixiert.

Andreas Bühl aus Euskirchen spielt gerne in der Siegburger Innenstadt, weil die Regeln nicht so streng sind wie in seiner Heimat.

Schlechte Bedingungen für ihn, der sich durch die Straßenmusik etwas dazuverdient. „Aufgrund von gesundheitlichen Problemen kann ich nicht arbeiten“, sagt Bühl. Sein Markenzeichen ist der Ventilator am Notenständer. Seinem Publikum bietet er Songs von den Beatles, Johnny Cash, Green Day, Nirvana und Mumford & Sons. Deutsche Songs spielt er nur wenige.

Er spielt auch in Troisdorf, Leverkusen oder Düren

„Ich bin mit den Beatles aufgewachsen“, berichtet Bühl. Er möge die Interaktion mit den Menschen: „Man bekommt ein direktes Feedback und ich habe die Freiheit, jederzeit spielen zu können.“

Häufig sei er in Leverkusen und Düren anzutreffen, manchmal auch in Troisdorf. „Alles, was im Umkreis von anderthalb Stunden liegt“, sagt der Euskirchener. „Straßenmusik ist spannend, denn es passiert immer wieder etwas Neues.“