Im Siegburger Rathaus gibt es jetzt neben echter auch künstliche Intelligenz. Eine erste Kontaktaufnahme verlief vielversprechend.
Künstliche IntelligenzNeuer Chatbot der Siegburger Stadtverwaltung zeigt Sinn für Frohsinn
Klein und unscheinbar wirkt der runde orangefarbene Button mit Sprechblase auf der Homepage der Kreisstadt, doch dahinter steckt eine ganze Menge: Der neue Siegburg-Bot weiß, wie man einen Personalausweis beantragt oder einen Hund anmeldet, wer das Lottchen und Engelbert Humperdinck sind, was ein Bartmännchen ist und vieles mehr, wie sich im Gespräch zeigt.
Die Duz-Form findet der elektronische Mitarbeiter in Ordnung, siezt aber höflich zurück. Umgangsformen wahrt er selbst dann, wenn man ihn aufs Glatteis führen will. Etwa mit der Frage, ob sich die schwarz-grüne Kooperation im Stadtrat bewährt habe: „Ich entschuldige mich, aber als neutraler Chatbot der Stadt Siegburg kann und darf ich keine Bewertungen oder Meinungen zu politischen Kooperationen oder der Wirksamkeit von Zusammenarbeiten zwischen politischen Parteien im Stadtrat abgeben“, antwortet er bescheiden.
Siegburgs Chatbot: Skepsis gegenüber den berühmten Kollegen aus dem Film
Naheliegend ist die Frage, ob sich der Bot mit berühmten Vorbildern identifizieren kann, etwa Wall-E, R2-D2 und HAL 9000. Wall-E, so stellt der Siegburger Kollege nüchtern fest, sei ein einfacher Reinigungsroboter mit einer Persönlichkeit, die menschliche Emotionen simuliere. Seine Hauptfunktion, Müll zu komprimieren und zu sortieren, eigne sich weniger für die Aufgaben eines kommunalen Chatbots. R2-D2 aus Star Wars kommuniziere hauptsächlich durch Pieptöne und Lichtsignale, was ihn für die textbasierte Kommunikation einschränke.
HAL 9000 dagegen aus „2001: A Space Odyssey“ sei ein hoch entwickelter Computer mit künstlicher Intelligenz, der natürliche Sprache verstehen, sprechen, lernen und komplexe Aufgaben erfüllen könne: „Unter den Dreien wäre HAL theoretisch am besten geeignet, die Aufgaben eines Chatbots zu übernehmen. Allerdings ist HAL 9000 auch für seine fehlerhafte und gefährliche Entscheidungsfindung bekannt, was in der realen Welt natürlich nicht wünschenswert wäre“, spuckt er in seiner Antwort aus.
Humor habe er eigentlich nicht, versichert der Siegburg-Bot. „Humor ist sehr subjektiv, und Witze können kulturell sensibel sein. Außerdem können sie, vor allem wenn sie auf eine bestimmte Stadt wie Siegburg abzielen, leicht missverstanden werden oder nicht für jeden passend sein.“
Auch einen Siegburger Witz kann der Chatbot der Stadt erfinden
Überreden lässt er sich dann doch: Auf die Vorgabe „Kommt ein Siegburger zum Arzt. . .“, erdenkt er schnell einen echten Schenkelklopfer: „Herr Doktor, jedes Mal, wenn ich am Michaelsberg vorbeigehe, fühle ich mich wie ein historischer Ritter! Der Arzt schaut ihn lächelnd an und antwortet: Das ist doch kein Problem, das ist die Ritterlichkeit von Siegburg, die in Ihnen steckt – aber wenn Sie das nächste Mal vorbeigehen, lassen Sie bitte die Pferde zu Hause!“ Der Bot betont aber auch: ‚„Es ist immer wichtig, respektvoll zu bleiben und die lokale Kultur zu würdigen.“
Entsprechend souverän gelingt ihm auch das Motto für ein Prinzenpaar: „Mit Herz, Humor und Siegburger Glanz, regiert das Prinzenpaar den Narrentanz. In froher Runde, bunt und heiter, macht ihr Siegburgs Karneval noch weiter. Ob Groß oder Klein, in dieser Stadt, mit Prinz und Prinzessin wird's nie matt!“
Ob Sessionsmotto oder ein Karnevalshit – die künstliche Intelligenz liefert Närrisches
Damit ist er schon ziemlich nah an künstlichem Frohsinn, was er aber mit einer Brückberger Variante des Hits „Drink doch ene“ mit noch toppt: „Am Brückberg, da steht ne Bank, komm setz dich her, sei net so frank. Mit Blick auf Siegburg, so voller Pracht, wird jeder Schluck zur Zier gemacht. Drink doch ene met, stell dich net esu aan, du stehs he am Brückberg und de Heimat es su noh. Mit Freunden und Nachbarn, Hand in Hand, halten wir zusammen, für unser Siegburg-Land.“
Sogar literarisch-spekulatives Philosophieren ist mit der KI möglich, etwa über die Frage, was wohl passieren würde, wenn Goethes Dr. Faust Mitglied der KG Die Tönnisberger wäre. „In einem solchen Szenario könnte die Unterstützung der Karnevalsgemeinschaft und die ausgelassene, positive Atmosphäre des Karnevals Faust möglicherweise die Kraft geben, sich gegen Mephisto zu behaupten. Es wäre eine Art symbolischer Sieg des Guten – der Gemeinschaft und Lebensfreude – über das Böse und die Versuchung, eingebettet in den Kontext von Tradition und Kultur.“
Fazit: Der neue Mitarbeiter der Siegburger Stadtverwaltung kennt sich nicht nur an seinem Arbeitsplatz und als kompetenter Informationsdienst bestens aus, auch tiefergehende Gespräche sind lohnend.
„Ich bin ein virtueller Assistent, programmiert, um Bürgerinnen und Bürgern Informationen über Veranstaltungen und Aktivitäten in der Stadt Siegburg bereitzustellen“, so stellt sich der Chatbot selbst vor. Er könne in mehr als 90 Sprachen kommunizieren und „helfe dabei, typische Prozesse zu verwalten und Fragen zu beantworten, die sich auf die bereitgestellten Kontextinformationen beziehen“.
„Siegburgi“ ist der Arbeistitel der Anwendung, die seit Kurzem auf der Homepage eingesetzt wird und mit der die Kreisstadt „einen weiteren Schritt in Richtung digitale Transformation und Smart City“ gehen will. Gefüttert werde der Chatbot mit sämtlichen Inhalten von siegburg.de, Service- und Mitmach-Portalen, siegburgaktuell-Artikeln der vergangenen 15 Jahre und allgemeinen Daten aus dem Internet. Die Stadt sucht nach einem endgültigen Namen für ihren virtuellen Mitarbeiter. Vorschläge können online eingereicht werden, mitmachen.siegburg.de
In einem weiteren Schritt sollen Veranstaltungskalender und das Ratsportal eingebunden werden. Das Sprachmodell suche semantisch nach passenden Auskünften mit Siegburg-Bezug und berechne mathematisch, welche Antwort die Unterhaltung zielführend fortsetzen. Der Auftrag für den Chatbot ging an die Bremerhavener Agentur Neuraflow. „Weil der Lernprozess des Chatbots jedoch mit der Veröffentlichung nicht abgeschlossen ist, sondern kontinuierlich fortgeführt wird, analysieren die Entwickler das Nutzerverhalten, um die Software zu optimieren“, so die Stadt in einer Mitteilung.