AboAbonnieren

Kostenlose BeratungWie „5vor12“ in Siegburg für schnelle Hilfe in Krisensituationen sorgt

Lesezeit 3 Minuten
Uhr Uhrzeit Symbolbild Es ist fünf vor zwölf

Ohne den Verein „5vor12“ gäbe es keine Notfall-Termine in der Siegburger Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen.

Corona, Krieg, Arbeitsplatzabbau: Die multiplen Krisen setzen einer Gruppe von Menschen besonders zu. Der Verein „5vor12“ sorgt für schnelle Hilfe.

Ich krieg die Krise, wer hat das nicht schon mal gedacht? Wenn es aber wirklich ernst wird und Menschen in einer Sackgasse dringend Orientierung brauchen, drohen meist lange Wartezeiten bei Therapeuten, in Beratungsstellen. Der Siegburger Verein „5vor12“ sorgt für schnelle Hilfe. Und die ist in Zeiten großer Veränderungen zunehmend gefragt.

Denn Frauen, Männer, Familien, die ohnehin in Konflikten steckten, gerieten durch gesellschaftliche Veränderungen, von der Angst vor Arbeitsplatzverlust bis zum Ukraine-Krieg samt Folgen, extrem unter Druck, berichtet Hans-Steffen Kind. Auch die Corona-Pandemie sei ein starker Einschnitt gewesen.

„5vor12“ stützt die Arbeit der Siegburger Beratungsstelle mit 10.000 bis 15.000 Euro pro Jahr

„Dank des Fördervereins können wir für Leute, denen das Wasser bis zur Nasenspitze steht, eine Notfallstunde anbieten“, sagt der Leiter der Katholischen Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle (EFL) nahe dem Bahnhof. Mit 10.000 bis 15.000 Euro im Jahr stützt „5vor12“ die Arbeit des Psychologen-Teams aus einer Vollzeitkraft und zwei Halbtagskräften.

In einer solchen Erstberatung werde ein „Fahrplan“ für die Zeit bis zu den regelmäßigen Sprechstunden entworfen, schildert Kind. Die Wartezeit beträgt ansonsten derzeit etwa drei Monate.

Vier Frauen und ein Mann stehen vor einem Bild

5vor12 heißt der Verein, der einen komplett neuen Vorstand hat: (v.l.) Adriana Glowalle, Kristina Hecht, Annette Wlodyka, Rita Kosler, Detlef Kosler; es fehlt Hans-Steffen Kind.

Die EFL wird hauptsächlich aus Kirchensteuermitteln finanziert. Die Beratung ist kostenlos, auch wenn sie ein gesamtes Jahr in Anspruch nimmt, mit zehn bis 15 Sitzungen alle drei Wochen. Diese Langzeit-Hilfe böten in der Region nur sie, betont Kind. Andere Beratungsstellen wie Pro Familia schickten daher auch Klienten in die Wilhelmstraße 74.

Der Förderverein, so klein er auch ist, könne viel bewegen, schildert Vorstandsvorsitzende Rita Kosler. Sie ist neu im Amt, wie der komplette fünfköpfige, ehrenamtliche Vorstand. Das Team, das seit Vereinsgründung 2008 die Geschicke leitete, wolle die Arbeit gern in jüngere Hände übergeben.

Siegburger Psychologe registriert Zunahme an jüngeren Ratsuchenden

Ruth Kühn, Ekkehardt Klaebe, Dorothea Kammerich und Ulrich Tondar - alle über 80 Jahre alt - sind froh, dass der Generationswechsel so reibungslos verlief. Die Jüngsten im neuen Vorstand, Adriana Glowalla und Kristina Hecht, sind noch Studentinnen, die Älteste, Jahrgang 1964, ist Annette Wlodyka, hauptberuflich im Sekretariat der EFL. Hans-Steffen Kind ist als Leiter geborenes Vorstandsmitglied.

Der Psychologe berichtet von einer deutlichen Zunahme bei Klienten und Klientinnen Ende 20 bis Mitte 30. Das Gros der Ratsuchenden sei Ende 40 bis Mitte 50, viele davon Paare mit Trennungsabsichten. „Die meisten“, so seine Erfahrung, müssten sich nicht trennen.

Ein Mann vor einem Bild

Hans-Steffen Kind, Leiter der Katholischen Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen

Nach Religion oder Weltanschauung werde übrigens nicht gefragt. Die Menschen dazu zu befähigen, die beste Lösung zu finden, für sich, die Partnerschaft, die Kinder, das stehe im Mittelpunkt. Die Arbeit der EFL sei wissenschaftlich evaluiert und mit einem Masterstudiengang verknüpft, sie gelte als wirksam. Ob es Paare „geschafft“ haben, werde allerdings nicht erhoben. Manche suchten erneut psychologische Unterstützung, erzählt der Leiter: „Letztens kamen Klienten wieder, die ich vor 30 Jahren beraten habe.“

Wie finden die Ratsuchenden zur EFL? Zum einen über das Netzwerk von katholischen Sozialdiensten, zum anderen über betriebliche Gesundheitsmanager, Kirchengemeinden und Mundpropaganda. Jugendämter und Familiengerichte schickten die schweren Fälle, um Kinder bestmöglich zu schützen.

Der niedrigere Männeranteil wachse. Vertreter des vermeintlich starken Geschlecht seien heute eher bereit, so seine Erfahrung, sich mit ihren schwachen Seiten, auch mit der Neigung zur Gewalt, auseinanderzusetzen.


Finanzierung

Zum Förderverein 5vor12 gehören derzeit 15 Kirchengemeinden und etwa 30 Einzelmitglieder. Mindestbetrag ab 36 Euro pro Jahr. Die Arbeit wird auch über Spenden finanziert. Klienten hätten aus Dank auch schon 500 oder 1000 Euro gespendet, so Hans-Steffen Kind. Eine Scheidung kostet mehr.