Ab November sollen an der Bahnhofstraße Cum-Ex-Prozesse verhandelt werden. So sieht es in dem neuen Justizgebäude aktuell aus.
JustizneubauIn Siegburg entstehen Gerichtssäle für die Cum-Ex-Prozesse – Auftakt im November
Noch sieben Monate, dann rückt Siegburg mindestens deutschlandweit in den Fokus der Öffentlichkeit, und im neuen Justizgebäude an der Bahnhofstraße werden die sogenannten Cum-Ex-Fälle verhandelt: Weit fortgeschritten ist der Bau an der Bahnhofstraße und die Fassade zu 80 Prozent verklinkert, während im Inneren die Räume schon die künftige Nutzung erahnen lassen.
Eine Vorführschleuse für Angeklagte etwa, vier Zellen, die Arbeitsräume für Richter und vor allem die großen Prozesssäle, die die Justiz so dringend für die vielen Beteiligten, Zuschauer und Journalisten braucht: Auf insgesamt zweimal 220 und einmal 300 Quadratmeter Fläche bringen es die drei Säle. Die beiden kleineren sind nur durch eine mobile Trennwand getrennt, sodass sie auch zu einem 440 Quadratmeter großen Saal umgenutzt werden können. Für die Trennwand wurde ein eigener Stahlträger eingezogen.
Dunkle Hölzer für edles Aussehen
Bei einer Bemusterung im benachbarten Amtsgericht, zu der Architekt Josef Rotthoff eingeladen hatte, ging es schon tief in die Details: „Eiche geräuchert“ heißt die Farbe des dunklen Stabparketts, von dem Dr. Stefan Weismann, Präsident des Landgerichts Bonn sagt: „Das gibt es auch in der Industrie, da wird man noch in hundert Jahren drüber laufen.“ Dunkel in Eukalyptus-Holz gehalten werden auch die Tische der Richter, Schöffen und Protokollanten, ebenso wie die Türen. „Das sieht edel aus“, so Rotthoff.
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Bei der Gestaltung legte er besonderen Wert auf die Fassade, die an der Bahnhofstraße in einem breiten Abschnitt deutlich zurückspringt: Die Anwohner auf der anderen Straßenseite hätten sich sonst in einer engen Straßenschlucht wiedergefunden.
Noch sind die hohen Fenster im Neubau größtenteils verhängt, doch es lässt sich erahnen, wie hell die knapp hohen Räume später wirken werden, des auch abgehängt noch auch 4,50 Meter bringen. Die Höhe, so Weismann, sei auch nötig, damit Zuschauer auch von hinteren Plätzen aus einen guten Blick nach vorne bekommen. Licht und Luft seien wichtig; an langen Verhandlungstagen solle man sich „nicht wie in einer Tiefgarage“ fühlen.
Von Materialengpässen verschont
Für Oktober ist die Übergabe vorgesehen. Volker Müller, Geschäftsführer der Gummersbacher Wohnungsbaugesellschaft, die den 43 Millionen Euro Auftrag bekam, ist froh, im Zeitplan zu sein. „Zum Glück sind keine größeren Engpässe mehr zu erwarten“, bei anderen Projekten mache vor allem die technische Gebäudeausrüstung Schwierigkeiten.
Zur Zeit der Vergabe sei die Situation noch angespannt gewesen, was sich aber mittlerweile gelegt habe. Weismann hebt hervor, dass erst vor fünf Jahren die Idee zu dem Bau entstanden sei. „Ungewöhnlich schnell“ sei gebaut wurden, geholfen habe dabei auch die gute Zusammenarbeit mit der Kreisstadt Siegburg.
Weismann rechnet mit spannenden Verhandlungstagen an der Bahnhofstraße. Die Verfahren seien inhaltlich und prozessual hochkomplex. Das zeige sich auch bei in einem Revisionsverfahren, in dem unlängst „30.000 Blatt“ eingereicht worden seien.
Komplizierte und intelligente Betrugsfälle
Sechs Cum-Ex-Kammern mit jeweils drei Richtern und zwei Schöffen gebe es bereits. „Wenn die Anklagen so kommen, wie die Staatsanwaltschaft sagt, werden es zehn Kammern werden“, so der Präsident, der sich von der elektronischen Akte große Erleichterungen verspricht.
Die Vorgänge sieht er als „komplizierte und intelligente Betrugsfälle“. Stark vereinfacht geht es bei Cum-Ex um Steuerbetrug: So wurden Rückzahlungen für Steuer eingenommen, die tatsächlich niemals bezahlt wurden. Die Beute hätten die Täter trickreich über Gegengeschäfte verteilt. Das Landgericht Bonn sei zuständig, weil in Bonn das Bundesamt für Steuern seinen Sitz hat.
Weismann geht davon aus, dass durch Cum-Ex-Betrug ein Schaden von 33 Milliarden Euro angerichtet wurde und bezieht sich dabei auf einen Finanzwissenschaftler. In Amerika seien Gesetzeslücken, die den Betrug begünstigten, nach einem Jahr geschlossen worden. „In Europa hat man das verschlafen.“ Jetzt dränge die Zeit: Viele Angeklagte seien in fortgeschrittenem Alter, die Taten 2036 verjährt.
Nach Cum-Ex kommt Cum-Cum
Der Präsident betont, dass das Gebäude auf lange Sicht auch für andere Großprozesse gebraucht werde, denkbar seien auch große Insolvenzverfahren mit hunderten von Gläubigern. Zudem: „Nach Cum-Ex kommt Cum-Cum“ schildert er mit Blick auf eine mehr als fragwürdige Methode, mit geschickt terminierten Aktienverkäufen und -käufen vermeintliche Kursgewinne zu erzielen.
Diese Fälle würden erst 2046 verjähren, wobei der Schaden mit 155 Milliarden noch weit höher sei. Das Geld fehle nicht zuletzt für wichtige Infrastruktur, Schulen, Kindergärten und vieles mehr. „Das darf sich der Rechtsstaat nicht gefallen lassen.“