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Trotz SAP-VorstoßWarum Arbeitgeber im Rhein-Sieg-Kreis am Homeoffice festhalten wollen

Lesezeit 4 Minuten
Eine Frau sitzt am Esstisch vor einem Laptop. Am Boden neben ihr spielt ein Kind.

Die Beschäftigten wissen das Homeoffice zu schätzen – und die Arbeitgeber freuen sich über motivierte Mitarbeitende.

Das Software-Unternehmen SAP will seine Mitarbeiter wieder häufiger im Büro sehen. Diese Homeoffice-Regeln gibt es in Behörden und Unternehmen in Rhein-Sieg.

Oben Hemd oder Bluse, unten Jogginghose: Vor der Pandemie war es die Ausnahme, so zur Arbeit erscheinen zu können, Corona machte die Ausnahme zur Regel. Zwar wurde die Pandemie mittlerweile für beendet erklärt, das Homeoffice aber ist geblieben. Einige Unternehmen rudern mittlerweile allerdings zurück und wollen wieder mehr auf Präsenz setzen. So bestimmte kürzlich das Software-Unternehmen SAP die Schlagzeilen, das massive Änderungen bei den Home-Office-Regeln plant.

Arbeiterwohlfahrt Bonn/Rhein-Sieg hat „sehr gute“ Erfahrungen gemacht

Demnach sollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bisher noch an jedem Arbeitstag zu Hause arbeiten können, an drei Tagen ins Büro kommen. Wie gehen Institutionen, Behörden und Unternehmen aus der Region mit dem Thema um?

„Wir haben sehr gute Erfahrungen gemacht“, gibt Katja Ruiters Auskunft. Und die stellvertretende Geschäftsführerin der Arbeiterwohlfahrt (Awo) Bonn/Rhein-Sieg setzt hinzu: „Wir werden das mitnichten zurückdrehen.“ Eine im Jahr 2022 zunächst für zwölf Monate geschlossene Betriebsvereinbarung gilt nun dauerhaft.

Wir müssen die Leute nicht quer durch den Rhein-Sieg-Kreis karren
Katja Ruiters, Arbeiterwohlfahrt Bonn/Rhein-Sieg

Bis zu 40 Prozent der Arbeitszeit können die Beschäftigten der Awo im Homeoffice erbringen. Das hänge natürlich von der Tätigkeit ab, stellt Ruiters klar: Verwaltungs- und andere Bürotätigkeiten bieten sich an, die direkte Betreuung eben nicht. Aber auch für die konzeptionelle Arbeit nutzten die Kolleginnen und Kollegen gerne das Homeoffice. Da arbeiteten sie ohne Publikumsverkehr oder Telefon ruhiger, melden sie zurück.

V.l.: AWO-Hausleiterin Angela Wittek, Betriebsleiterin Katja Ruiters und Kreisvorsitzender Heinz-Willi Schäfer

Katja Ruiters

„Im Homeoffice ist ganz viel möglich“, betont Katja Ruiters, Videokonferenzen haben viele Besprechungen in Präsenz abgelöst. „Wir müssen die Leute nicht quer durch den Rhein-Sieg-Kreis karren“ – für die stellvertretende Geschäftsführerin auch ein Beitrag zum Umweltschutz.

Geschäftsführerin pendelt selbst von Much nach Siegburg

Zugleich erhöhe die Möglichkeit zur Arbeit im Homeoffice die Motivation der Beschäftigten. Für die Work-Life-Balance sei es „gut, wenn die Wegezeiten entfallen“, weiß Ruiters, die selbst von Much aus nach Siegburg pendelt. Und das steigere ja auch die Attraktivität der Awo als Arbeitgeber. Grundsätzlich sieht sie in der Möglichkeit zum Homeoffice einen Gewinn für beide Seiten: „Flexible Arbeitgeber schaffen flexible Arbeitnehmer.“

Keinesfalls leide die Qualität oder Quantität der geleisteten Arbeit, „sie arbeiten nicht besser oder schlechter, weil sie anwesend sind.“ Die Organisation obliege den Teams – natürlich müssten sich die Beschäftigten absprechen, damit nicht ganze Abteilungen menschenleer seien.

Troisdorfer Maschinenfabrik arbeitet mit einem „hybriden Ansatz“

Ein „hybrider Ansatz“ habe sich in den Abteilungen bewährt, wo es Homeoffice gibt, lässt sich Michael Kukla zitieren, Personalchef der Firma Reifenhäuser in Troisdorf. Einzelne Tage im Homeoffice seien in dem Maschinenbauunternehmen möglich, es gebe aber auch regelmäßige persönliche Zusammenarbeit in den einzelnen Teams.

An eine Abkehr von den Möglichkeiten, im Homeoffice zu arbeiten, scheint bei Reifenhäuser ebenfalls nicht geplant zu sein: „Grundsätzlich bleiben wir bei einem sehr flexiblen, dezentral organisierten Homeofficeansatz,“ so Personalchef Kukla, „der betriebliche und persönliche Erfordernisse mit minimalem Regelungsaufwand in Einklang bringt.“

Die Erfahrungen der Kreisverwaltung sind „überwiegend positiv“

„Die Kreisverwaltung hat mit dem Personalrat eine Dienstvereinbarung zum mobilen Arbeiten geschlossen. Danach ist – immer im Rahmen der dienstlichen Möglichkeiten – grundsätzlich in fast allen Bereichen Homeoffice möglich“, sagt Antonius Nolden aus der Pressestelle des Kreises.

Die einzelnen Fachbereiche entschieden eigenständig, wie oft Homeoffice in ihrem Bereich möglich sei. Festgelegte Zahlen, wie oft die Beschäftigten im Büro zu erscheinen haben, gebe es nicht. Die Homeoffice-Zahlen seien jeden Tag unterschiedlich, die Erfahrungen des Kreises „überwiegend positiv“.

Im Kirchenkreis An Sieg und Rhein ist Homeoffice eine beliebte Option

Im Evangelischen Kirchenkreis An Sieg und Rhein können die Beschäftigten des Verwaltungsamts und der Evangelischen Erwachsenenbildung bei einer Vollzeitstelle bis zu zwei Tage wöchentlich im Homeoffice arbeiten. Eine offenbar sehr geschätzte Option: „Das gilt für alle 52 Beschäftigten, wovon auch alle diese Möglichkeit nutzen“, erklärte Öffentlichkeitsreferentin Nastassja Lotz.

Bei der Diakonie An Sieg und Rhein tritt an die Stelle einer generellen Regel die Vereinbarung zwischen den Mitarbeitenden und ihren Vorgesetzten, „je nach dienstlichen Interessen und persönlicher Situation“, wie die Sprecherin mitteilte. Auch bei der Diakonie erfreut sich das Mobile Arbeiten offenbar großer Beliebtheit: Von den 100 hauptamtlich Beschäftigten nutzen „fast alle, bei denen es die betrieblichen Interessen erlauben“, diese Möglichkeit.

Seit Klientinnen und Klienten wieder persönlich in die Einrichtungen der Diakonie kommen können, wird auch wieder verstärkt vor Ort gearbeitet
Nastassja Lotz, Öffentlichkeitsreferentin Kirchenkreis An Sieg und Rhein

Dabei, so Lotz, haben sich zuletzt nicht die Regeln, tatsächlich aber die Praxis geändert: „Seit Klientinnen und Klienten wieder persönlich in die Einrichtungen der Diakonie kommen können, wird auch wieder verstärkt vor Ort gearbeitet.“ Im Evangelischen Jugendwerk schließlich können 50 Prozent der Arbeitszeit im Homeoffice erbracht werden.

Was vor allem die Bürokräfte nutzen, wie Lotz Auskunft gibt. In der offenen Jugendarbeit geht das eher nicht – wenn sie Beschäftigten aber zum Beispiel in den Ferien weniger Termine haben, steht auch ihnen diese Option offen.