Jubiläum in Sankt AugustinRadicke konfrontiert Niesses Bilder mit Lüpertz' Skulpturen
Sankt Augustin – Auch nach über 45 Jahren erfolgreichen Wirkens als Galeristin ist Jutta Radicke so etwas wie Routine fremd. Mit einer Mischung aus Nervosität und Vorfreude holte sie jetzt die eigentlich schon für den vergangenen Herbst geplante Jubiläumsausstellung ihrer Galerie nach. „45 jahre + 1 – 4+ 6 künstler“ lautet das Motto der teilweise spektakulären Schau, in der Radicke einmal mehr ihr besonderes Talent für die Präsentation von Kunst demonstriert.
Der Titel spielt darauf an, dass die Schau wegen Corona um ein Jahr verschoben werden musste, und dass vier Künstler mit stehenden und die übrigen sechs mit hängenden Arbeiten vertreten sind.
Das Provisorium wurde zur Institution
Im Oktober 1975 hatte die Gastgeberin zur ersten Ausstellung im Souterrain ihres Reihenhaus-Bungalows in Hangelar geladen. Längst sind die damals als Übergangslösung gedachten Räume zur Institution geworden, in gut 500 Ausstellungen hat die gebürtige Norddeutsche inzwischen das „Who is Who“ der deutschen zeitgenössischen Kunst nach Sankt Augustin geholt.
Ergänzt werden die Ausstellungen durch Konzerte, Lesungen und Kleinkunstabende. Im Mittelpunkt stehen aber die Präsentationen im Untergeschoss des Wohnhauses: „Ich bin die Einzige, die »Keller« dazu sagen darf“, stellt Radicke klar. Auf gut 110 Quadratmetern bieten die verwinkelten und vorwiegend schwarz gestrichenen Räume reichlich Fläche, um Bilder zu hängen oder Skulpturen zur positionieren.
Welch immenses Potenzial diese Örtlichkeit bietet, beweist die Galeristin in ihrer Jubiläumsschau auf beeindruckende Weise. Im größten der Räume konfrontiert sie die wuchtigen bunten Gemälde von Robert Niesse mit den kniehohen Skulpturen von Markus Lüpertz.
In diesem Szenario will jeder Schritt, jeder Wechsel der Perspektive gut überlegt sein. Ähnlich funktioniert der Raum, den sich die grobschlächtigen Skulpturen von Thomas Duttenhöfer mit den robusten Farbflächen eines Mehmet Güler teilt. Auch hier lebt die Darstellung vom Erkunden formaler und konzeptioneller Schnittmengen und dem gegenseitigen Abgrenzen.
Der einzig weiß gestrichene Raum ist den Skulpturen von Norbert Jäger und den Bildern von Josef Werner vorbehalten, die wohl am ehesten konventionell zu nennen wären, ohne dabei im Ansatz langweilig zu sein. Ansonsten setzt Manfred Binzer auf eine reduzierte Farbigkeit, hingegen mag es Robert Brandy geradezu aggressiv bunt.
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Bei der Eröffnung erzielte Ulrich Haug viel Aufsehen, der erstmals von Jutta Radicke präsentiert wird. Mit seinen Arbeiten aus gehärtetem Paraffin, in das noch andere Werkstoffe eingebunden sind, ist er in der Grenze zwischen Gemälde und Skulptur unterwegs.
Bei ihrer Einführung lobte die langjährige Bonner Museumsdirektorin Gabriele Uelsberg die „gute und mutige Hängung“ der Schau. Jutta Radicke hat noch weitere Jubiläen im Blick: „Wie lange ich das hier noch machen kann, liegt nicht in meiner Hand.“
Die Ausstellung „45 Jahre + 1 – 4+ 6 künstler“ läuft noch bis zum 15. Januar. Öffnungszeiten auf der Internetseite der Galerie.