In einem bundesweit einzigartigen Projekt werden an der Hochschule die Möglichkeiten der Gesichtserkennung und ihre Sicherheitslücken getestet.
Einzigartig in DeutschlandWie Forschende in Sankt Augustin täglich gegen das Verbrechen kämpfen
Der Unterschied zwischen Authentifizierung und Identifizierung ist enorm. Der erste Ausdruck steht dafür, ob ein Mensch mit dem Bild übereinstimmt, das eine Kamera aufnimmt. Das zweite Wort beschreibt, dass ein Mensch anhand eines Bildes mit Namen erkannt wird. „Wir forschen hier zum Thema Authentifizierung“, erklärt Professor Robert Lange von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) das Biolab-Projekt.
„In drei Jahren ist es gelungen, 470 Testpersonen anzuwerben, die regelmäßig an bis zu drei Tagen in der Woche kommen, um uns bei der Evaluation von Biometrischen Systemen zu unterstützen.“ Es geht es um einen breiten Bereich von Untersuchungen biometrischer Sicherheitssysteme von Smartphones im Alltag bis zu Grenzkontrollsystemen an Flughäfen. „Es wurden in dieser Zeit schon enorme Fortschritte gemacht“, berichtet der Projektleiter.
Arbeitsbereich der Forscher in Sankt Augustin ist durch Stahltüren gesichert
In dem gemeinsam betriebenen Biometrie Evaluations Zentrum (BEZ) in Sankt Augustin prüfen die Forscher der Hochschule in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) gängige Scannersysteme auf ihre Leistungsfähigkeit, Überwindungssicherheit und Anwenderfreundlichkeit. Aufseiten des BSI leitet Ralph Breithaupt das Projekt. „Die Identifizierung von Menschen mit Biometrie ist in Deutschland gesetzlich grundsätzlich nur in Ausnahmefällen erlaubt, daher fokussieren wir uns hier auf biometrische Authentifizierung“, betont er den Inhalt des Forschungsprojektes.
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Das BSI sorge dabei für die Einhaltung von hohen Datenschutzstandards, deswegen seien die Daten der Testpersonen auch anonymisiert. Und nicht nur das. Der gesamte Arbeitsbereich der Forscher in Sankt Augustin ist durch Stahltüren gegen Einbrecher gesichert. Auch die Wände wurden verstärkt. „Es geht hier um hochsensible Sicherheitsforschung“, erklärt Breithaupt. Sogar das Rechenzentrum sei autark und nicht mit externen Computern der Hochschule oder des BSI verbunden.
Datenschutz und Vertraulichkeit werden großgeschrieben - nicht alles in den Räumen darf fotografiert werden. Ein Bild vom K13, einem sogenannten Photogrammetrie-Messplatz, ist jedoch erlaubt. Das Gerät erstellt hochgenaue 3D-Aufnahmen des Gesichtes. Es ist eine Eigenkonstruktion der Forscher. Die Testperson sitzt auf einem umfunktionierten Friseurstuhl, 13 einzelne Kameras nehmen das Gesicht aus verschiedenen Perspektiven auf.
Dann erstellt eine Software aus den Einzelaufnahmen ein präzises 3D-Modell des Gesichtes, auf Wunsch auch mit lebensechter Farbtextur. Mit speziellen 3D-Druckern lassen sich daraus realistische Gesichtsmasken herstellen. Es gibt viele Möglichkeiten, Gesichtsscanner mit solchen Fälschungen anzugreifen, um als eine andere Person erkannt zu werden. Ohne eine entsprechende Fälschungserkennung sind alle Biometrien grundsätzlich angreifbar.
Das Projekt in Sankt Augustin ist einzigartig in Deutschland und wichtig für die Zukunft der Gesellschaft
Hier hat sich aber mittlerweile viel geändert. Der Wissenschaftler Markus Rohde zeigt eine der neuen Lösungen, die am BEZ entwickelt werden. Mit einer neuen 3D-Infrarotkamera wird hier nicht nur das Gesichtsprofil gemessen. Die Forscher können auch erkennen, ob im Gesicht ein Pulsschlag vorliegt. Aufgesetzte Masken aus Kunststoff überdecken nämlich den Puls. „Wir müssen besser als die Gesichtsfälscher sein“, so Rohde über den wichtigen Informationsvorsprung der 15 Forschenden.
„Die Entwicklung in diesem Bereich ist rasant, biometrische Systeme müssen immer zuverlässiger und überlistungssicherer werden“, so Lange. Wegen der guten Arbeit des Teams an der H-BRS wurde das Projekt gerade wieder um drei Jahre verlängert. Auf dem Gebiet der Biometie ist eine solche enge Zusammenarbeit einer Sicherheitsbehörde und einer Forschungsinstitution einzigartig in Deutschland und wichtig für die Zukunft des öffentlichen Lebens.
Bilder von lebenden Menschen sind beim Projekt an der Hochschule in Sankt Augustin wichtig
Dass auch Smartphones mit Biometrie entsperrt werden können, kennt das nun fast jeder im täglichen Leben. In der Anfangsphase kamen die Scanner schnell an ihre Grenzen, verwechselten sogar Brüder. Heute ist das nicht mehr der Fall. Breithaupt hat dafür seit Jahren zwei ungewöhnliche Testpersonen: seine Kinder sind eineiige Zwillinge. Es gibt aber ein anderes Problem bei Ausweisdokumenten. Die Gesichter altern mit der Zeit. Der Scanner muss bestimmte Merkmale erkennen, die konstant geblieben sind. „Eine echte Forscheraufgabe“, so Breithaupt. „Mit den vielen Aufnahmen, die wir von jeder Testperson über Jahre hinweg aufnehmen, sind wir in der idealen Lage dies zu untersuchen.“
Deswegen können auch nur lebende Menschen als Testpersonen genutzt werden. Bilder aus Datenbanken sind zu statisch, weil auf ihnen das Gesicht nicht lebendig ist und nicht von dem zu testenden System erfasst wurde. Dass es bei den Forschungen auf weniger als Millimeter ankommt, zeigt Lange. Die optischen System-Komponenten, die von den Forschern entwickelt werden, fertigen sie mit einem speziellen 3-D-Drucker, der Oberflächen mit einer Genauigkeit im Bereich von Nanometern herstellen kann. Lange zeigt eine Scheibe mit einem Viereck, das wie Milchglas wirkt. Auf ihm sind optische Elemente in der Größe von einem millionsten Teil eines Millimeters aufgebracht. So feingliedrig ist die Forschung. Das ist für Lange und sein Forscherteam wichtig, um die biometrischen High-End-Messgeräte der Zukunft entwickeln zu können.
Auch „Deep Fakes“ sind ein wichtiges Thema bei den Forschenden an der Hochschule in Sankt Augustin
Auch „Deep Fakes“ sind ein Thema bei den Forschenden. Breithaupt zeigt „ein Programm, dass ihm eine wenig Angst macht.“ Ein Gesicht wird einmal fotografiert und wird nach Sekunden auf jede andere Person projiziert, die in die Webcam schaut. Jede Bewegung und jeder Gesichtsausdruck wird auf das gefälschte Gesicht lebensecht und in Echtzeit übertragen. Für den Betrachter wirkt es so, als ob es das Original ist.
„Für die Menschen wird es in Zukunft immer schwieriger werden, Fälschungen zu erkennen“, so Breithaupt über die Gefahren des Internets „Wir müssen mit Hochdruck an Methoden arbeiten, die solche Fälschungen erkennen können.“ Das Thema Gesichtsscanner ist also viel komplexer als eine Authentifizierung von Personen am Flughafen.