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Sexueller MissbrauchBeratungsstelle Sankt Augustin hilft in schwierigen Situationen

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Mit Puppen werden belastende Situationen nachgespielt.

Sankt Augustin – Plötzlich brach es aus der jungen Mutter heraus. Weinend berichtete sie, dass sie als Kind von einem Onkel missbraucht worden sei. Eigentlich war die Frau wegen ihrer Tochter in die Familienberatungsstelle gekommen. Sie wollte wissen, ob die Doktorspiele im Kindergarten, von denen ihr Kind berichtet hatte, übergriffig gewesen seien. „Nicht immer werden die belastenden Themen sofort sichtbar“, berichtet Wolfgang Mersch, Leiter der Beratungsstelle. Professionelle Sensibilität sei gefragt, wenn man Menschen helfen will. Man müsse aufmerksam zuhören und behutsam kleinste Hinweise aufgreifen.

Wenn Macht ausgeübt und mit Sexualität gekoppelt wird, wird es gefährlich

Um in Zukunft noch besser unterstützen zu können, hat die Beratungsstelle nun eine neue Stelle bekommen. Sie ist ein wichtiger Baustein beim Ausbau des präventiven Kinderschutzes und wird vom Land NRW und der Stadt Sankt Augustin aktiv und finanziell unterstützt. Die junge Mutter konnte ihr Anliegen therapeutisch bearbeiten und auch die Vorkommnisse im Kindergarten wurden ausführlich besprochen. „Doktorspiele unter Kindern sind davon geprägt, dass Kinder ohne sexuelle Hintergedanke Körper erkunden wollen“, erklärt Therapeut Gerd Reiners, der ebenfalls in der Beratungsstelle arbeitet.

Der Übergriff beginne zum Beispiel dann, wenn Kinder von anderen zum Ausziehen gezwungen werden. Wenn Macht ausgeübt und mit Sexualität gekoppelt wird. Dazu gehöre auch, dass den Opfern gesagt würde, sie dürften von den Vorfällen nichts erzählen. „Dann ist eine Grenze überschritten“, so Reiners. Erwachsene hätten Sexualität als Bedürfniss, Kinder dagegen hätten Interesse an Körpern. Man müsse deshalb genau hinschauen und sensibel Grenzen ziehen.

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Das neue Büro der Familienberatungsstelle.

Fachkräfte können sich an Beratungsstelle wenden

„Wir unterliegen genauso wie Ärzte der Schweigepflicht“, betont Mersch. Im Zweifel können sich auch Fachkräfte aus Kita und Schule die Beratungsstelle wenden und fragen, wie Vorfälle einzuschätzen sind. Dafür sei die Beratungsstelle da und genau deswegen sei das Angebot kostenlos und niederschwellig. Dazu gehört auch, dass zeitnah reagiert wird, wenn ein Kontakt zustande kommt.

Über das Thema sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche zu sprechen, sei nicht leicht. „Für viele Menschen ist es mit Unsicherheit und manchmal mit Angst verbunden“, so Mersch. Die Fachkräfte der Beratungsstelle bieten einen sicheren und verlässlichen Rahmen, in dem schwerwiegende „Geheimnisse“ ernst genommen und bearbeitet werden können.

Freunde als Begleitpersonen für ein erstes Gespräch

„Oft gibt es eine gewisse Scheu Hilfe zu suchen“, sagt Reiners. Deswegen bieten die Fachkräfte der Beratungsstelle auch wöchentlich Sprechstunden in allen weiterführenden Schulen im Stadtgebiet an. „Oft bleibt es nicht bei Liebeskummer oder Leistungsdruck. Nicht selten werden dann auch schwerwiegendere Belastungen angesprochen“, so der Therapeut.

Die Familientherapeuten sind eingebunden in die Schule und stehen damit ganz selbstverständlich als Ansprechpersonen zur Verfügung. Durch die Präsenz in dem Lebensumfeld der Kinder und Jugendlichen sei es einfacher in Kontakt zu gelangen. „Manchmal kommen Jugendliche auch in Begleitung von Freunden, die als Unterstützung für ein erstes Gespräch wichtig sind“, so Mersch.

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Grundsätzlich haben auch Minderjährige einen Anspruch auf Beratung in ihrer Notlage auch ohne das Wissen ihrer Eltern. „Das ist besonders bei Missbrauch oder körperlicher Gewalt wichtig“, betont Mersch. Denn häufig passieren diese Delikte im familiären Umfeld. Jeder Ratsuchende erhält in Krisenfällen in der Regel noch am selben Tag einen Termin bei einem der neun Fachkräfte.

Und das Angebot wird auch genutzt. Im vorigen Jahr gab es 629 beratene Kinder und Jugendliche, denen bei familiären und individuellen Problemen geholfen werden konnte. Insgesamt waren über 1600 Personen in die Beratungen einbezogen worden.

Kontakt: Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche, Eibenweg 2, 53757 Sankt Augustin, 02241/28482.familienberatung@sankt-augustin.de