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Petition gestartetFußballverein aus Sankt Augustin kämpft gegen Abschiebung von Abdou Diallo

Lesezeit 4 Minuten
Die Spieler des SV Birlinghoven setzen sich besonders für Abdou Diallo ein.

Die Spieler des SV Birlinghoven setzen sich besonders für Abdou Diallo ein.

Der 26-Jährige hat einen Arbeitsplatz in Sankt Augustin-Birlinghoven und viele Unterstützer im Ortsteil.

Es könnte der Tag kommen, an dem Abdou Diallo nicht mehr zum Training erscheint: Der 26-Jährige lebt seit über zwei Jahren in Sankt Augustin, hat eine Arbeitsstelle, spielt Fußball im Verein, hat Freunde gefunden – trotzdem soll er in sein Heimatland Senegal abgeschoben werden. Um das zu verhindern, haben die Fußballer des SV Birlinghoven eine Petition gestartet.

Der 26-Jährige wohnt in der Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) in der Alten Heerstraße. Lieber jedoch verbringt er Zeit auf der Arbeit und dem Fußballplatz. Doch weil er nicht als Geflüchteter anerkannt ist, wird er aktuell nur geduldet, die Bescheinigung läuft zum 10. Juni aus. „Wir haben vor Gericht beantragt, dass er nicht abgeschoben wird, solange unser Einspruch läuft“, sagt Hansjörg Kuhl, Ortsvorsteher von Birlinghoven und Bevollmächtigter von Abdou Diallo.

Abdou Diallo will in Deutschland bleiben und ist voll integriert

Kuhl kennt den Weg seines Schützlings genau: Im Senegal sei er von seinem Onkel vergewaltigt worden. Als er das seiner Mutter erzählt habe, habe der Verwandte gedroht, ihn umzubringen. Vor drei Jahren flüchtete der junge Mann dann zunächst nach Spanien, wo er einen Asylantrag stellte. „Der wurde abgelehnt, weil er aus einem sicheren Drittstaat kommt. Daraufhin hat er ihn in Deutschland nochmal gestellt, mit dem gleichen Ergebnis“, sagt Kuhl.

Doch Diallo wollte bleiben. „Er hat ein Sprachzertifikat, er hat am Test über das Leben in Deutschland teilgenommen – und er hat eine Arbeitsstelle.“ Diallo arbeitet als Tankschutzmonteur bei einer Firma in Birlinghoven. Die Stelle hat ihm Kuhl vermittelt. „Er hat im August einen Probetag dort gemacht und wurde sofort genommen. Mit den anderen Mitarbeitern und den Kunden kommt er super zurecht und ist sehr fleißig“, sagt der Ortsvorsteher.

Senegalese darf in Sankt Augustin keine Ausbildung machen

Diallos Traumjob ist allerdings Elektroniker. „Das wollte ich schon immer werden“, sagt er. Eine Stelle fand der 26-Jährige bei Elektromeister Roland Klein aus Troisdorf. „Ich schaue jede Woche die Spiele des SV Birlinghoven und kenne Abdou natürlich auch“, sagt Klein. Er habe ihm eine Ausbildung angeboten, obwohl Diallo keinen Schulabschluss hat. „Es gibt zwar auch andere Bewerber, aber keiner ist so gewillt wie er“, sagt Klein.

Abdou Diallo mit seinem Betreuer Hansjörg Kuhl.

Abdou Diallo mit seinem Betreuer Hansjörg Kuhl, dem Ortsvorsteher von Sankt Augustin-Birlinghoven.

Er habe einen Ausbildungsvertrag an die Kreishandwerkerschaft geschickt, doch erhielt eine Absage – denn die Arbeitserlaubnis, die ohnehin nur versehentlich ausgestellt worden war, gilt nicht für ein Ausbildungsverhältnis.

Viele Leute, denen es nicht so schwer gemacht wird, haben nicht so einen Ehrgeiz.
Roland Klein aus Troisdorf

Klein kann das nicht nachvollziehen: „Er hätte im Dezember anfangen können. Ich war überrascht, man hört ja nichts Negatives über ihn. Viele Leute, denen es nicht so schwer gemacht wird, haben nicht so einen Ehrgeiz.“ Dennoch: „Das Angebot gilt weiterhin, der nächste mögliche Starttermin ist der 1. August.“

Bis dahin könnte Diallo allerdings längst wieder in Westafrika sein. „Ich habe täglich Angst vor der Abschiebung“, sagt er. Eine Möglichkeit, ihm einen Aufenthaltstitel zu beschaffen, gäbe es: „Er könnte in der Deutschen Botschaft im Senegal ein Arbeitsvisum beantragen, aber das dauert anderthalb Jahre. Abgesehen davon, dass er gar nicht zurückwill, wäre das ein immenser finanzieller und bürokratischer Aufwand“, sagt Kuhl.

Eine Anwältin habe Einspruch gegen die Abschiebung eingelegt, jedoch versäumt, die Begründung nachzureichen. „Damit ist der Widerspruch vom Tisch, das macht es zusätzlich schwieriger.“

Derzeit arbeitet Abdou Diallo als Tankschutzmonteur. Lieber jedoch möchte er eine Ausbildung als Elektroniker machen. Einen Ausbildungsplatz hätte er.

Derzeit arbeitet Abdou Diallo als Tankschutzmonteur. Lieber jedoch möchte er eine Ausbildung als Elektroniker machen. Einen Ausbildungsplatz hätte er.

In seiner Freizeit spielt Diallo beim SV Birlinghoven. Dort sei er herzlich aufgenommen worden, sagt Spielertrainer Max Günter. „Er ist der beste Spieler auf dem Platz, es haben schon mehrere höherklassige Vereine angefragt. Aber er bleibt hier, weil er sich in dem Umfeld wohlfühlt. Bei Mannschaftsabenden ist er immer dabei“, sagt er. Einem neuen Spieler habe Diallo, der sich selbst einzufinden versucht, geholfen, einen Platz in der Mannschaft zu finden.

Deswegen hat der Verein eine Petition auf Change.org gestartet, mit dem Ziel, ein Bleiberecht für seinen Mittelfeldspieler zu erwirken. 1500 Menschen haben sie bereits unterzeichnet. „Da gab es natürlich Kommentare, dass er Deutschen den Arbeitsplatz wegnehme. Das ist Unsinn, seine Stelle will sonst niemand haben“, so der Coach. „Die Bereitschaft, etwas zu tun, ist groß. Wenn er erst im Flieger sitzt, weiß keiner, ob wir ihn je wiedersehen.“

Man muss den Eindruck gewinnen, dass bei Abschiebungen einiges falsch läuft.
Benjamin Bungarten, Sprecher der Stadt Sankt Augustin

Die Petition richtet sich an Landrat Sebastian Schuster, die Ausländerbehörde des Rhein-Sieg-Kreises, das Integrationsministerium des Landes NRW und Bürgermeister Max Leitterstorf. Die Stadt Sankt Augustin teilt über ihren Sprecher Benjamin Bungarten mit: „Man muss leider den Eindruck gewinnen, dass bei Abschiebungen einiges falsch läuft. Während bei straffälligen Personen beziehungsweise Gefährdern die Abschiebungen anscheinend nicht konsequent genug umgesetzt werden, sollen leider Personen abgeschoben werden, die gut integriert sind und in einem Arbeitsverhältnis stehen.“

Beides werde im Fall von Abdou Diallo in der Petition zu Recht betont, sodass der Bürgermeister diese inhaltlich sehr begrüße. „Leider wird die Entscheidung über die Abschiebung nicht von der Stadt Sankt Augustin und nicht vom Bürgermeister getroffen“, sagt Bungarten. Zuständig für Abdou Diallo ist nicht der Rhein-Sieg-Kreis, sondern das Land beziehungsweise das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Eine Beantwortung der Fragen der Redaktion steht noch aus.