Am 18. Juni 2023 brannte ein Motorradgeschäft in Niederpleis aus, zwei Feuerwehrleute starben. Die Brandursache wurde nicht gefunden.
„Es war alles schwarz“Überlebender aus Sankt Augustin berichtet von der Brandtragödie
„Es war alles schwarz, wir hatten keine Sicht und konnten auch keinen Feuerschein sehen“, erinnert sich der Feuerwehrmann, der am 18. Juni 2023 zum ersten Angriffstrupp gehörte, der den brennenden Motorradladen auf der Hauptstraße in Niederpleis betrat. Seinen Namen möchte er in der Zeitung nicht lesen. „Dann war da plötzlich diese enorme Hitze.“ Er schaffte es zurückzuweichen und in völliger Schwärze umzukehren. Dabei orientierte er sich am Schlauch auf dem Boden. Erst zwei, drei Meter vorher sah er schemenhaft die Öffnung der rettenden Tür. Kameraden zogen ihn ins Freie.
Die beiden anderen Einsatzkräfte, Magda Schmitz und Michael Winkelhoch, jedoch kamen nicht mehr aus dem brennenden Gebäude heraus. Sie verloren an diesem Tag ihr Leben. Es war der schwärzeste Tag der Freiwilligen Feuerwehr in Sankt Augustin, so hatte es Bürgermeister Max Leitterstorf damals formuliert. Das historische Gebäude brannte aus, musste später abgerissen werden.
Brand im Motorradladen war für die Feuerwehr Sankt Augustin eigentlich ein Standardeinsatz
Um 11.18 Uhr wurde die Feuerwehr an jenem Sonntag zu dem Gebäudebrand an der Hauptstraße in Niederpleis alarmiert. Der überlebende Feuerwehrmann erinnert sich, dass er aus einem Fenster seiner Wohnung das Dach des brennenden Hauses sehen konnte, es gab eine leichte Rauchentwicklung. Er eilte zum Gerätehaus an der Schulstraße. Einige Kameradinnen und Kameraden waren schon da, sie wollten zum Feuerwehrfest nach Meindorf fahren.
Schnell waren sie an dem nur wenige hundert Meter entfernt liegenden Brandort. „Das war ein Einsatz, der nach Standard ablief“, beschreibt der Leiter der Feuerwehr, Stadtbrandinspektor Herbert Maur, die damalige Situation. Es habe aus dem Gebäude geraucht, das taktische Mittel der Wahl sei ein Innenangriff gewesen. „Das nahm eine plötzliche Wende – mit tragischem Ausgang.“
Aus dem grauen Rauch wurde schwarzer, Flammen schlugen aus allen Öffnungen des unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes. Verzweifelt versuchten mehrere Trupps, in den Laden zu gelangen, um ihre beiden Kameraden zu retten. Doch es war aussichtslos. Feuerwehren aus den Nachbarkommunen eilten zu Hilfe, mehr als 200 Helfer waren schließlich im Einsatz.
Die Ursache für das Feuer im Motorradladen in Sankt Augustin konnte nicht ermittelt werden
In die Ursachenforschung wurde nicht nur der Brandermittler der Siegburger Polizei einbezogen, sondern auch ein externer Sachverständiger. Die Unfallkasse NRW überprüfte bis hin zu kleinen Ausrüstungsteilen die Feuerwehr, die Ausstattung, den Ausbildungs- und Personalstand. Beanstandungen gab es keine.
„Wir haben alles richtig gemacht, taktisch und materiell war alles in Ordnung“, sagt Maur. „Aber das ist keine Beruhigung.“ Denn was eigentlich passiert ist, weiß niemand. Die eigentliche Brandursache konnte nicht gefunden werden, die Ermittlungen sind abgeschlossen.
Brandermittler Michael Trübert konnte eine Brandstiftung ausschließen. „Ich komme immer wieder zu dem Schluss, es war ein tragischer Unfall, der leider Sankt Augustin getroffen hat“, erklärt Wehrleiter Herbert Maur. Er würde bei einem vergleichbaren Einsatz wieder genau so handeln, einen Angriffstrupp ins Gebäude schicken. „An der Strategie und Taktik der Feuerwehr können wir nichts ändern.“
Und doch hat die Katastrophe Einfluss auf ihn: „Ich habe das immer noch präsent, was damals passiert ist. Ich reagiere sensibler.“ In der Zwischenzeit war er bei vielen Berufs- und Freiwilligen Feuerwehren zu Vorträgen. Wie man bei einem Gebäudebrand da Leute reinschicken könne, wurde er oft gefragt. Weil es das richtige Mittel ist, hat er ihnen klarmachen können.
Ein Jahr nach der Brandkatastrophe von Sankt Augustin: Überlebender Feuerwehrmann ist noch in Therapie
„Der Zusammenhalt in der Feuerwehr Sankt Augustin ist gewachsen“, diese Gewissheit hat er. Dazu beigetragen habe sicher die gute Begleitung durch Mitglieder des PSU-Teams, die psychosoziale Unterstützung. „Ich habe, nach dem ich da raus bin, irgendwo gesessen. Einer von den PSU-Leuten hat mir so was von geholfen“, erinnert sich der Überlebende, „ohne ihn wäre ich heute nicht mehr bei der Feuerwehr.“ Nach wie vor ist er in therapeutischer Behandlung. Er weiß heute, dass ihn keine Schuld trifft.
Einige andere, die bei dem Einsatz vor Ort waren, sind ebenfalls noch in Therapie. Die Feuertragödie, bei der zwei ihrer Leute starben, war für fast alle Sankt Augustiner Wehrleute ein traumatisches Erlebnis.
Aber es gab Hilfe, nicht nur von den PSU-Teams. Die Unfallkasse leistete ebenso schnelle wie unbürokratische Hilfe, auch Politik und Verwaltung seien da gewesen. Diese Unterstützung lobt Maur ausdrücklich. „Die Leistungsfähigkeit der Feuerwehr war immer gut, sie ist tendenziell besser geworden“, resümiert er ein Jahr nach der Tragödie.
Am Jahrestag kommen hunderte Feuerwehrleute zum Brandort nach Sankt Augustin-Niederpleis
Viel geändert hat die Wehrleitung nicht. Allerdings gibt es jetzt eine Unterstützerabteilung für die Verpflegung bei längeren Einsätzen. 13 Personen machen mit, darunter zwei Köche. Sie haben das notwendige Material, auch Schlüssel, um in der Nacht Brötchen zu besorgen.
Mit seinen Stellvertretern hat sich Maur in den Tagen nach dem Großbrand die Frage gestellt: aufhören oder weitermachen? Zusammen entschieden sie sich, im Amt zu bleiben. „Das war richtig“, sagt er. Gegangen ist niemand. Im Gegenteil: „Wir haben mehr Mitglieder bekommen, die Jugendfeuerwehr ist so stark wie noch nie.“ Und die Erreichung der Schutzziele, also die Einhaltung der Hilfsfristen, liegt aktuell mit 91,7 Prozent über den Werten der Vorjahre.
Den Verlust, den die Familien der beiden Gestorbenen erlitten, kann all das nicht wettmachen. Der Feuerwehr bleibt, sie zu unterstützen, wo es ihr möglich ist – sie gehören für alle Zeit zur Feuerwehrfamilie dazu. An diesem 18. Juni, um 11.18 Uhr, werden hunderte Feuerwehrleute in der Hauptstraße Niederpleis zu einer Gedenkminute zusammenkommen, dort wo Magda Schmitz und Michael Winkelhoch ihr Leben im Dienst der Allgemeinheit verloren.