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Bücherschrank geplündertEin Stempel soll die Täter in Hangelar überführen

Lesezeit 4 Minuten
Ortsvorsteher Wilfried Schwab (l.) und Jens Nolden (r.) vom Bürgerverein Hangelar am Bücherschrank am Platz Op d'r Dränk. Rechts außen Natascha Brecht-Kalus vom Werbekreis Hangelar.

Ortsvorsteher Wilfried Schwab (l.) und Jens Nolden (r.) vom Bürgerverein Hangelar am Bücherschrank am Platz Op d'r Dränk. Rechts außen Natascha Brecht-Kalus vom Werbekreis Hangelar.

Immer wieder verschwinden Bücher in großer Anzahl aus dem Schrank im Ort.

„Dass Literatur aus unserem Bücherschrank sozusagen gestohlen wird, zeigt doch, dass das gedruckte Wort nach wie vor begehrt ist“, stellt Martina Bauer fest. Die Situation ist paradox: Jeder kann sich am Bücherschrank kostenlos bedienen, leerräumen in einem Schwung sollte man ihn jedoch nicht. Und das wäre diese Woche in Hangelar fast passiert.

„Ich habe ein Auto mit Duisburger Kennzeichen gesehen“, berichtet eine Frau aus Hangelar, die am Mittwoch zufällig am Bücherschrank vorbeiging. Ein Mann sei ausgestiegen, habe eine Plastikwanne aus dem Kofferraum geholt und wahllos Bücher abgeräumt, die dann in den Kofferraum geschüttet wurden. „Als er eine zweite Ladung holen wollte, wurde er von einer anderen Passantin gestoppt“, sagt die Zeugin. Der Mann sei dann einfach mit seiner Beute weg gerast.

Akribische Pflege des Bestandes an Büchern in Hangelar wurde dem Projekt zum Verhängnis

Im November 2022 wurde der Bücherschrank am Platz Op D'r Dränk feierlich eröffnet. „Unser großer Dank gilt Andreas Maur, der uns den Schrank entworfen und gebaut auf. Vielen Dank an alle Beteiligten aus dem Projektteam unter der Leitung von Rhaban, an Ingo Schumacher und sein Team, an alle Helfer während des Projekts und alle Spender und Unterstützer“, teilte der Hangelarer Bürgerverein damals mit, der die Aufstellung vorangetrieben hatte.

Der Bücherschrank war schnell gefüllt. Doch es fanden sich nicht nur literarische Schätze dort. „Zerfledderte und wirklich thematisch uninteressante alte Bücher standen wochenlang in den Regalen“, berichtet Martina Bauer. Mit Daniela Baum und Elisabeth Knappstein kümmern sich die drei Mitglieder des Bürgervereins im zehntägigen Wechsel liebevoll um die Bestückung. Und da werden solche Werke auch schon mal aussortiert. Doch diese akribische Pflege wurde nun zum Verhängnis für das Projekt.

Bücher wurde kurze Zeit später auf einem Flohmarkt in der Region zum Kauf angebotene

„Eine Spenderin hat zum Beispiel voriges Jahr im Sommer hochwertige Bücher zum Verkauf auf einem Flohmarkt in der Region entdeckt, die sie erst kurze Zeit vorher in den Bücherschrank gestellt hatte“, berichtet Bauer. Die Verkäuferin habe auf Nachfrage abgestritten, dass sie sich dort bedient habe. Die Beweislage sei schwierig gewesen, da es keinen konkreten Beweis für diese Tat gegeben habe.

Das soll sich jetzt jedoch ändern. „Wir werden einen Stempel in den Schrank legen, mit dem jedes Buch gekennzeichnet werden kann“, kündigt Ortsvorsteher Wilfried Schwab an. Dann sei die Beweislage eindeutig. Zudem soll ein Hinweisschild angebracht werden, dass maximal nur drei Werke bei einem Besuch entnommen werden sollen. Denn immer wieder verschwänden Bücher in großer Anzahl.

„Anzeigen wegen Diebstählen aus Bücherschränken liegen uns aktuell nicht vor“, teilt Maximilian Reese von der Pressestelle der Polizei auf Nachfrage der Redaktion mit. Wenn das großflächige Leerräumen nach den Richtlinien der Aufsteller verboten sei, dann solle man es ruhig zur Anzeige bringen. Es sei nicht nötig, dass jemand auf frischer Tat ertappt werde.

In Königswinter gab es im vergangenen Jahr ein ähnliches Problem. Der öffentliche Bücherschrank, der in einer ehemaligen englischen Telefonzelle auf dem Markt neben dem Haus Bachem zu finden ist, wurde regelmäßig komplett ausgeräumt. Ein Bürger hortete die Bücher zu Hause. Der Stadt blieb nichts anders übrig, um ordnungsbehördlich gegen den Mann vorzugehen.

Daraufhin wurde in der ausgedienten Telefonzelle ein Zettel aufgehängt, der auf das Prinzip von „Geben und Nehmen“ hinweist. Maximal dürften pro Person und Tag drei Bücher beziehungsweise Medien entnommen oder eingestellt werden. Bücherentnahmen darüber hinaus würden „als Diebstahl zur Anzeige gebracht“.

Rechtsradikale Bücher oder Werke mit jugendgefährdendem Inhalt sind in Hangelar nicht erwünscht

In Hangelar dürfen übrigens keine alten Videokassetten in den Schrank gestellt werden. „Die sortieren wir sofort aus“, sagt Bauer. Auch rechtsradikale Bücher oder Werke mit jugendgefährdendem Inhalt hätten keinen Platz dort. „Kinder und Jugendliche kommen regelmäßig, um sich einzudecken.“ Deswegen liegen die Bilderbücher im unteren Teil des Schrankes, schwere Bildbände finden sich oben.

Als goldene Regel für die Spende von Literatur schlagen die drei Schrankpatinnen folgendes vor: Nur die Bücher abgeben, die man selbst eigentlich noch behalten möchte, von denen man sich jedoch aus Platzgründen trennen muss. Alles andere könne getrost anders entsorgt werden. Dazu gehörten auch alte zerlesene Zeitschriften, die nichts im Bücherschrank zu suchen hätten.