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Bis zu 350 GeflüchteteKritische Fragen bei Infoveranstaltung zu geplanter ZUE in Niederkassel

Lesezeit 4 Minuten
Eine Frau und zwei Männer sitzen an einem Tisch vor Mikrofonen.

Carsten Walbröhl, Sozialdezernent der Stadt Niederkassel und Philipp Sieben von der Bezirksregierung (r.) beantworteten gut vorbereitet die Fragen der Bürgerinnen und Bürger.

Mehr als 300 Menschen wollten Näheres zur geplanten Landes-Unterkunft für Geflüchtete wissen. Viele sorgten sich um ihre Sicherheit.

Das Thema Migration beschäftigt die Menschen im Land, so auch in Niederkassel, wo im kommenden Jahr eine Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) für Geflüchtete gebaut werden soll. In der Alfred-Delp-Realschule gab die Stadt dazu am Mittwochabend eine Informationsveranstaltung. Niederkassels Sozialdezernent Carsten Walbröhl und Philipp Sieben, zuständig für alle Geflüchtetenunterkünfte im Regierungsbezirk Köln, beantworten die Fragen aus dem Publikum, die Bürgermeister Matthias Großgarten entgegennahm.

Die Asyleinrichtung soll in Containerbauweise am Kreisverkehr zwischen Landesstraße 269 und dem Kieswerk an der Spicher Straße gebaut werden. Die Stadt habe mehrere Grundstücke ins Auge gefasst, erklärte Walbröhl. „Manche liegen unmittelbar neben Wohngebieten, andere führen unter Hochspannungsleitungen hindurch – zudem wollten wir eine Anbindung an Buslinien und Supermärkte. Deswegen blieb dieses übrig.“ Die Fläche ist 9125 Quadratmeter groß – genug, um den Ansprüchen an eine Einrichtung dieser Art zu entsprechen.

ZUE in Niederkassel ist auf zehn Jahre Nutzungszeit angelegt

Die Dauer der ZUE ist auf zehn Jahre angelegt, Sicherheit und Verpflegung würden durch das Land gewährleistet. Der Sicherheitsdienst werde europaweit ausgeschrieben und müsse entsprechende Schulungen seiner Mitarbeitenden zu Deeskalation und interkultureller Vermittlung nachweisen können. „Es wird regelmäßig unangekündigte Zimmerkontrollen geben. Messer und Waffen sind sowieso verboten“, erklärte Walbröhl. „In der Einrichtung wird es außerdem schulnahe Angebote geben, in denen die Kinder betreut werden. Unsere Schulen und Kindergärten würden dadurch entlastet werden.“

Eine Wiese mit Gebüsch vor einer Straße.

Auf diesem Areal am Kreisverkehr an der L269/Spicher Straße soll die ZUE entstehen. Gegenüber liegt der Fußballplatz des 1. FC Niederkassel.

Eine Entscheidung, ob die ZUE tatsächlich gebaut wird, ist indes noch nicht gefallen. In der kommenden Woche wird der Rat darüber abstimmen. Für die Kommune würde der Bau einen entscheidenden Vorteil bieten: Die Kosten für den Betrieb übernimmt das Land. Zusätzlich würden die 350 Plätze in der Unterkunft auf die Quote der Geflüchteten angerechnet werden, die die Stadt auf ihre Kosten unterbringen muss.

Ersparnis von 2,59 Millionen Euro möglich

In Niederkassel lebten derzeit rund 1100 Geflüchtete, davon knapp 700 in Sammelunterkünften. Die 350 Plätze in der ZUE kämen oben drauf – doch ab dem Zeitpunkt der Eröffnung würden diese auf die Plätze in den städtischen Unterkünften angerechnet werden. „Die Menschen werden uns nach bestimmten Kriterien zugewiesen. Wir sind gesetzlich verpflichtet, sie aufzunehmen“, erklärte Walbröhl. Doch die Zahl der Geflüchteten in den städtischen Unterkünften werde sich nach und nach verringern. „Jedes Jahr ziehen etwa 150 Menschen aus verschiedenen Gründen aus.“

Das Ersparnis werde Walbröhl zufolge 2,59 Millionen Euro über zehn Jahren betragen. Ob man da nicht die Grundsteuer senken könne, fragte ein Mann aus dem Publikum. „Die Summe ist das Ersparnis künftiger Aufwendungen. Ihren Haushalt muss die Stadt trotzdem sicherstellen können“, entgegnete Walbröhl. Ohne die ZUE könne die Grundsteuer weiter steigen.

Fragen des Publikums drehen sich vor allem um Sicherheit

Die Zusammensetzung der Bewohnerschaft sei in Sammelunterkünften immer gleich, erklärte Sieben. „Maximal 40 Prozent sind allein reisende Männer. Es gibt Trakte für sie und für Familien, um Konflikte zu minimieren.“ Dadurch werde die ZUE nie voll ausgelastet sein. „Die 350 Plätze werden trotzdem voll und ganz auf die Quote der Stadt angerechnet, hob er hervor.

Nach einer kurzen Vorstellung der Pläne nahm Großgarten die Fragen der Zuhörerinnen und Zuhörer entgegen. Die drehten sich vor allem um das angenommene Bedrohungspotenzial durch die ZUE: Der Forderung nach einer über Nacht besetzten Polizeiwache oder Patrouillen erteilte Sieben eine Absage. „Da sind wir als Bezirksregierung der falsche Ansprechpartner – über die Zuteilung von Polizeiwachen entscheidet das Land.“ Er versprach aber, dem Innenministerium das Anliegen vorzutragen.

Klage gegen das Vorhaben in Niederkassel ist aussichtslos

Ein Mann wollte wissen, ob die Verwaltung eine Klage gegen die ZUE geprüft habe. „Die Verwaltung kann gar nicht klagen, sie führt nur aus, was die Politik ihr vorgibt. Darüber hinaus haben das schon einige Kommunen versucht, mir ist kein Fall bekannt, wo eine Klage erfolgreich war“, entgegnete Sieben. Die gesetzlichen Vorgaben seien klar.

Ein Zuhörer regte an, zumindest die Straßenbeleuchtung nachts wieder einzuschalten, um das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu erhöhen. Walbröhl nahm den Vorschlag dankend entgegen. Doch je länger der Informationsabend dauerte, desto unsachlicher wurden die Fragen aus dem Publikum: Während einige Menschen fragten, wie sie die Geflüchteten unterstützen könnten, warf ein Mann der Stadt vor, einen „sozialen Brennpunkt“ zu schaffen.

Bezirksregierung Köln: Kein Anstieg der Kriminalitätsrate durch ZUE

„Es gibt keinen Brennpunkt“, stellte Walbröhl klar. „Wir schaffen eine intensive Betreuung, bei der wir die Grundlagen des Zusammenlebens vermitteln.“ Er habe sich mit führenden Polizeibeamten ausgetauscht, ergänzte Philipp Sieben. „Ein Anstieg der Kriminalitätsrate durch ZUEs, von denen es bereits einige in NRW gibt, ist nicht belegbar.“ Noch lange nach Ende des Infoabends diskutierten die Menschen vor der Schule über die Pläne.