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ÜberwachungAmtsgericht prüft Fußfessel für Sexualstraftäter in Lohmar

Lesezeit 4 Minuten
Schild der Kinder- und Jugendhilfe Hollenberg in Lohmar.

Die Stadt warnte Eltern und Kinder vor dem Mann, der Mädchen trotz Verbots aus dem Kinderheim Hollenberg angesprochen hat.

Sexualstraftäter können nach verbüßter Strafe mit einer Fußfessel überwacht werden. Wäre das eine Lösung in dem Lohmarer Fall?

Kurz vor Weihnachten machte Lohmar bundesweit Schlagzeilen: Ein 51-Jähriger, mehrfach verurteilter Sexualstraftäter, hatte sich trotz Verbots Mädchen aus dem Kinderheim Hollenberg genähert. Auf einer Internetseite, die augenscheinlich seine ist, bekennt sich der Mann offen zur Pädophilie. Die Stadt warnte über die Schulen und die Presseöffentlichkeit Eltern und Kinder im Umkreis. Wie kann die Gefahr, die von dem Mann mutmaßlich ausgeht, eingedämmt werden? Ist eine Überwachung per Fußfessel die Lösung?

Damit beschäftigen sich derzeit die Polizei, das Amtsgericht und die Führungsaufsicht beim Landgericht Bonn. An dem in Donrath umgehenden Gerücht, der 51-Jährige trage bereits eine elektronische Fessel, halte sich aber nicht an die Vorgaben, ist nach Auskunft von Stefan Birk, Sprecher der Kreispolizeibehörde Rhein-Sieg, nichts dran.

Siegburger Richter muss die freiheitseinschränkende Überwachung anordnen

Zunächst muss ein Richter eine solche freiheitseinschränkende Maßnahme anordnen. Der erfahrene Siegburger Schöffenrichter Ulrich Wilbrand (63), der auch Haftbefehle verhängt, prüft derzeit, ob eine elektronische Kontrolle des Aufenthaltsorts in dem Lohmarer Fall überhaupt sinnvoll ist. „Der Träger muss ja kooperieren“, erklärte Wilbrand auf Anfrage dieser Zeitung.

Denn eine elektronische Fußfessel braucht Strom, wenn der als renitent bekannte Mann diese nicht regelmäßig lade, funktioniert die Überwachung nicht. Die Störungen laufen bei einer zentralen Stelle in Hessen auf, die dann die Behörden vor Ort informiert. „Und bei jedem Alarm“, so Wilbrand, „muss die Polizei ausrücken.“

Ein Mann hält eine elektronische Fußfessel an sein Bein.

Sie sieht eine eine elektronische Aufenthaltsüberwachung, bekannt als Fußfessel, aus. (Symbolbild)

Der Richter, der in engem Austausch mit beteiligten Ermittlern und Justizbehörden steht, hat den Sexualtäter, der zahlreiche Vorstrafen sammelte und insgesamt mehrere Jahre seines Lebens im Gefängnis saß, bislang noch nicht persönlich kennengelernt.

In den nächsten Tagen wolle er diesen vorladen, um sich ein eigenes Bild von dessen Persönlichkeit zu machen. Es gebe noch andere Möglichkeiten, den 51-Jährigen, der erst vor Kurzem nach Lohmar in die Nähe des Kinderheims zog, zu überwachen, gibt Wilbrand zu bedenken, „die Observation, zum Beispiel“.

Seine letzte Haftstrafe hat der nun wieder auffällig gewordene Mann komplett abgesessen. Das teilte die Presserichterin des Landgerichts Bonn mit. Am Landgericht ist die Führungsaufsicht angesiedelt, eine besondere Stelle zur Kontrolle von Verurteilten, die ihre Strafe bereits verbüßt haben, aber weiterhin als potenzielle Gefahr gelten. „Jemanden präventiv wegzusperren, um eventuelle künftige Straftaten zu verhindern“, erklärte Gerlind Keller, „das verstößt gegen das Grundrecht der Menschenwürde.“

Der Sexualstraftäter war einige Jahre als NPD-Funktionär aktiv. Er hatte zwischen 2001 und 2002 eine damals Vierjährige missbrauch, saß unter anderem wegen Kindesmissbrauchs und Besitz von Kinderpornografie lange hinter Gittern.

2017 war er in Siegburg zu zweieinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Er hatte eine Frau zehn Jahre lang, seit ihrem 14. Lebensjahr, verfolgt, sie massiv und sexuell belästigt, mit Nachrichten, über soziale Netzwerke und mit manipulierten Fotos ihrer kleinen Söhne. Immer wieder zeigte sie ihn an. Im Prozess damals kam auch zur Sprache, dass er zuvor andauernd gegen die Weisungen der Führungsaufsicht verstoßen hatte. In der Hauptverhandlung benahm er sich respektlos und zeigte keine Reue (wir berichteten).

Für eine Sicherungsverwahrung hätten all seine Verbrechen nicht ausgereicht, heißt es aus Bonn. Der Mann müsse sich derzeit regelmäßig bei der Polizei melden, das ist eine der Auflagen; ein sehr erfahrener Kollege der Führungsaufsicht sei mit dem Fall betraut, teilte Richterin Gerlind Keller mit, eine lückenlose Überwachung des nun in Freiheit Lebenden sei indes kaum zu bewerkstelligen, „das ist ein Dilemma“.

Wenn er gegen die Vorgaben verstoße, drohten dem 51-Jährigen zwar weitere Strafverfahren. Wer aber so lange schon im Gefängnis gesessen hat, den schrecke das möglicherweise nicht mehr ab.

Lohmarer drohen bei Verstößen gegen die Führungsaufsicht weitere Strafverfahren

Was kann die Polizei tun, um weitere Straftaten zu verhindern? „Wir haben großes Verständnis für die Ängste der Bürgerinnen und Bürger. Wir nehmen sie sehr ernst und unternehmen alles rechtlich Machbare, um mögliche Gefahren zu minimieren“, sagte Sprecher Stefan Birk. Die Person stehe unter ständiger Beobachtung durch uniformierte und zivile Polizeikräfte.

Alle verfügbaren Polizeikräfte seien in ein Präsenzkonzept für den Bereich Lohmar eingebunden. Er habe sich persönlich bei den zuständigen Bezirksdienstbeamten und ihren Unterstützungskräften über die aktuelle Stimmungslage rund um die Lohmarer Schulen erkundigt. Dort habe sich die Lage offenbar beruhigt, meinte er.

„In den letzten zwei Tagen waren sie unter anderem zu Schulbeginn an den wichtigen Stellen präsent. Es wurden keine Fragen oder Sorgen von Eltern an sie herangetragen. Akute Nöte innerhalb der Elternschaft konnten nicht festgestellt werden.“

Nach Informationen der Redaktion beschäftigt die Menschen die Gefahr, die von dem Mann ausgehen könnte, aber weiterhin. Eventuell sei dieser ja nicht mehr lange auf freiem Fuß - ob mit Fessel oder ohne, meinte eine Donratherin. Die Polizei fand bei einer Hausdurchsuchung vor Weihnachten auf dem aufgeklappten Laptop des 51-Jährigen ein Foto eines mutmaßlichen Kindesmissbrauchs.