Bei der Konferenz informierten sich rund 80 Interessierte über die Situation in Hennef. Auch Studierende stellten ihre Ideen vor.
„Jede Menge Ansätze“Hennefer informieren sich auf erster Sozialkonferenz zum Thema Armut
Allgemein gelte die Stadt Hennef als „gut situiert“, stellte Bürgermeister Mario Dahm fest. Armut werde daher oft nur am Rande als Problemfeld wahrgenommen. Bei der ersten Hennefer Sozialkonferenz nahmen die Teilnehmenden die Armut in Hennef gezielt in den Blick.
Rund 80 Interessierte, von denen einige in sozialtätigen Vereinen engagiert sind, kamen in die Meys Fabrik. Über zwar kostenlose, aber „zerfledderte“ Schulbücher, die „wichtige Schulsozialarbeit“ und den ÖPNV, der nach Meinung einer Frau für arme Menschen und Über-80-Jährige gratis sein sollte, wurde in Gruppen gesprochen.
Verschiedene Diskussionen bei den Teilnehmern
Da kochte auch die ein oder andere Debatte hoch, etwa darüber, ob jemand, der ein Jahreseinkommen von 300.000 Euro hat, mehr für einen Kita-Platz zahlen soll. „Der zahlt ja auch 140.000 Euro Einkommensteuer“, gab ein Mann zu bedenken, was wiederum zu einer Diskussion über gerechte Steuern und deren Verteilung führte.
Dass Reiche Armen mehr helfen könnten, wurde angesprochen: „Manche Hennefer haben das Geld, können die nicht etwas dazutun?“ Die Diskutierenden notierten die Idee eines Patenfonds, der zum Beispiel den Musikschulbeitrag für ein Kind aus einer bedürftigen Familie übernehmen könne.
Studierende präsentieren Ideen
An Stellwänden präsentierten Studierende des Studiengangs „Nachhaltige Sozialpolitik“ an der Hochschule Bonn/Rhein-Sieg Ideen, wie sich für Arme mehr Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erreichen und die Wohnungsnot in Hennef lindern lässt. Zum Beispiel mit „Housesharing“: Ein älterer Mensch stellt freie Räume in seinem Haus etwa einer Alleinerziehenden zu einem günstigen Mietpreis zur Verfügung, wovon beide profitieren, da auch die Vereinsamung ein Armutsfaktor sein kann.
„Wir müssen Wohnen anders denken“, sagte eine Studentin dazu. „Das hört sich in der Theorie alles gut an“, meinte ein älterer Konferenzteilnehmer, „aber in der Praxis?“. Ein Gesundheitskiosk als niedrigschwellige Anlaufstelle für Gesundheitsberatung, ein „Haus der gegenseitigen Hilfe“, ein Bürgerbus zur Anbindung von Dörfern, Lernkaskaden, bei denen Schüler Schülern helfen, und das Fußballprojekt „Unity Cup“ für Zehn- bis 14-Jährige sind weitere Vorschläge der Studierenden zur Vermeidung von sozialer Ausgrenzung.
Zweite Sozialkonferenz im nächsten Jahr
Aus den Diskussionsgruppen stammt die Anregung, in der Stadt Hochbeete und Naschhecken anzulegen, an denen sich jedermann bedienen kann (Stichwort „essbare Stadt). Und mehrfach wurde gefordert, Begegnungsmöglichkeiten und Treffpunkte für sozial Benachteiligte zu schaffen.
Am Ende erkannte der Bürgermeister „jede Menge Ansätze“, die die Stadt nicht allein stemmen könne, „aber auch viele, die wir angehen können“. Die zweite Hennefer Sozialkonferenz soll im nächsten Jahr stattfinden. Ein spezielles Thema steht noch nicht fest.
Sozialdaten
567 Haushalte in Hennef erhalten Hilfen nach Sozialgesetzbuch XII: Neben 446 Grundsicherungsfällen sind dies 65 Empfänger von „Hilfe zum Lebensunterhalt“, 42 Empfänger von Leistungen nach dem Bundesteilhabegesetz und 14 Empfänger von „Hilfe zur Pflege“.
Die Zahlen, Stand Ende Dezember 2022, stehen im aktuellen Sozialdatenbericht der Stadt. 1367 Anträge auf Zuschüsse nach dem Bildungs- und Teilhabepaket gingen 2022 beim Sozialamt ein, davon die meisten für den persönlichen Schulbedarf (541) und die Mittagsverpflegung (424).
926 Haushalte haben Wohngeld (732) oder einen Lastenzuschuss (203) bezogen, im Durchschnitt monatlich 246 Euro (Wohngeld) beziehungsweise 367 Euro (Lastenzuschuss). Bei 278 Wohnungen und 15 Häusern hat die Stadt derzeit das Besetzungsrecht (Sozialer Wohnungsbau).
Nach und nach enden diese Bindungsfristen. In den nächsten Jahren ist der Bau von mehreren Häusern mit insgesamt 73 Sozialwohnungen geplant. In der Obdachlosenunterkunft in Dahlhausen wohnen 22 Personen. (kh)