Ruppichteroth – Wer 1918 am Burgplatz stand, blickte auf eine bäuerlich geprägte Szenerie, auf Fachwerkhäuser und landwirtschaftliches Gerät. Und da gab es auch die Bäckerei. Bis 1939 gehörte sie der jüdischen Familie Regensburger, deren Mitglieder Opfer der Shoah wurden. Die neue historische Tafel, montiert vor der Treppe zur katholischen Kirche, gewährt mit alten Fotografien einen Einblick in die Geschichte des Areals an der Burgstraße – mit Haus Weiand, dem ehemaligen Sanatorium von Dr. Herzfeld oder dem Wirtshaus an St. Severin.
Es ist die sechste und letzte Tafel, die auf Initiative von Heimatforscher Wolfgang Eilmes vorwiegend im historischen Ortskern entstand. Jede dieser auf eine Eisenstele montierte Bild- und Infotafeln erzählt ein Stück Lokalgeschichte, mit dem Akzent auf Entwicklung von Handel und Handwerk. Und so wurde das Projekt nicht nur von Bürgerverein und Gemeinde, sondern federführend auch vom Gewerbeverein Schaufenster Ruppichteroth unterstützt.
1500 Fotografien eingereicht
Dessen Vorsitzender Kai Reinl hatte nun zum Finale an den Burgplatz geladen. „Das Fest holen wir nach“, versprach der Schreinermeister angesichts der Corona-Tristesse. Konnte die Präsentation doch nur in aller gebotenen Kürze sowie im kleinen Kreis stattfinden, und der musste vor St. Severin noch einen Regenschauer über sich ergehen lassen.
Wolfgang Eilmes erinnerte an die Anfänge des Projekts vor zehn Jahren. Damals hatte er in Ruppichteroth einen Vortrag über die Geschäftswelt in der Bröltalgemeinde gehalten. Die Bitte um alte private Aufnahmen führt zu einer wahren Flut von rund 1500 Fotografien, die Eilmes im inzwischen zweibändigen „Bilderbuch Ruppichteroth“ und in den historischen Tafeln kanalisierte.
Auf den Foto-Tableaus im Format DIN A 2 sollen Passanten die alten Gebäude wiedererkennen. Im Vergleich von damals und heute zeigt sich die Entwicklung der Gemeinde. Die Kurztexte regen zum Nachforschen an. Wer mehr wissen will, etwa über das Schicksal der Regensburgers, wird bei Wolfgang Eilmes fündig, der über das Schicksal der Familie recherchiert hat.
„Harri Regensburger wurde am Tag nach der Reichspogromnacht gezwungen, den Davidstern an der Synagoge mit einem Meißel zu entfernen. Dabei wurde er von einem Ruppichterother Bürger mit dem Feuerwehrschlauch bespritzt“, erzählt der pensionierte Lehrer.
„Das Projekt ist ein Musterbeispiel für den Zusammenhalt und das Engagement in unserer Gemeinde“, erklärte Bürgermeister Mario Loskill, der den beteiligten Partnern dankte. Die Tafeln wirkten auch der Geschichtsvergessenheit entgegen – und weckten die Neugier von Passanten. „Man sieht immer mehr Menschen, die innehalten, um Bilder anzuschauen und Texte zu lesen“, berichtete von Loskill.
Die letzte Tafel dürfte nun auch Touristen ansprechen, denn sie steht am Start- und Zielpunkt des Fachwerkwanderwegs. Der Blick fällt dann auch auf Haus Schorn, das seit dem Jahr 1800 als Bürgermeisterei, Kolonialwarenladen, Gastwirtschaft und Versammlungslokal diente. Auf der markanten Treppe wird traditionell der Weihnachtsmarkt eröffnet, wovon die Döörper in diesem Jahr nur träumen dürfen.