Leonel Capitano und Agustin Guerrero sind exzellente Interpreten des echten, traditionellen wie des zeitgenössischen Tangos aus Argentinien.
TangoZwei argentinische Virtuosen im Kunsthaus Seelscheid bei Burkard Sondermeier
Nein, es war kein Tanzschul-Tango und keine der groß orchestrierten Salon-Varianten eines Osvaldo Pugliese oder Miguel Calo, die Leonel Capitano und Agustin Guerrero im Kunsthaus Seelscheid spielten. Die beiden argentinischen Virtuosen hatten den ursprünglichen, alten Tango argentino der Landarbeiter aus dem Süden des Landes mitgebracht. Dazu präsentierten sie zeitgenössische Arbeiten, Guerrero gilt als einer der bedeutenden Komponisten seines Fachs.
Mit einer Eigenkomposition stieg das Duo Capitano/Guerrero ein
Zum zweiten Mal gastierten sie bei Burkard Sondermeier, für dessen warmherzigen Empfang sie sich gleich mehrfach herzlich bedankten. Mit einer Eigenkomposition stieg Pianist Guerrero in das Programm ein und bewies, was für ein exzellenter Musiker ist - im schreibenden wie im interpretierenden Fach. Es war eine komplexe Arbeit, extrem schwierig im Spiel, bei dem der Tango aber immer wieder durchklang.
Capitano stieg mit seiner warmen Stimme ein, die sich souverän zwischen Bariton und Tenor bewegt. Die beiden Musiker sind exakt aufeinander abgestimmt, ihr gegenseitiges Verständnis ist beeindruckend. Mit viel Wehmut brachte Capitano einen Vals. Neben Tango und Milonga ist das die dritte Stilrichtung, mit klarem Dreiviertel-Takt. Roswitha Tango Atlantico übernahm die Übersetzung der Moderationen des Sängers.
Er klärte auf, dass der Tango eine Kultur des Widerstandes sei. Viele italienische Einflüsse fänden sich, nach seinen Aussagen haben 80 Prozent der Argentinier entsprechende Wurzeln, er selbst in Sizilien, Guerrero in Apulien. „Te llaman malevo“, „Der Bösewicht“, war ein klassischer Tango von Anibal Troilo. Eine Hommage an einen Großen der Szene setzte der Mann am Klavier mit „Don Agustin Bardi“.
Es war dieses Spiel zwischen klassischen Melodien und durchaus experimentellen Klängen, die das Konzert zu etwas Besonderem machten. So setzte Guerrero mit exzellentem Anschlag seinem Kompositionslehrer mit „La Cueva“, einem eigenen Werk, ein musikalisches Denkmal, das in seiner Komplexität und Struktur nicht jedermanns Sache war.
So suchte der ein oder andere Besucher nach den gewohnten Melodien. Doch das, so erklärten Capitano und seine Übersetzerin, seien Kunstprodukte. Das Duo dagegen arbeitet mit den Traditionen der Volksmusik.
Dazu gehörte zum Beispiel eine Samba-Komposition Guerreros. Was viele als quirlige südamerikanische Musik kennen, geriet und funktionierte hier als Ballade. Und dann schnappte sich Capitano das Bandoneon, spielte eine Milonga, mit rauer Stimme und vibrierendem Timbre. Auch das eine Hommage, aber an die Portenas, die Bewohner von Buenos Aires. Weiter ging die Reise, Astor Piazzolla durfte nicht fehlen, der „Erneuerer und fortschrittlichste Komponist“, so Capitano. Musik fürs Konzert, nicht für den Tanz. „Der Tango entwickelt sich immer weiter.“
Den Beweis lieferte erneut Guerrero, der ein Stück mit Laura Alvarez vierhändig spielte. Und weil es einfach sein muss, schnappte sich Capitano die Übersetzerin und tanzte auf der kleinen Bühne zwei Milongas mit ihr. An Bravo-Rufen fehlte es im ausverkauften Kunsthaus am Ende nicht.