Zwei Ex-Spieler des 1. FC Köln sollen mit ihren Limousinen zu schnell unterwegs gewesen sein. Einer rammte den VW Polo. Eine Frau und ihre Tochter starben.
Angehörige verbittertEin Jahr nach Horror-Unfall auf A555 bei Wesseling – immer noch keine Anklage
„Du bist da, wenn ich dich brauch' Du bist überall wie Rauch Du bist da für mich, wenn ich Alleine bin, alleine bin Du erfüllst sie mir Um alle Wünsche, die ich hab', kümmerst du dich Alle Wünsche, die du hast, kümmern dich nicht“
Vermutlich hat Ylvi (23) die Zeilen des Hits „Wenn ich dich brauch“ von RIN mitgesungen, als sie mit ihrer Mutter Christina (49) das Konzert ihres Lieblingsmusikers in der Kölner Lanxess Arena besuchte. Am Ende sagte der, es sei das beste Konzert seines Lebens gewesen. Möglicherweise haben die beiden Frauen das auch so empfunden. Doch sagen können sie es nicht.
Ylvis Leben und das ihrer Mutter endete in dieser Nacht. Es war der 1. Dezember 2023, ein Freitag. Auf dem Weg nach Bonn wurde ihr VW Polo, in dem sie saßen, auf der A555 in Höhe der Anschlussstelle Wesseling von einem Audi gerammt, der offenbar mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs gewesen war.
Erst Tage später hatten die Ermittler Gewissheit über die Identität
Der Kleinwagen hatte sich auf der Autobahn gedreht und Feuer gefangen. Die beiden Frauen konnten sich aus den Flammen nicht befreien, und als die Feuerwehrleute nur wenige Minuten später eintrafen und den brennenden Polo löschten, wussten sie, dass die Insassen nicht mehr zu retten sein würden.
Das Feuer hatte zudem eine solche Kraft entwickelt, dass die Leichen nicht identifiziert werden konnten. Zunächst hieß es, eine Frau und ein Mann seien ums Leben gekommen. Erst Tage später hatten die Ermittler und die Angehörigen Gewissheit, dass es sich um die 23-jährige Geografie-Studentin und ihre Mutter handelte.
Ein DNA-Abgleich bestätigte die Befürchtungen – ermöglicht dadurch, dass Ilvys Vater der Polizei eine Haarbürste seiner Tochter übergab. Der „Bild “sagte Andreas Wrede: „Ich fühlte Leere. Man steht morgens auf und fühlt sich wie durchgekaut und ausgekotzt. Entsetzt war ich die ersten Tage. Dann kam die Trauer und der Unglaube, die Wut und Ohnmacht.“
Ein Jahr nach dem Verlust seiner Tochter und der ehemaligen Lebensgefährtin fühlt sich der Teamleiter bei einem mittelständischen Unternehmen weiter wie gelähmt. Es zermürbe ihn, dass die Staatsanwaltschaft immer noch keine Anklage gegen die mutmaßlichen Fahrer des Audi und eines ebenfalls in den Unfall verwickelten Mercedes-Fahrer erhoben habe. Bei den beiden damals 20-Jährigen handelte es sich um Nachwuchsspieler des 1. FC Köln aus der Regionalligamannschaft. Die beiden sollen sich – so der Ermittlungsstand – ein illegales Autorennen geliefert haben. Wenn es zur Anklage kommt, werden sie sich der fahrlässigen Tötung verantworten müssen.
Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer versichert, er verstehe die Angehörigen. Er habe das Gutachten der Sachverständigen zur Rekonstruktion des Unfalls schon vor Monaten angemahnt: „Derzeit gehen wir davon aus, dass uns die Unterlagen in den nächsten Wochen vorgelegt werden, damit wir dann eine Abschlussentscheidung treffen können“, sagte Bremer. Die Staatsanwaltschaft selbst habe ihren Job gemacht: Zeugen sind vernommen sowie Handy- und Bildmaterial ausgewertet worden. In den beiden Wagen saßen Beifahrer, Freunde der beiden Fußballer.
Die beiden Spieler standen am Abend im Kader des FC II im Derby gegen Fortuna im Franz-Kremer-Stadion. Nach einer 3:0-Führung mussten die Geißböcke in der Schlussphase noch den Ausgleich hinnehmen. Das Spiel war gegen 21.15 Uhr zu Ende. Der Unfall ereignete sich um 23.30 Uhr. Der Mercedesfahrer soll zunächst geflüchtet sein, hat sich aber später bei der Polizei gemeldet.
Der FC, damals noch Bundesligist, hatte die beiden beschuldigten Spieler vorübergehend vom Trainings- und Spielbetrieb freigestellt. In einer schriftlichen Erklärung hieß es vonseiten des Klubs: „Für beide Spieler gilt zunächst die Unschuldsvermutung. In Gedanken ist der FC bei den Angehörigen der Unfallopfer und zutiefst betroffen über die Ereignisse.“ Nach einigen Wochen kehrten sie zu ihrem Team zurück. Nach der Saison trennten sich jedoch die Wege. Auf einer Internetseite mit Spielerporträts wurden die beiden bis vor kurzem als vereinslos geführt. Einer hat sich jedoch einem Amateurverein angeschlossen.
Zwischen Wesseling und Bornheim herrschen ideale Bedingungen für Raser
Andreas Wrede wünscht sich eine „würdige“ Strafe. Dem WDR sagte er: „Die sollen nicht lebenslang eingesperrt werden. Ich möchte aber auch nicht, dass es Bewährung oder eine Geldstrafe für einen guten Zweck gibt.“ Er kritisiert in diesem Beitrag auch, dass junge Männer sehr früh hochmotorisierte Autos fahren dürfen – und dass die beiden Nachwuchsspieler schon so viel Geld hatten, um sich teure Autos zu kaufen. Die Vereine seien gefordert, jungen Spielern im Umgang mit Geld beratend zur Seite zu stehen.
Nach Recherchen unserer Redaktion ist die A 555 in der Autoposer-Szene längst kein Geheimtipp mehr. Wie Anwohner berichten, treffe sich die Szene unter anderem auf dem PR-Parkplatz Eichholz an der Siebengebirgsallee und auf einem Parkplatz in Höhe der Ahrstraße. Zwischen Wesseling und Bornheim herrschen für Raser ideale Bedingungen – dreispurig – schnurgerade und ohne jedes Tempolimit.
Laut Polizei Köln haben sich dort von 2019 bis Ende 2023 in Fahrtrichtung Bonn neun Verkehrsunfälle ereignet, bei denen elf Menschen schwer verletzt und drei Menschen getötet wurden. In Richtung Köln habe es acht Verkehrsunfälle mit neun schwer verletzten Menschen gegeben.
Dennoch gelten die Abschnitte laut Polizei nicht als Unfallhäufigkeitsstellen. Auch lägen keine konkreten Hinweise zu Treffen und verbotenen Kraftfahrzeugrennen vor. Anwohner, darunter ein ehemaliger Kriminalbeamter, zweifeln daran. Sie berichten, das Rasen auf der A 555 sei in den vergangenen beiden Jahren eskaliert. Geschwindigkeiten von bis zu 300 km/h seien keine Seltenheit.
Ylvi und ihre Mutter Christina sind vor einem Jahr offenbar Opfer von Autofahrern geworden, die ihren Kick im Geschwindigkeitsrausch suchen.