Wesselings Bürgermeister im Interview„Ich träume von einer Markthalle“
Wesseling – In unserer neuen zehnteiligen Serie sagen uns die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, warum ihre Stadt die schönste im Rhein-Erft-Kreis ist, warum sich ein Besuch ihrer Lieblingsplätze lohnt, ob die Nähe zu Köln Fluch oder Segen ist, und was sie an ihrer Stadt ärgert.Wie würden Sie Wesseling jemandem beschreiben, der noch nie hier gewesen ist?Esser: Wesseling ist die einzige Stadt im Kreis, die am Rhein liegt. Wir alle wissen um das besondere Flair, das die Lage am Wasser für eine Stadt mit sich bringt. So ist auch das Wesselinger Rheinpanorama eine kleine Idylle hier im Kreis. Und bei Nacht kommt ihre schroffe Schönheit zur Geltung, wenn die Industrie zu leuchten beginnt.
Warum ist Wesseling die schönste Stadt im Kreis?
Weil jede Stadt für die Bürgermeisterin oder den Bürgermeister die schönste Stadt ist. Der Rhein, das Naturschutzgebiet Entenfang und der Landschaftspark Eichholz sind von jedem Punkt unserer Stadt in einer Viertelstunde zu erreichen. Für eine industriell geprägte Stadt ist Wesseling sehr grün. Das wissen viele nicht.
Was ist Ihr Lieblingsort in Wesseling?
Neben meinem Zuhause ist der Rheinpark mit seiner herrlichen Promenade mein Lieblingsort.
Und welcher ist Ihr Lieblingsort im Kreis?
Der Brühler Schlosspark, Schloss Paffendorf in Bergheim und der Aussichtspunkt Terra Nova am Tagebau Hambach in Elsdorf sind sehr schöne Orte. Aber jede Stadt im Rhein-Erft-Kreis hat ihre Reize.
Zur Person
Geboren: 30. Dezember 1958
Privat: verheiratet, eine Tochter
Beruflicher Werdegang: Diplomverwaltungswirt, Niederlassungsleiter von JCDecaux in Köln, Leiter des Amts für öffentliche Einrichtungen in Pulheim, Leiter des Fachbereichs für Bauverwaltung in Wesseling, Beigeordneter
Politik: seit 1989 in der SPD, Parteivorsitzender (1997-2010), Bürgermeister seit 2014 (jtü)
Bringt die Nähe zu Köln mehr Fluch oder mehr Segen mit sich?
Die Lage zwischen Köln und Bonn ist ein Vorteil, weil sie uns als Standort für Unternehmen und zum Wohnen sehr attraktiv macht. Das merken wir deutlich am Firmenzuzug und an der Nachfrage nach Wohnraum. Bürgerinnen und Bürger können neben den vielfältigen Angeboten in Wesseling, sei es im kulturellen, sportlichen, musikalischen und gastronomischen Bereich, sehr schnell in den Oberzentren deren noch reichhaltigere Angebote nutzen. Für die Belebung der Wesselinger Innenstadt mit Einzelhandelsgeschäften ist unsere Lage ein Fluch. Dadurch, dass wir vier gut funktionierende Verbindungen zu beiden Städten haben, die Linie 16 als Straßenbahn, die L 300 als Landesstraße, die BAB 555 als Autobahnverbindung und letztlich in Wurfweite von Keldenich in Bornheim-Sechtem die DB-Verbindung, fließt Kaufkraft in diese beiden Städte ab. Auch die Mietpreise steigen im Speckgürtel rasant, eben weil die Anbindung so gut ist.
Was tun Sie gegen die explodierenden Immobilienpreise?
Wir haben durch die Wohnungsbaugesellschaft der GWG Rhein Erft, an der die Stadt über ihre Stadtwerke beteiligt ist, den Einfluss auf die Preisgestaltung für über 800 Wohnungen. Zudem fordere ich immer bei neuen Baugebieten einen gesunden Mix aus frei finanziertem und öffentlich gefördertem Wohnungsbau. Allerdings fehlt es uns an Flächen, um bei der Schaffung von Wohnraum noch große Sprünge zu machen.
Was ist die größte Herausforderung für Wesseling und den Kreis bis 2032?
Auch wenn man im ersten Moment Wesseling als Nichtanrainer der Braunkohletagebaue nicht mit dem Strukturwandel in Verbindung bringen sollte, so wird es für Wesseling sehr entscheidend sein, wie unsere Industrie diesen Strukturwandel managt. Ebenso wird es entscheidend sein, wie wir in unserer Stadt die Restflächenplanung und den Aufbau von weiteren Gewerbe- und Ökologie-Arealen planen und auf den Weg bringen.
Was fehlt in Wesseling – was wünschen Sie sich?
Am Rhein entlang haben wir vier Gebäude, die im städtischen Eigentum sind: Die Haarhof-Villa, Die Waage, den Seniorentreff im Rheinpark und das Awo-Haus. Gemeinsam haben die vier das Potenzial, den Namen „Rheinperlen“, den ich ihnen vor Jahren gegeben habe, auch zu verdienen. Da gibt es noch viel zu tun, aber wenn das geschafft ist, wären alle vier eine echte Bereicherung – als Orte direkt am Rhein für Kultur, Gastronomie, Soziales, am besten von allem ein bisschen. Mir persönlich fehlt ein Ort, an dem ich in schönem Ambiente Einkäufe des täglichen Bedarfs tätigen, aber danach auch noch ein Glas Wein trinken kann. Deshalb ist mein Ziel, so etwas – vielleicht eine Markthalle – gemeinsam mit einem Investor und den Eigentümern am Hof der Familie van Joest an der Siebengebirgsstraße zu schaffen.
Was ärgert Sie in Wesseling oder an Wesseling?
Nach ihrer Schließung Anfang der 1990er Jahre war die ehemalige Firma Norton vielleicht noch romantisch verträumt anzusehen mit ihren roten Backsteinen und grünen Ranken an den Fassaden, aber seit viel zu langer Zeit zunehmender Verwahrlosung und fortschreitenden Verfalls ist die Brache ein Schandfleck. Der Rat hat eine Vorkaufsrechtssatzung für das Gelände auf den Weg gebracht, um die Flächen gewerblich nutzbar zu machen. Trotzdem verstreicht Zeit, weil dicke Bretter zu bohren sind. Das nervt mich.
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Was möchten Sie in Ihrer Amtszeit noch erreichen?
Wir haben noch ein letztes großes Gewerbegebiet, das wir vermarkten können. Dieses liegt in Eichholz, und über eine städtische Tochter haben wir dafür gesorgt, dass es in unserem Eigentum ist. In den kommenden beiden Jahren wird es vermarktet werden, und mein großes Ziel ist, dass dort ein modernes, nachhaltiges Gewerbegebiet entsteht. Als Ausgleich für Gewerbegebiete und den notwendigen Wohnungsbau möchte ich den Grüngürtel um Wesseling schließen. Wenn man auf den Stadtplan guckt, sieht man, wenn man in Urfeld anfängt, den zukünftigen Bürgerpark nahe der Haltestelle der Linie 16, dann geht es über die Felder bis zum Landschaftspark Eichholz, dann wieder Felder und dann kommt der Entenfang. Diesen möchte ich gern erweitern und den Gürtel nach und nach schließen. Auf der Strecke liegen auch die weitgehend vom Land beziehungsweise der Uni Bonn nicht mehr genutzten Güter Dickopshof und Maarhof. Diese würde ich gern wieder mit Leben füllen. Die Wiese an der Wilhelm-Rieländer-Straße ist eine der zentralen Entwicklungsflächen zur Aufwertung unserer Innenstadt. Immer wieder wurde über die Ansiedlung von reinem Einzelhandel gesprochen. Zu einer Umsetzung kam es nie. Denn die Pläne gingen am tatsächlichen Bedarf vorbei. Aktuell steht auf dem Areal eine Kita in mobiler Bauweise. Danach möchte ich eine gemischte Nutzung aus Wohnungen – am liebsten Studierendenwohnungen –, Gastronomie und Einzelhandel realisieren. Hinzu kommen natürlich der Ausbau von Kitas und Grundschulen und die Neugestaltung des Schulzentrums zu einem modernen Campus mit der neuen Gesamtschule und dem Käthe-Kollwitz-Gymnasium.