Bedburgs Bürgermeister wirft den Naturschützern vor, sie spielten Ökologie und Ökonomie gegeneinander aus. Kritik kommt auch von den Grünen.
StrukturwandelUnverständnis über BUND-Kritik an Microsoft-Ansiedlung in Rhein-Erft
Der Bedburger Bürgermeister Sascha Solbach (SPD) hat „die alarmistischen und teilweise auch populistischen Äußerungen“ des BUND zur geplanten Ansiedlung von zwei Microsoft-Rechenzentren im Rhein-Erft-Kreis mit Verwunderung zur Kenntnis genommen. Erneut würden Ökologie und Ökonomie, fast schon radikal und fundamental, gegeneinander gestellt.
Der BUND müsse aufhören, ein so komplexes Vorhaben wie die Transformation eines Reviers mit zwei Millionen Menschen immer wieder auf „böse Giganten gegen arme Natur“ herunterzubrechen.
Das werde der Mammutaufgabe nicht gerecht. Die Region und insbesondere die Kommunen arbeiteten hart daran, neue Perspektiven für kommende Generationen zu ermöglichen – „dabei verlieren wir auch die Ökologie und die Flächenkonflikte nie aus dem Blick, denn hier werden sie ja am Ende ausgetragen“.
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Laut BUND führe der Bau zu zusätzlicher Flächenversiegelung
Solbach weiter: „Wir steigen 15 Jahre früher als geplant aus der Braunkohleverstromung aus, wir modellieren die gesamten Tagebauumfelde anders als ursprünglich geplant, wir bauen die erneuerbaren Energien massiv aus, wir setzen auf Zukunftstechnologien und Bildung.“ Dennoch reiche es dem BUND nicht – es werde dem BUND am Ende aber nie reichen. Das sage er auch mit einer gewissen Bitterkeit als jemand, „der den Ausbau grüner Energie seit zehn Jahren so massiv vorantreibt, wie kaum jemand“.
Die Umweltschützer hatten am Mittwoch (7. August) mitgeteilt, sie hätten sich wegen des geplanten Baus zweier sogenannter Hyperscaler in Bergheim und Bedburg mit einer Petition an Microsoft gewandt. Der geplante Bau derartiger Rechenzentren führe zu zusätzlicher Flächenversiegelung und schade der Umwelt, es gebe geeignetere Standorte, beispielsweise die Kraftwerksstandorte, die aufgegeben würden. Microsoft will sich auf Anfrage dazu nicht äußern.
Bergheims Bürgermeister Volker Mießeler (CDU) weist die Kritik des BUND bezüglich eines „Flächenfraßes“ ebenfalls zurück: Bei der Erstellung des Bebauungsplans würden Umweltbelange, Artenschutz und Kompensationsmaßnahmen selbstverständlich umfassend berücksichtigt. Diese Ausgleichsmaßnahmen seien ein wesentlicher Bestandteil des öffentlichen und rechtlich verbindlichen Verfahrens.
Mießeler steht uneingeschränkt hinter der Microsoft-Ansiedlung: „Sie schafft Arbeitsplätze und bietet einen Standortvorteil für zukünftige Ansiedlungen und den Strukturwandel, indem sie neue Arbeitgeber anzieht und eine positive Entwicklung fördert.“
Ein Vorgehen mit Augenmaß und der Erhalt von Flächen für Landwirtschaft und Natur ist auch Landrat Frank Rock (CDU) ein wichtiges Anliegen. Ausdruck dieser Balance sei beispielsweise die Grünvernetzung, beginnend beim Hambacher Forst bis hin zur Ville, wodurch ein deutliches Mehr an Natur entstehen werde. Auch die Rekultivierung um die ehemaligen Tagebauflächen sei Teil dieses Gesamtkonzeptes.
Gleichwohl müssten die politisch Verantwortlichen im Rheinischen Revier in der Lage sein, die wirtschaftlichen Auswirkungen des Strukturwandels durch neue Gewerbeansiedlungen zu kompensieren. „Die Microsoft-Rechenzentren werden dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen und eröffnen Zukunftsperspektiven für neue Arbeitsplätze und Wertschöpfungsketten. Sie können der Gamechanger in einem bisher recht zähen Transformationsprozess sein“, sagte Rock.
Die Grünen stehen uneingeschränkt hinter dem Bau der Rechenzentren. „Wollen wir diese Ansiedlung politisch, um den Strukturwandel praktisch umzusetzen, braucht es Flächen“, sagt Parteivorsitzender Christian Schubert. Und dafür kämen nun einmal nicht alle Standorte in Frage – die Datenknoten spielten eine zentrale Rolle bei der Auswahl, wobei auch Naturverträglichkeit und Flächensparsamkeit bedacht werden müssten.
Einer Ansiedlung von Microsoft auf den Flächen der Kohlekraftwerke erteilt der Grüne eine Absage, da diese erst 2030 vom Netz gingen. Und auch dann braucht es noch Jahre, um diese Standorte neu zu entwickeln.
Das sieht SPD-Chefin Heike Steinhäuser auch so: Die vom BUND als Alternativen genannten Flächen wie Kraftwerksareale, die vorbelasteten Tagebauflächen und andere Industriebrachen stünden wegen des vorgezogenen Ausstiegs aus der Braunkohle nicht zur Verfügung. Sie hält den Kommunen und Microsoft zudem zugute, dass sie Ökologie und Ökonomie sozial verträglich abwägen.
Niemand dürfe gleichwohl aus den Augen verlieren, dass „die Menschen, die durch den vorzeitigen Ausstieg aus der Braunkohle ihre Arbeitsplätze verlieren, zukunftssichere Perspektiven“ benötigten. „Ohne Einkommen gibt es kein Auskommen.“
Der FDP-Parteivorsitze im Rhein-Erft-Kreis, Christian Pohlmann, hatte die BUND-Aktion eigenen Angaben zufolge erwartet. Die Zahl der Menschen, die man damit erreiche, sei aber gering. Die Bürgerinnen und Bürger verstünden gut genug, „dass wir in Deutschland die Wirtschaftswende und hier im Revier die Strukturwende nur schaffen, wenn wir neue Investitionen ermöglichen“.
Durch die überzogene Vorgehensweise des BUND werde kein höheres Umweltbewusstsein geschaffen; der BUND erzeuge vielmehr „eine Umweltschutzmüdigkeit“, sagt der Liberale.
Gegner des Projekts lassen laut FDP wirtschaftliches Abstieg im Revier zu
Die FDP werde genau darauf achten, wie sich die anderen demokratischen Parteien im Kreis mit Blick auf die BUND-Aktion positionieren. Pohlmann: „Wer hier jetzt nicht klare Kante zeigt, der braucht in einem Jahr den Wählerinnen und Wählern auch nicht vorgaukeln, dass ihm die Wirtschaft und damit unser Wohlstand im Rhein-Erft-Kreis wichtig sei.“ Gegen dieses Projekt zu sein, heiße, den wirtschaftlichen Abstieg im Rheinischen Revier willentlich zuzulassen.
Für die CDU-Vorsitzende Romina Plonsker ist klar, dass eine lebenswerte Zukunft nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch den Erhalt von Natur und Naherholungsgebieten sowie landwirtschaftlichen Flächen umfasse. Daher liege es im Interesse der Kommunen sowie von Microsoft, hohe Nachhaltigkeitsstandards zu gewährleisten und Lösungen zu entwickeln, die die wirtschaftlichen und ökologischen Bedürfnisse der Region gleichermaßen berücksichtigten.
Zudem habe das Unternehmen angekündigt, dass der Betrieb bis 2030 CO₂-negativ sein werde, ab 2025 soll die Energieversorgung zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien erfolgen. „Diese Maßnahmen zeigen, wie wirtschaftliche Entwicklung und Umweltschutz Hand in Hand gehen können, um eine lebenswerte Zukunft für die Region zu gestalten“, sagt Plonsker.