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Kommentar zur EuropawahlRhein-Erft-Kreis muss sich eines Rechtsruckes erwehren

Lesezeit 3 Minuten
Europaflaggen wehen vor dem Sitz der EU-Kommission in Brüssel. Das sind die Flaggen der Europäischen Union.

Im Juni wird ein neues Europäisches Parlament gewählt.

Die Problematik der Europawahl: Kandidaten sind lokal wenig bekannt. Und: Die AfD dürfte Zugewinne erfahren.

Kennen Sie Jens Geier? Wenn nicht, ist dies eine lässliche Wissenslücke. Geier ist SPD-Politiker aus Essen. Wer ihn kennenlernen möchte, muss rund eine Stunde Fahrzeit in Kauf nehmen, wenn er sich in Kerpen ins Auto setzt. Noch länger dauert die Fahrt, wenn man ihn bei seiner Tätigkeit als Europaabgeordneter beobachten möchte. Ins französische Straßburg muss man schon vier Stunden einkalkulieren.

Warum man dies tun sollte? Wie sein Bonner CDU-Kollege Axel Voss ist Geier als Parlamentarier für den Rhein-Erft-Kreis zuständig. Besser gesagt: unter anderem für den Rhein-Erft-Kreis zuständig. Als Abgeordneter im Europäischen Parlament ist der Sozialdemokrat für die Städte Duisburg, Essen, Mülheim und Oberhausen sowie die Kreise Kleve, Viersen und Wesel zuständig. Mit der Europawahl 2019 wurde sein Zuständigkeitsbereich auf die Stadt und den Kreis Aachen, die Kreise Heinsberg, Düren, Euskirchen und den Rhein-Erft-Kreis erweitert.

Bei der Europawahl stehen weniger Personen als Parteien zur Wahl

Angesichts der Größe dieses politischen Verantwortungsbereiches ist kaum davon auszugehen, dass Abgeordnete wie er wissen, wo gerade beispielsweise in Elsdorf oder in Frechen der Schuh drückt. Das erklärt aber auch, warum vermutlich außer den eigenen Parteimitgliedern im Rhein-Erft-Kreis kaum jemand weiß, wer Jens Geier eigentlich ist – und selbst da dürfte die Trefferquote nicht bei hundert Prozent liegen. Bei Vertretern kleinerer Parteien – bei aller Wertschätzung: die schenken wir uns an der Stelle – dürfte das nicht wesentlich anders aussehen.

Auf dem Foto ist der Europaparlamentarier Jens Geier zu sehen.

Das ist Jens Geier

Was aber auch zur Folge hat, dass auch diese Europawahl am 9. Juni weniger eine Personenwahl ist, sondern die Parteien und ihre Inhalte im Mittelpunkt stehen. Oder sagen wir besser: stehen sollten. Schließlich hat die Geschichte gelehrt, dass nicht immer mühsam erarbeitete Parteiprogramme die Gunst der Wähler erreichen; mitunter hat schon ein Dagegensein gereicht.

2019 machten 20.000 Bürger ihr Kreuz bei der AfD

Bei der Europawahl 2019 hat die AfD im Rhein-Erft-Kreis knapp zehn Prozent der Stimmen erhalten. Rund 20.000 Wählerinnen und Wähler machten ihr Kreuz bei der rechtspopulistischen Partei. Die CDU als damalige Wahlsiegerin vereinte gerade einmal dreimal mehr Stimmen auf sich – rund 60.000. Grüne lagen bei 46.000, die SPD dahinter bei 44 000. Die FDP lag mit knapp 17 000 Stimmen gar hinter der AfD, schon vor fünf Jahren.

Fünf Jahre sind in der Politik eine halbe Ewigkeit. Wie schnell sich die Lage verändert, wie rasant sich Prozesse beschleunigen, in welch kurzen Zeiträumen sich politische Zustimmung zu jäher Ablehnung wandelt, erfährt die aktuelle Bundesregierung. Ein fehlender klarer Kurs, Zerstrittenheit, eine Vielzahl handwerklicher Fehler – und schon sinken die Werte in der Beliebtheitsskala. Wenn dann ein globales Problem wie die anhaltende Migration hinzukommt, wachsen Ängste und Sorgen bei den Bürgern.

Das politische Gleichgewicht im Rhein-Erft-Kreis ist gefährdet

Die Europawahl dürfte daher ein Fingerzeig sein: mit Blick auf die Bundestagswahl 2025, aber auch auf die Kommunalwahl zum selben Zeitpunkt im Herbst kommenden Jahres. 2019 verbuchte die AfD im Nordkreis – in Bedburg, Elsdorf und Bergheim – sowie in Wesseling bereits zweistellige Ergebnisse.

Dass sie in den zehn Städten und im Kreis im Jahr darauf im Durchschnitt unter diesen Werten lag, im politischen Tagesgeschäft kaum wahrnehmbar ist und sich in einigen Orten aufgespalten hat, dürfte vermutlich im Juni 2024 keine Rolle spielen. Sollte sie möglicherweise hinter der CDU als Zweite ins Ziel kommen, würde das politische Gleichgewicht im Rhein-Erft-Kreis empfindlich verschoben.