Die Nominierung Helge Herrwegens war keine Überraschung. Er ist Vize, ist erfahren und gilt als kompetent. Dennoch droht Unmut.
Kommentar zum SPD-FührungswechselDiese Gefahren lauern bei den Wahlen in Rhein-Erft
Überraschend kam der Rückzug Heike Steinhäusers von der SPD-Parteispitze. Ihr Verzicht auf eine erneute Kandidatur macht den Weg für einen ihrer Stellvertreter frei. Wenig überraschend fiel die Wahl auf Helge Herrwegen – in der Regel richtet sich in solchen Situationen der Blick auf die zweite Reihe. Davon versprechen sich die Verantwortlichen Kontinuität und Beständigkeit.
Das wird der Mann, der in Wesseling Zweiter stellvertretender Bürgermeister und Gewerkschaftssekretär bei der IGBCE ist, vermutlich garantieren können. Und so gab es bei der digitalen Konferenz mit den Ortsvereinsvorsitzenden und dem übrigen Vorstand auch keinen Widerspruch gegen dessen Kandidatur auf dem Parteitag am nächsten Samstag in Kerpen. Was bei der SPD im Rhein-Erft-Kreis nicht zwingend etwas bedeuten muss. 2022 brauchte sie zwei Anläufe, um einen neuen Vorstand zu wählen, an deren Spitze Heike Steinhäuser stand.
Viele Kandidaten gab es 2022, keiner wurde Vorsitzender
Zuvor gab es mehrere Sozialdemokraten, die ihre Partei führen wollten: Daniel Dobbelstein, dessen Mit-Vorsitzende Dagmar Andres sich als Bundestagsabgeordnete nach Berlin verabschiedet hatte; dann Torsten Rekewitz aus Pulheim, an dem sich intern die Geister schieden; schließlich noch Wolfgang Jenke aus Pulheim und Dr. Thomas Thielemann aus Frechen. Bekanntlich wurde es keiner von ihnen.
Wenn sich seit 2022 nichts in der SPD geändert hat, ist es nicht ausgeschlossen, dass es auch bei dieser Wahl Genossinen oder Genossen gibt, die es sich wie Herrwegen zutrauen, ihre Partei in das Wahljahr 2025 zu führen.
Die Voraussetzungen dafür hat der Vorstand selbst geschaffen: Den möglicherweise durch eine Wahl Herrwegens zum Parteichef frei werdenden Posten als Vize soll Andrea Kanonenberg einnehmen – ebenfalls aus Wesseling. Damit wären im sechsköpfigen geschäftsführenden Vorstand zwei Mitglieder aus der Stadt am Rhein vertreten, aber nach wie vor keines aus dem größten Ortsverein Kerpen. Nicht auszuschließen, dass es im Norden des Kreises rumoren wird.
Helge Herrwegen kandidierte 2010 für den Landtag
Nun mag man einwenden, dass es in Parteien doch auf Fähigkeiten und Qualitäten bei der Besetzung von Führungspositionen ankomme. Ja . . . aber. Solche sensiblen Konstrukte müssen so austariert werden, dass sich alle wiederfinden und zufrieden gestellt werden.
Mag aber auch sein, dass es Herrwegen bis zum Parteitag gelingt, einen großen Teil der Mitglieder hinter sich zu bringen. Warum auch nicht, ist er doch kein Unbekannter in der SPD, und über Erfahrung verfügt er auch. 2010 kandidierte er für den Landtag und unterlag recht knapp Gregor Golland (CDU). Zwei Jahre später verzichtete er aus familiären Gründen auf eine Kandidatur zugunsten von Dagmar Andres – und die Erftstädterin erhielt im Sog von Hannelore Kraft mit 43,5 Prozent ein Ergebnis, von dem Politiker heute nur träumen können.
Weil jedes SPD-Mitglied abstimmen kann, ist der Ausgang jeder Wahl offen
Nun also schickt sich Herrwegen an, im zweiten Anlauf eine exponierte Position in seiner Partei einzunehmen. Die Entscheidung darüber fällt in der Willy-Brandt-Gesamtschule. Der ehemalige Bundeskanzler hat mal gesagt: „Wir müssen mehr Demokratie wagen!“ Genau das ist die Wahl eines Parteivorsitzenden – und dank der Abschaffung des Delegiertensystems vor einigen Jahren ist der Ausgang dieser Wahlveranstaltung völlig offen.
Demokratie ist wunderbar. Das sehen nicht alle so. Aber das ist nun ein ganz anderes Thema.