In Kerpen-Türnich sorgt das sexualpädagogische Konzept eines Kindergartens für Ärger. Die Jugendämter haben sich nun eingeschaltet.
Masturbationsräume und DoktorspieleJugendämter überprüfen Sexualkonzept einer Kita in Kerpen
Das pädagogische Konzept eines katholischen Kindergartens beschäftigt die Kerpener Verwaltung und den Landtag. Darin geht es um frühkindliche Sexualität, das Zulassen von „Doktorspielen“ und „Räume für Masturbation“. Die AfD hatte das Thema auf die politische Tagesordnung gesetzt.
„Ein sexualpädagogisches Konzept in Kindertageseinrichtungen soll zu einem natürlichen Körperverständnis der Kinder beitragen“, schrieb die Verwaltung auf die Anfrage der AfD-Fraktion. Die Auseinandersetzung mit dem Thema Gender und Sexualpädagogik sei gesetzlich vorgeschriebener Bestandteil in Konzepten solcher Einrichtungen.
So haben etwa auch die Awo-Kitas in Bergheim ebenfalls ein sexualpädagogisches Konzept. Dieses liest sich aber anders als das in Kerpen. Im Mittelpunkt steht hier, dass die Kinder in Fragen der Sexualität nicht sich selbst überlassen werden. Von Rückzugsräumen für Masturbation wie in Kerpen ist nicht die Rede. Laut Landesregierung sind solche Konzepte für Kindergärten nicht verpflichtend.
Die AfD brachte das Thema auf die Agenda der Stadt Kerpen
Bereits im September hatte der AfD-Fraktionsvorsitzende Sascha Hümmer auf das Thema hingewiesen. Er teilte der Verwaltung damals mit, dass er durch einen Artikel in einer Tageszeitung auf das Konzept eines Kerpener Kindergartens aufmerksam geworden sei. Seiner Meinung nach geht es darin um den Kindergarten St. Rochus in Türnich.
Das sieht die Verwaltung anders. Bei dem „Kerpen“ im Artikel handele es sich nicht um die Kolpingstadt. Die Verwaltung verortet den Kindergarten in ihrer Antwort an Hümmer in der Gemeinde Kerpen im rheinland-pfälzischen Teil der Eifel. Die aber hat gar keinen Kindergarten. Außerdem tauchen die im Artikel zitierten Konzeptpassagen genauso im Konzept von St. Rochus auf.
Die Kita regelt, wann Erzieher in Doktorspiele eingreifen dürfen
Auf der ersten Seite des Konzepts steht, dass es der Einrichtung „in keiner Weise“ um sexuelle Aufklärung gehe. Es gehe lediglich um „Freiräume für das Ausprobieren kindlicher Sexualität“, zum Beispiel für Doktorspiele. Doch in dem Konzept steht auch deutlich: „Einzelne Kinder dürfen sich, ihren Bedürfnissen entsprechend in einen geschützten Raum zurückziehen, um sich körperlich zu entdecken und zu befriedigen.“
Der Kindergarten begründet das folgendermaßen: Wer einem Kind vermittele, dass es sich nicht „da unten“ berühren dürfe, könne großen Schaden anrichten. „Denn das Kind lernt: An meinem Körper ist etwas, was nicht richtig, nicht gut und irgendwie unanständig oder eklig ist.“ Das sei fatal für das positive Körpergefühl. Und das sei wichtig, damit das Kind später „Nein“ sagen könne, wenn ihm Berührungen unangenehm seien.
Geregelt ist auch, wann die Erzieher eingreifen sollen. Etwa wenn ältere jüngere Kinder zu „Doktorspielen“ überreden oder Praktiken der Erwachsenensexualität ausgeführt werden. Was damit genau gemeint ist, bleibt offen.
Die Niederschrift des Konzepts hat der Kirchengemeindeverband Kerpen Süd-West mittlerweile von seiner Homepage entfernt. Zu finden ist es aber noch im Ratsinformationssystem der Stadt Kerpen.
Auch den Landtag von Nordrhein-Westfalen beschäftigt das Konzept
Parallel zu Hümmers Anfrage in Kerpen hat die AfD eine Anfrage im Landtag gestellt. Das hat laut Stadt dazu geführt, dass sich das Landesjugendamt eingeschaltet hat. Kindergartenträger und das Kerpener Jugendamt hätten bereits über das Thema gesprochen.
„Weder dem örtlichen noch dem überörtlichen Jugendamt sind Kitas im Stadtgebiet Kerpen bekannt, die über Rückzugsräume zur Umsetzung von Sexualpraktiken verfügen“, teilt die Stadtverwaltung mit. Ähnlich antwortet die Landesregierung. Separate Räume in Kindergärten allein zur „sexuellen Selbsterkundung“ seien aus Sicht des Landes nicht Teil der frühpädagogischen Praxis.
Auf Anfrage wollte sich niemand von der Beratungsstelle Donum Vitae zu dem Konzept äußern. Von Profamilia gab es zunächst eine Zusage. Auf weitere Anfragen reagierte niemand. In beiden Beratungsstellen gibt es Experten, die sich mit frühkindlicher Sexualität befassen.
Der Landeselternbeirat will das Kerpener Konzept nicht bewerten. Jeder Träger müsse sein Konzept dem Landesjugendamt vorlegen, heißt es in einer Antwort des Beirats. „Insofern gehen wir davon aus, dass das Konzept entsprechend geprüft wurde.“ Eine weitere Einschätzung sei nicht möglich, weil „keine Details“ vorlägen. Das entsprechende Konzept hatte die Redaktion gleichwohl zuvor an den Elternbeirat geschickt.
In Hannover stoppte das Landesjugendamt ein ähnliches Konzept
In seinem Konzept beruft sich die Kita St. Rochus auf den Pädagogen Jörg Maywald und dessen Buch „Sexualpädagogik in der Kita“. Er schreibt zwar, dass Sexualität von Beginn an zur Entwicklung eines Kindes gehöre. Es gehe in der Kita aber immer darum, kindliche Sexualität zu begleiten, um Missbrauch, sexueller Gewalt und problematischem Verhalten vorzubeugen.
Eigentlich hätte die AfD-Anfrage im Kerpener Rat am 5. Dezember behandelt werden sollen. Die Verwaltung hat sie aber von der Tagesordnung genommen. Zunächst soll ein Ortstermin mit dem Träger, dem Landesjugendamt und dem Kerpener Jugendamt stattfinden.
Ein ähnliches Konzept wie das des Kerpener Kindergartens stoppte das niedersächsische Landesjugendamt in Hannover.