Anette Seiche hat die Integrationsarbeit der Stadt Kerpen in 17 Jahren nachhaltig geprägt und für die kommenden Generationen vorbereitet.
Annette SeicheIntegrationsbeauftragte der Stadt Kerpen geht in den Ruhestand
Der Motivationshintergrund für Annette Seiches berufliches Engagement mutet überraschend und gleichzeitig folgerichtig an: die Seefahrt. Als junge Oberaußemerin lernte sie einen jungen Seefahrer kennen. Für ihre Eltern eher nicht akzeptabel („auf einer Ebene wie Schausteller!“), sie aber verliebte sich in ihn. Und fuhr gelegentlich mit zur See. Was lernte sie dort? „Leute unterschiedlichster Nationen müssen sich an Bord verstehen, sonst wird das nichts!“
Seit der ersten Seefahrt hat sie die Vermittlung von Kulturen, das Verständnis für unterschiedliches Denken immer als ihre Lebensaufgabe empfunden. Dies spiegelt sich auch in ihren 17 Jahren im Dienst der Stadt Kerpen wider. Ihre Dienstzeit endet mit diesem Jahr. Nun blickt sie zurück auf das, was sie bewegt hat.
Kerpen: Anfangs hieß es, ein Konzept zu entwickeln
Im Gespräch mit Seiche stechen drei Eigenschaften heraus: Engagement, Kompetenz, Eloquenz. Sie kennt ihr Sachgebiet, kann es kämpferisch vertreten und den Zuhörer mitreißen.
Nach dem Abitur auf dem Erftgymnasium in Bergheim studierte sie zunächst vier Semester Jura, dann kam die Seefahrt dazwischen. Sie blieb aber im Metier, bewarb sich 1978 beim Rhein-Erft-Kreis und studierte an der Hochschule für Polizei und Öffentliche Verwaltung. 1981 trat sie den regulären Dienst an, zunächst im Jugendamt, später in der Ausländerbehörde in Kerpen.
„Die Politikerinnen Maria Böhmer und Rita Süßmuth haben sich auf Bundesebene intensiv um Integrationsfragen gekümmert und Hand und Fuß da reingebracht, das hat uns sehr geholfen!“, betont Seiche. Im August 2007 tritt sie ihre Stelle als Integrationsbeauftragte der Stadt Kerpen an.
Zunächst ging es darum, ein Konzept zu entwerfen. Eine Lenkungsgruppe aus Verwaltung, Wirtschaft und interessierten Kreisen entwickelte eine Art „Ewigkeitskonzept“, das durch politische Entscheidungen auf konkrete Bereiche fokussiert werden kann. Dazu gehören zum Beispiel niederschwellige Sprachförderung, Quartiersangebote, Kooperation mit Schulen und Kitas. Verpflichtende Angebote seitens Awo, Volkshochschule und berufsbezogenen Anbietern. Solche verpflichtenden Sprachangebote für Zuwanderer gibt es erst seit 2005, ebenso wie die Schulpflicht für Kinder von Asylsuchenden.
Im Zusammenhang mit der aktuellen Geflüchteten-Diskussion betont Seiche, dass auch bei Kriegsflüchtlingen, Syrern oder Ukrainern, ein Teil der Menschen nicht zwingend in ihr Heimatland zurückgehen möchte. Bei Syrern hat sich durch die Möglichkeit, eine Doppelstaatsangehörigkeit anzunehmen, ein Einbürgerungsfenster geöffnet, das manche auch angenommen haben.
Projekt brachte Geflüchtete und Bürger zusammen
Kanzlerin Merkels Prophezeiung „Wir schaffen das!“ kommentiert Seiche mit einer differenzierten Antwort: „Wir konnten vieles schaffen, alles nicht, weil die Umstände das nicht immer zuließen.“ Beispielsweise habe man verstärkte Sprachkurse anbieten können, andererseits habe der Wohnungsmarkt nicht so viele Möglichkeiten eröffnet, wie es wünschenswert gewesen wäre.
Einer der Höhepunkte in ihrer Zeit als Integrationsbeauftragte war das Projekt „Das Leben der Anderen“. Mit dem evangelischen Gemeindezentrum und der Buchhandlung Wortreich habe man Geflüchtete mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern zusammengebracht. Über diesen Austausch sagt sie: „Manche konnten sich bis dahin Fluchthintergründe gar nicht vorstellen!“
Wer Annette Seiche erlebt hat, weiß, dass sie ab Jahresende nicht die Hände in den Schoß legen wird. Ehrenamtliche Tätigkeiten an mehreren Stellen sind zu erwarten, vor allem beim „Interreligiösen Dialog Sindorf“, beim „Runden Tisch gegen Rassismus Rhein-Erft-Kreis“ oder im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem Theaterprojekt „Halber Apfel“.
Ihrer Nachfolgerin Sylvia Römer wünscht sie, dass die Zivilgesellschaft ihr konstruktiv begegnet, damit auch sie den notwendigen Enthusiasmus entwickeln kann.