Die letzte Rettung für JugendlicheSo arbeitet die Stabil GmbH in Hürth
Hürth – Alkohol, Drogen, Ablehnung, sexualisierte Gewalt: Die jungen Leute, die in der Stabil GmbH aufgenommen werden, haben schon einiges hinter sich. „Wir nehmen uns der Jugendlichen an, die sonst nirgends mehr Hilfe bekommen, die alle anderen Hilfen bereits ausgeschöpft haben – die keiner mehr haben will“, sagt Andreas de Aveiro. Mit Carlo Contessa und René Rademacher leitet er die Stabil GmbH in Hürth.
Deeskalationstrainer Contessa arbeitete zuvor in der forensischen Psychiatrie mit psychisch kranken Straftätern. „Endstation“, dachte er damals. „Hier landet man, wenn im Leben so alles schiefgelaufen ist.“ Ein privates Erlebnis mit einem Heranwachsenden gab dann den Anstoß: „Wir müssen ganz unten anfangen, bei den Kindern und Jugendlichen“, haben er und sein langjähriger Freund Andreas de Aveiro dann beschlossen.
Stabil GmbH: Gründung 2015
2015 gründeten sie die Stabil GmbH, in der zurzeit 51 Jugendliche – Mädchen und Jungen – zwischen 14 und 19 Jahren ein für sie individuell maßgeschneidertes Hilfsangebot bekommen. „Die jungen Leute kommen aus ganz Deutschland“, berichtet de Aveiro. Die Jugendämter bezahlen diese Art der Jugendhilfe.
Zum Team zählt auch Pädagoge Bernhard Schumacher. „Ich wollte es noch einmal wissen“, sagt der 56-Jährige. Um Kindern und Jugendlichen ein Zuhause zu geben, hatte er 1998 in Brühl die Schumaneck Kinderhaus gGmbH gegründet. Mit dem Einstieg bei der Stabil GmbH hat er sein Kinderhaus-Projekt an seine Nachfolger übertragen.
„Junge Menschen, die von der Gesellschaft aufgegeben wurden“
„Hier arbeite ich mit jungen Menschen, die von der Gesellschaft schon aufgegeben wurden – mit sogenannten Systemsprengern.“ Sie störten, seien laut und einfach unangenehm. Oft hätten diese Kinder nie ein richtiges Zuhause gehabt und seien nie oder kaum sozialisiert worden. „Viele lernen erst hier eine Gemeinschaft kennen und sich einzufügen“, sagt de Aveiro. Die Pädagogen holen die Jugendlichen dort ab, wo sie stehen. Das tue weh, stinke, hagele schlimme Schimpfwörter, doch es helfe. „Es ist eine schwere Arbeit, aber sie lohnt sich“, betont Schumacher. Viele hätten das Potenzial, ihr Leben in den Griff zu bekommen. „Wenn sie lernen, dass sie uns vertrauen können, dass wir hinter ihnen stehen und sie nicht im Stich lassen, dann können sie sich entwickeln“, ergänzt de Aveiro.
Es fällt ihm schwer, über die schlimmen Schicksale dieser Kinder und Jugendlichen zu sprechen. Kinder, die schon als Babys missbraucht und vergewaltigt wurden, die nie Liebe oder Zuneigung erfahren durften, die teils auf der Straße gelebt haben oder verwahrlost tagelang allein in der Wohnung gelassen wurden.
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„Hier geht es darum, einen Anfang für den Weg in die Zukunft zu finden“, erläutert Schumacher das Konzept. Die jungen Leute leben in Wohnungen und Zimmern, wo sie zunächst Grundsätzliches lernen müssen: Einkaufen, Hygiene, Aufräumen und den Tag-Nacht-Rhythmus. Sie lernen aber auch, ihre Talente kennen und ihr bisheriges Leben zu reflektieren. „Wir helfen ihnen auch dabei, dass sie ihre Schulabschlüsse nachholen, Praktika absolvieren und in Ausbildung kommen“, sagt de Aveiro. Ihm fällt die junge Frau ein, die nach dem Abitur ein Studium begonnen hat. „Immer noch hat sie aber Schmerzen von den Vergewaltigungen, die man ihr als Baby angetan hat“, berichtet er.
Ganze Bücher könnte er mit Biografien junger Menschen füllen, von denen viele inzwischen ihren Weg gefunden hätten. Der 14-jährige Brandstifter zum Beispiel, mehr als 200 Brände wurden ihm zur Last gelegt. „Wir haben mit ihm eine Perspektive erarbeitet“, berichtet de Aveiro. Schon nach wenigen Monaten konnte der Junge in eine Wohngruppe auf einen Bauernhof in Westfalen ziehen. Laut de Aveiro hat er seither nie wieder ein Feuer gelegt. Manchmal dauert es aber auch Jahre, bis die jungen Menschen soweit sozialisiert und stabilisiert sind, dass sie eigenständig leben können. „Unser Ziel ist es, dass sie das Haus hier alle mit einer Idee für einen Plan für ihre Zukunft verlassen“, sagt Schumacher.