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NeuberechnungWarum die Grundsteuer für viele Menschen im Rhein-Erft-Kreis steigen wird

Lesezeit 5 Minuten
Das Bild zeigt einen Platz in einer Stadt von oben.

In Brühl berät der Stadtrat am kommenden Montag über die künftige Steuererhebung.

In den Rathäusern werden gerade die Folgen der Grundsteuerreform durchgerechnet. Viele Eigenheimbesitzer und Mieter zahlen wohl künftig mehr.

Viele Hausbesitzer und auch Mieter müssen sich darauf einstellen, vom kommenden Jahr an mehr Grundsteuer zu bezahlen. Das liegt nicht etwa daran, dass die Kommunen an der Steuerschraube drehen, sondern ist Folge eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2018. Danach musste der Gesetzgeber die Grundsteuer neu regeln, um für mehr Steuergerechtigkeit zu sorgen. In den Rathäusern vor Ort, wo die Grundsteuer erhoben wird, wird derzeit fleißig gerechnet.

Bislang wird die Grundsteuer auf der Grundlage von Einheitswerten aus dem Jahr 1964 berechnet. Künftig soll der tatsächliche, von den Finanzämtern ermittelte Marktwert der Grundstücke angesetzt werden – und der liegt bei Wohnimmobilien gerade im Speckgürtel um Köln herum mittlerweile oft deutlich höher. Im Verhältnis dazu haben Geschäftsgrundstücke bei der Bewertung tendenziell eher an Wert verloren. Das gilt allerdings nicht in jedem Einzelfall.

In Hürth und Erftstadt bleibt es beim einheitlichen Steuersatz

Weil damit gerechnet wird, dass es zu einer Verschiebung des Steueraufkommens zulasten von Wohnimmobilien kommen wird, hat das Land Nordrhein-Westfalen den Kommunen die Möglichkeit eingeräumt, unterschiedliche Hebesätze für Wohn- und Gewerbeimmobilien festzusetzen. Damit kann vor Ort die Verteilung der Steuerlast zurechtgerückt und der erwartete Anstieg der Wohnkosten abgebremst werden. Die Entscheidung darüber steht in fast allen Kommunen des Rhein-Erft-Kreises noch aus. Ausnahmen sind Hürth und Erftstadt. Dort haben die Stadträte bereits beschlossen, bei einem einheitlichen Hebesatz zu bleiben.

„Die Grundsteuer ist eine wichtige Einnahmequelle für die Kommune, um die Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger zu finanzieren“, sagt Hürths Bürgermeister Dirk Breuer (CDU). „Deshalb ist es wichtig, frühzeitig für Planungssicherheit zu sorgen.“ Mit dem Festhalten an einem einheitlichen Steuersatz folge die Stadt den Empfehlungen des Städte- und Gemeindebunds.

Rhein-Erft: Computerprogramm müssen angepasst werden

Aus Hürth und vielen anderen Rathäusern im Kreis ist zu hören, dass die Einführung eines differenzierten Steuersatzes rechtliche Risiken berge. So verweist auch die Stadtverwaltung in Brühl auf ein „hohes Widerspruchs- und Klagerisiko“. Eigentümer von Grundstücken, die nicht Wohnzwecken dienten, könnten Klage erheben, weil das Land mit der möglichen Einführung von differenzierten Hebesätzen vom sogenannten „Bundesmodell“ bei der Grundsteuerreform abweiche.

Darüber hinaus sei die Einführung differenzierter Hebesätze sehr aufwendig – auch, weil der IT-Dienstleister vieler Rathäuser darauf nicht vorbereitet sei. So führt Ruth Henn, Verwaltungssprecherin in Pulheim, an, dass neben der rechtlichen Bedenken nicht gewährleistet sei, „dass die Erhebung differenzierter Hebesätze rechtzeitig erfolgen kann, da die entsprechenden Computerprogramme noch angepasst werden müssen“.

Brühl fürchtet Einnahmelücke

„Bis zum Jahresbescheid müssten dann circa 16.000 Grundsteuer-Datensätze von der Steuerabteilung händisch geprüft und bearbeitet werden“, heißt es dazu aus Brühl. „Die Einführung differenzierter Hebesätze würde die Umsetzung der Reform also stark verzögern. Damit könnte es 2025 zu einer Einnahmelücke im städtischen Haushalt kommen.“ Die Verwaltung der Schlossstadt will dem Stadtrat deshalb vorschlagen, bei einem einheitlichen Grundsteuersatz zu bleiben. Auch in Wesseling befürchtet man „Liquiditätsrisiken für die Stadt“, wenn Steuereinzugstermine nicht gehalten werden können.

Unterdessen werden diese Bedenken offenbar nicht überall geteilt. So hat etwa der Rat der rund 43.500 Einwohner zählenden Kreisstadt Heinsberg bei Aachen (Regierungsbezirk Köln) jüngst zwei unterschiedliche Steuersätze für Wohn- und Nichtwohnimmobilien beschlossen, um den Anstieg der Wohnkosten abzufedern.

Dass durch die Grundsteuerreform nun die Kommunen in die Schusslinie geraten, sorgt für Kritik in den Rathäusern an Rhein und Erft. „Der Frust schlägt sich bei den Kommunen nieder für eine Regelung, die uns Bund und Land aufgebürdet haben“, sagt Hürths Bürgermeister Breuer. Vom Grundsatz her sei die neue Grundsteuer zwar gerechter, weil sie nach dem tatsächlichen Wert der Grundstücke berechnet werde. „In Einzelfällen kann es aber zu Härten kommen, für die wir als Kommune nichts können“, so der Hürther Verwaltungschef.

„Das Land macht es sich bei der Grundsteuerreform zu leicht“, beklagt auch Bürgermeister Andreas Heller (CDU) aus Elsdorf. „Es bürdet uns die Entscheidung auf, wie wir die geforderte Reform umsetzen.“

Über die Höhe des künftigen Steuersatzes wird in den Kommunen erst im Rahmen der anstehenden Haushaltsberatungen für 2025 entschieden. Das Land hat für jede Kommune aufkommensneutrale Hebesätze ausgerechnet und empfohlen, die in manchen Städten niedriger, in anderen höher liegen als bisher. Denn mehr Geld soll die Grundsteuerreform den Kämmerern künftig nicht in den Stadtsäckel spülen.


Das bringt die Grundsteuer den Kommunen

Bedburg: Der Hebesatz liegt bei 850 Prozent, das Steueraufkommen bei 8,8 Millionen Euro in diesem Jahr. Die Entscheidung über die künftige Grundsteuer soll in der Sitzung des Stadtrats am 17. Dezember getroffen werden.

Bergheim: Der Hebesatz beträgt 760 Prozent, der Haushaltsansatz für 2024 bei 17,6 Millionen Euro. Über die Grundsteuer soll der Rat im November entscheiden.

Brühl: Der Hebesatz liegt bei 800 Prozent. Für das laufende Haushaltsjahr wird mit Einnahmen in Höhe von 12,4 Millionen Euro geplant. Der Rat berät am 28. Oktober über die künftige Steuererhebung.

Erftstadt: Der Hebesatz beträgt 730 Prozent, die Einnahmen wurden für 2024 auf 12,5 Millionen Euro veranschlagt. Im September hat der Rat beschlossen, bei einem einheitlichen Hebesatz zu bleiben. Er soll entweder am 12. November oder spätestens am 10. Dezember über den neuen Hebesatz entscheiden.

Elsdorf: Der aktuelle Hebesatz liegt bei 913 Prozent. Das Steueraufkommen ist aktuell mit 6,7 Millionen Euro angesetzt. Der Stadtrat befasst sich am 5. November mit dem neuen Hebesatz.

Frechen: Der Hebesatz beträgt 520 Prozent. Das Steueraufkommen wird für dieses Jahr mit 11,4 Millionen Euro veranschlagt. Den Beschluss über die künftige Grundsteuer soll der Rat im Dezember fassen.

Hürth: Der Hebesatz liegt bei 480 Prozent. Die Einnahmen sind mit 11,5 Millionen Euro für 2024 im Haushalt veranschlagt. Der Rat hat im September beschlossen, dass es bei einem einheitlichen Steuersatz bleiben soll. Über die Höhe wird ab November beraten.

Kerpen: Der Hebesatz liegt bei 739 Prozent. Das Steueraufkommen wird im Haushalt für 2024 mit 19,8 Millionen Euro angesetzt. Der Rat wird in der Dezember-Sitzung über die neue Grundsteuer entscheiden.

Pulheim: Der Hebesatz liegt bei 555 Prozent, das Grundsteueraufkommen wird mit 12,4 Millionen Euro für 2024 prognostiziert. Die Entscheidung über die Hebesätze soll der Rat am 3. Dezember treffen.

Wesseling: Der Hebesatz liegt aktuell bei 795 Prozent, der Haushaltsansatz bei 11,6 Millionen Euro. Über den künftigen Steuersatz entscheidet der Rat am 10. Dezember.