Die Bachemerin Silvia Knecht ging mit alten Familienfotos auf Spurensuche für die sportlichen Aktivitäten ihrer Großmutter.
FamiliengeschichteFrechenerin forscht mit alten Fotos nach verschwundenem Sportverein
Es ist ein Foto, das pure Lebensfreude ausstrahlt, Zusammenhalt und Zuversicht. Die jungen Frauen tragen Sportbekleidung, selbstverständlich lange Röcke, so wie es sich für die damalige Zeit geziemte, es war 1926, um genau zu sein, im April. Wenige Jahre später wird die Hockeymannschaft des Frechener Klubs für Rasenspiele 1920 auseinandergerissen.
Nach Hitlers Machtübernahme 1933 wurde der Verein gleichgeschaltet, die jüdischen Sportlerinnen wurden ausgeschlossen. Ihre Spur verliert sich. Es ist zu befürchten, dass die jungen Frauen wie viele Millionen anderer Menschen jüdischen Glaubens dem Holocaust und Hitlers Rassenwahn zum Opfer gefallen sind. Das Foto, das im Stadtarchiv hängt, erinnert an das jüdische Leben in Frechen – und es mahnt, dass jüdisches Leben nicht erneut Ziel von Hass und Angriffen werden darf; so wie es gestern auch viele Menschen im Rhein-Erft-Kreis getan haben, die in zahlreichen Veranstaltungen der Pogromnacht vom 9. November 1938 gedachten.
Vor 23 Jahren alte Familienfotos entdeckt
Sylvia Knecht verbindet eine persönliche Beziehung mit dem Foto der strahlenden Hockeyspielerinnen. Ihre Großmutter Louise Frederike Honrath gehörte dem Frechener Team an. Und als sie es in dieser Woche für unser Treffen wieder hervorholte, erinnerte sie sich daran, wie überrascht sie gewesen war, als sie es zum ersten Mal in ihren Händen gehalten hatte.
Das war vor rund 23 Jahren, als Silvia Knecht von Siegburg nach Frechen umzog: „Beim Ausräumen im neuen Zuhause stieß ich auf alte Familienfotos. Meine Mutter hatte sie mir mitgegeben, nach dem Motto, in dem neuen Haus hast du ja Platz genug. Und auf der Rückseite eines Gruppenbildes mit meiner Oma und weiterer junger Damen, die allesamt Hockeyschläger in der Hand halten, stand »Frechen April 1926«“. Von einer Beziehung der in Siegburg seit Jahrhunderten lebenden Unternehmerfamilie zu Frechen war nichts bekannt.
„Unsere Familie lebte mitten in Siegburg, mein Urgroßvater war stadtbekannt, er hatte ein Fuhrunternehmen, das mein Opa später zur Spedition und Umzugsunternehmen ausbaute. Hinter einem bekannten Café in der Stadtmitte stand unser Haus und dort, wo heute das Rathaus ist, war unser Garten.“
Die 60-jährige Hochschulprofessorin wusste damals schon, dass ihre Oma als junge Frau Hockey gespielt hatte, mehr aber nicht. „Den Hockeyschläger hat übrigens noch meine Schwester in Leverkusen.“ Allerdings wunderte sich Knecht nicht über die neuen Erkenntnisse, denn ihre Oma Louise Frederike Honrath war immer sehr unternehmungslustig: „Als Kind hat sie mich überall mit hingenommen, ich war mit ihr oft in Belgien und in Frankreich bei Bekannten. Sie sprach fließend Französisch und Englisch.“
Die schmutzige Arbeiterstadt Frechen besaß wenig Elitäres
Aber unklar bleibt weiterhin, wie die Verbindung auch mit Blick auf die Entfernung zustande kam: „Wir fragen uns, wie kam meine Oma in der damaligen Zeit –ohne Auto – von Siegburg zum Training und für die Spiele der Mannschaft nach Frechen?“ Zwar gab es schon eine Eisenbahnverbindung von Siegburg nach Köln und dann ging es wohl weiter mit der Köln-Frechen-Benzelrather Eisenbahn in die Klüttenstadt Frechen, aber für eine junge Frau allein war das in damaliger Zeit schon ein Wagnis.
Sylvia Knecht: „Ich wohne also heute dort, wo meine Großmutter vor fast 100 Jahren Hockey gespielt hat, eine für die damalige Zeit doch elitäre Sportart – und das als Frau.“ Und eigentlich passt dieser Sport so gar nicht zu der als schmutzigen Arbeitergemeinde Frechen, die wenig Elitäres besaß. Sylvia Knecht, die für die CDU im Stadtrat Frechen und im Kreistag sitzt, zeigte dem damaligen Frechener Stadtarchivar Alexander Entius die beiden Fotos ihrer Großmutter in der Hoffnung, mehr zu erfahren.
Auf einem großen Gruppenfoto, das im Hof der Ringschule auf der Außentreppe aufgenommen wurde, ist der gesamte „Frechener Klub für Rasenspiele“ abgebildet. Neben den Hockey-Damen auch die männlichen Fußballteams und im Hintergrund der Vorstand. Das andere Foto mit der Jahreszahl zeigt nur die Damen-Hockeyspielerinnen vor einer Holzwand, über die mehrere Jungen feixend dem Fotografen in die Linse blicken. Da ist die Oma die zweite von oben.
Eine Kopie des Fotos hängt im Stadtarchiv Frechen
Entius erkannte das Bild mit den Sportlerinnen sofort, denn eine Kopie hängt in einer Ecke des Stadtarchivs zum Thema „Jüdisches Leben in Frechen.“ Allerdings gibt es über den Frechener Klub für Rasenspiele 1920 außer einigen kleinen Zeitungsmeldungen keine Unterlagen oder Aufzeichnungen mehr, fand Sylvia Knecht bei ihren Nachforschungen heraus. „Keiner der älteren Leute kann sich außer an einzelne Namen einer Tante oder Cousine erinnern. Das ist schade, denn es war ja offensichtlich ein etablierter Verein mit eigenem Emblem und großer gemischter Spielerschar, wie man auf dem Foto sehen kann.“
Es bleibt die Hoffnung, dass Geschichte sich nicht wiederholt
Der Frechener Klub für Rasenspiele 1920 ist vergessen, wie auch die meisten seiner Hockeyspielerinnen vergessen sind. Es bleibt dieses eine Foto, das Lebensfreude, Zusammenhalt und Zuversicht ausstrahlt - und dem Betrachter die Hoffnung, dass Geschichte sich nicht wiederholt.
Über den Frechener Klub für Rasenspiele 1920 finden sich im Stadtarchiv nur wenige Mitteilungen. Im Findbuch wird unter dem 6. Juni 1925 auf das Stiftungsfest hingewiesen und über ein Spiel gegen die Hockeydamen aus Köln berichtet. In einem Artikel vom 16. Juni 1925 heißt es über ein Hockeyspiel der Herren gegen Brauweiler unter anderem: „Seitdem die neue Sportanlage in der Altestraße geschaffen ist, merkt man ein erhebliches Aufleben der Sporttätigkeit in Frechen. Der Klub für Rasenspiele 1920 verfügt über eine stetig wachsende Damen-Hockeymannschaft und hat neuerdings die Heranbildung einer Herren-Hockeymannschaft begonnen. Diese konnte gegen Brauweiler, die ebenfalls Anfänger sind, dank dem Wehrkönnen einzelner rechter Verteidiger, Mittelläufer und Mittelstürmer ein 4:1 Resultat herausholen.“
Interessant ist auch der Bericht über die Generalversammlung des Frechener Klubs für Rasensport E.V. vom 27. Oktober 1925 im Frechener Tagblatt. Damals hatte ein Herr Schiffer den Vorsitz, dem Vorstand gehörte wohl auch ein Herr Hennefeld als sehr aktives Mitglied an. Ferner heißt es dort: „Bürgermeister Dr. Toll gab seiner Verwunderung darüber Ausdruck, daß entgegen seiner Erwartungen der Sport schon in weiteste Bevölkerungskreise unserer Gemeinde eingedrungen sei. … Um die hiesige und benachbarte Bevölkerung noch enger in den Sport einzureihen, beabsichtigt Herr Dr. Toll einen Zweckverband für Leibesübungen ins Leben zu rufen. Diese Absicht wurde von den Anwesenden begrüßt.“ (mrz)