AboAbonnieren

Neues BuchSo urteilt der Autor Christian Uhle aus Frechen über Künstliche Intelligenz

Lesezeit 4 Minuten
Auf dem Bild ist ein Mann, Christian Uhle, mit seinem neuen Buch zu sehen.

Der Frechener Christian Uhle hat ein Buch über Künstliche Intelligenz geschrieben.

Der 36-jährige Philosoph spürt den Chancen und Risiken der KI in fünf Kapiteln nach.

Künstliche Intelligenz hat Einzug in unser Leben gehalten. Nicht nur, wenn sie bewusst genutzt wird, beispielsweise um Chat GPT neue Texte schreiben zu lassen, sondern viel öfter unbemerkt. „Wer heute sagt, ich brauche keine KI und nutze sie auch gar nicht, der irrt“, erklärt Christian Uhle. Der Frechener ist Philosoph, sein jüngstes Buch heißt „Künstliche Intelligenz und echtes Leben“.

Naturgemäß ist sein Blick auf die KI und ihre Auswirkungen ein philosophischer. „Es geht darum, sich bewusst zu sein, dass es eine tiefgreifende Veränderung ist, und als solche ist KI mit gewaltigen Chancen und ganz tollem Potenzial verbunden und gleichzeitig mit ebenso gewaltigen Risiken“,sagt der 36-Jährige, der zu gesellschaftlichen und technologischen Transformationen geforscht hat. In fünf Kapiteln spürt er den Chancen und Risiken nach.

Was vor Kurzem Science-Fiction war, ist heute Realität
Christian Uhle, Buchautor aus Frechen

Ein Beispiel: Schon heute besprächen viele Menschen persönliche Probleme mit einem Gegenüber, das kein Mensch ist. Manche verliebten sich sogar in eine KI. „Was vor Kurzem Science-Fiction war, ist heute Realität.“ Für Menschen, die einsam seien, könne es durchaus ein Gewinn sein, einen – wenn auch künstlichen – Gesprächspartner zu haben. Allerdings sei der Effekt nur dann positiv, wenn durch diese Gespräche auch zwischenmenschliche Beziehungen gestärkt würden und nicht etwa geschwächt. Menschliche Kontakte könnten nicht wahrhaft ersetzt werden, weil die Empathie der KI nur simuliert sei.

Frechen: Autor setzt sich seit rund zehn Jahren mit Zukunftsforschung und Digitalisierung auseinander

Im Buch heißt es: „Es ist eine Illusion, dass hier ein künstliches Wesen spricht, das uns verstehen kann – aber diese Illusion wird immer perfekter.“ Die Grundfrage sei: In welcher Gesellschaft wollen wir leben? In einer, in der das Bedürfnis nach Kommunikation von einer KI befriedigt wird, oder in einer, in der Menschen miteinander sprechen?

Er setze sich seit rund zehn Jahren mit Zukunftsforschung und Digitalisierung auseinander, erzählt Christian Uhle, sei an Studien zu den sozialen Auswirkungen beteiligt. In seinem Buch geht es aber auch um ökonomische und ökologische Weiterungen. Es gelingt ihm, die sehr komplexen Zusammenhänge verständlich darzulegen. Und viele Fragen zu beantworten – ohne dabei den Anspruch zu erheben, die Antwort auf alle Fragen und die Lösung für alle Probleme zu haben. Der Tonfall ist angenehm unaufgeregt.

Die Frage, ob ihm KI Angst macht, lässt Christian Uhle zögern. „Ja“, antwortet er schließlich. „Aber Menschen machen mir mehr Angst.“ Seine Sorge sei nicht, dass die KI selbst irgendein Problem darstelle. Seine Sorge beziehe sich weniger auf einen Unfall, der dafür sorge, dass die KI aus dem Ruder laufe und anfange, die Menschheit zu vernichten. Das wäre natürlich ein spektakuläres Szenario für Sience-Fiction-Filme.

Seine Sorge sei viel mehr, dass eine gut funktionierende KI so gestaltet werde, dass sie nicht dem Wohl aller diene, sondern Einzelinteressen unternehmerischer oder politischer Akteure. Sein Fazit am Ende des Buches: „Veränderung kommt auf jeden Fall. Die Frage ist, ob wir diese Veränderung wie eine Welle über uns hereinbrechen lassen oder sie gestalten.“

„Künstliche Intelligenz und echtes Leben“ von Christian Uhle, S. Fischer Verlag, 304 Seiten, 24 Euro, ISBN 978-3-10-397604-5


Lesesprobe:

„Manche Menschen haben das Gefühl, dass ausgerechnet ihr menschliches Umfeld in vielerlei Hinsicht künstlich ist, dass hier echte Kommunikation, echte Anteilnahme und echtes Interesse spärlich gesät sind. Viel zu viele Gespräche fühlen sich unecht an. Für diese Menschen hat KI bereits heute das Potenzial, die gefühlte Tiefe und Authentizität im Gespräch zu erhöhen und nicht zu senken. Hinzu kommt, dass gerade weil Kommunikation so komplex und anspruchsvoll ist, KIs in den nächsten Jahren auf diesem Feld besser abschneiden könnten als viele Menschen.

KIs werden jederzeit einhundert Prozent aufmerksam sein und sich an jeden einzelnen Satz aus früheren Gesprächen erinnern. Und die Erkennung von Emotionen hat sich zu einem eigenen Forschungsbereich entwickelt: KI kann jede Millisekunde beim Sprechen messen, das Tempo und die Wortwahl analysieren, kann minimale Verschiebungen der Tonfrequenz wahrnehmen und künftig auch jedes Blinzeln, die Herzfrequenz, Durchblutung und feinste Mimik...

KI wird also nicht nur den Inhalt unserer Worte analysieren, sondern zunehmende auch feine Nuancen und Gefühlsregungen herauslesen. Mit jeder Minute, die wir mit künstlichen Freunden sprechen, lernen sie unser eigenes Betriebssystem besser kennen und werden besser darin, die richtigen Knöpfe bei uns zu drücken, um die Bindung zu erhöhen.“