Suche nach dem Sinn des LebensFrechener Autor spricht im Interview über erstes Buch
Frechen – Christian Uhle ist in Frechen aufgewachsen, in Münster und Berlin hat er Philosophie, Physik und Wirtschaft studiert. Der 34-Jährige hat ein Buch über den Sinn des Lebens geschrieben. Der Titel: „Wozu das alles?“ Ulla Jürgensonn hat mit ihm darüber gesprochen.
Sie sind Philosoph und Autor. Wie wird man Philosoph?
Christian Uhle: Philosoph ist natürlich keine geschützte Berufsbezeichnung. Ich bin Philosoph, weil ich einerseits Philosophie studiert habe. Vor allem aber bedeutet Philosoph zu sein für mich, sich wirklich die Zeit zu nehmen, über die Fragen nachzudenken, die uns alle betreffen.
Kann man davon leben?
Ja, wenn man selbst darauf achtet, Philosophie relevant für lebenspraktische Fragestellungen zu gestalten. Ich halte Vorträge, gebe Seminare, schreibe Gastbeiträge, arbeite also als freier Philosoph. Ich finde das eine schöne Art zu arbeiten, weil ich mich in meiner Art zu philosophieren immer wieder fragen muss, was interessant ist für die Menschen. Nach meinem Verständnis macht auch genau das gute Philosophie aus.
Auf der falschen Fährte
Nun haben Sie sich für Ihr Buch gleich auf eine der größten Menschheitsfragen eingelassen und sich auf die Suche nach dem Sinn des Lebens begeben. Haben Sie ihn gefunden?
Ja. Man kann die Frage nach dem Sinn des Lebens tatsächlich beantworten. Allerdings verwirrt uns die Formulierung der Frage. Sie klingt, als könne man darauf in einem einzigen Satz antworten. Das bringt uns auf eine falsche Fährte. Denn inhaltlich ist die Frage vielschichtig, deshalb muss auch die Antwort vielschichtig sein.
Sie können uns also den Sinn des Lebens nicht so mit auf den Weg geben?
Es gibt verschiedene Arten von Sinn, die uns durch das Leben tragen. In meinem Buch identifiziere ich diese verschiedenen Arten und versuche zu zeigen, welche Grundhaltungen uns helfen können, Sinn zu erfahren. Zum Beispiel gibt es eine Grundhaltung, aus der heraus einspielerischer Sinn entsteht. Der besteht nicht darin, dass das, was ich tue, auf irgendetwas hinausläuft oder zu etwas gut sein muss, sondern den Sinn in sich selbst trägt. Eine solche spielerische Herangehensweise ans Leben, bei der wir den Sinn aus der Gegenwart schöpfen und uns auf unsere Freiheit einlassen, ist eine eigene Art, Sinn zu erfahren, aber bei weitem nicht die einzige. Sinn hat auch viel mit Sinnlichkeit zu tun. Indem wir unsere leibliche Beziehung zur Welt stärken, können wir die Welt besser spüren und eine Verbindung herstellen, die eine eigene Form von Sinn darstellt. Allerdings liegt es nicht nur an uns allein, Sinn zu ermöglichen – es ist auch eine gesellschaftliche Aufgabe.
Keine Ja-Nein-Frage
Gibt es sinnvollere und weniger sinnvolle Leben?
Die Frage nach dem Sinn des Lebens ist keine Ja-Nein-Frage, sondern eine Frage des Mehr oder Weniger. Mein Leben ist nicht ganz sinnvoll oder ganz sinnlos, sondern es kann in verschiedener Hinsicht mehr oder weniger sinnvoll sein. Nehmen wir die Arbeitswelt: In Deutschland sehen mehr als ein Drittel der Menschen keinen Sinn in dem, was sie tun – Tag für Tag, Jahr für Jahr. Es kann also Felder geben, auf denen der Sinn wegbricht, das heißt aber nicht, dass unser Leben komplett sinnlos ist.
Warum können wir uns so wenig anfreunden mit der Vorstellung, dass jeder von uns nur ein winziges Stäubchen im Universum ist?
Sinn entsteht ganz wesentlich im Weltlichen. Er ist der Boden, auf dem wir stehen, über den wir aber erst nachdenken, wenn er brüchig wird. Dann kann es sein, dass wir den Blick in den Kosmos lenken und da nach Sinnzusammenhängen suchen. Warum? Weil wir Orientierung im weltlichen Dasein und Versöhnung mit dem eigenen Dasein suchen. Es geht also auch beim sogenannten überweltlichen Sinn darum, einen weltlichen Sinn zu finden. Der ist immer der springende Punkt. Die gute Nachricht: Ein solcher Sinn ist möglich.
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Wird Philosophie an diesem Punkt zum Religionsersatz?
Sie wird jedenfalls in Zeiten, in denen Religion an Wirkungsmacht verliert, immer wichtiger. Die Botschaft „Schaff deinen eigenen Sinn, lebe dein eigenes Leben“ hat etwas befreiendes, aber wir werden damit auch alleingelassen. Philosophie kann uns helfen, uns zu orientieren. Sie kann uns helfen, neue Perspektiven auf unser Leben zu entwickeln.
Viele philosophische Bücher sind schwer verständlich und weitschweifig. Ihres nicht. War es Ihr Ziel, Philosophie verständlich zu machen?
Klarheit ist mir ganz wichtig. Es geht aber auch darum, zu berühren. Die Frage nach dem Sinn des Lebens ist ja ein emotionales Thema. Und ich möchte schön schreiben, das Lesen soll Spaß machen.
Sieben Jahre am Buch gearbeitet
Ihr Erstlingswerk widmet sich einer großen Frage. Kann danach nur noch Kleineres kommen?
Ich habe fast sieben Jahre an diesem Buch gearbeitet und brauche jetzt eine kurze Pause. Danach stehen wahrscheinlich erstmal kleinere Texte und Projekte an.
War das Schreiben für Sie sinnstiftend?
Ja. Es war ein sehr lebendiger Prozess, das Buch hat einen Eigenleben entwickelt. Außerdem hatte ich im Laufe der Jahre das Gefühl, durch diese Arbeit viele Aspekte in meinem Leben und in der Philosophie besser einordnen zu können. Und ich hoffe, dass das Buch Menschen erreicht. Ich habe es ja nicht für mich allein geschrieben.
„Wozu das alles? Eine philosophische Reise zum Sinn des Lebens“, Christian Uhle, Verlag S. Fischer, 496 Seiten, ISBN: 978-3-10-397141-5