Frechen führt eine Quote von 30 Prozent für soziale Wohnungen bei Neubauvorhaben ein. Großinvestor sieht sein 100-Millionen-Projekt gefährdet.
Kritik vom GroßinvestorSo soll der Wohnungsmarkt in Frechen sozialer werden

In Frechen fehlen in Zukunft rund 3.500 Sozialwohnungen. (Symbolbild)
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Für eine verbindliche Quote von 30 Prozent für öffentlich geförderten Wohnungsbau bei Neubauprojekten hat sich eine Mehrheit aus SPD, Grüne, Perspektive Frechen und BSW in der jüngsten Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses mit einem gemeinsamen Antrag ausgesprochen. CDU und FDP stimmten gegen das Baulandmodell.
Es soll nun im nächsten Planungsausschuss am 7. Mai und abschließend im Stadtrat am 27. Mai, beschlossen werden. Ursprünglich hatte die Verwaltung eine Quote von 35 Prozent vorgeschlagen.
Frechen: 4.100 Haushalte sind armutsgefährdet
Hintergrund sind die alarmierenden Erkenntnisse der Wohnungsmarktstudie, die das Prestel Institut für die Neuaufstellung des städtischen Flächennutzungsplans erarbeitet hatte: Die Mietpreise im Stadtgebiet sind von 1990 bis 2023 um 45 Prozent gestiegen. Ende 2023 fehlten 900 Wohnungen, bis 2040 sind rund 3.500 öffentlich geförderte Wohnungen notwendig.
4.100 Haushalte im Stadtgebiet sind armutsgefährdet, 6.500 haben einen potenziellen Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein. Demgegenüber steht ein Bestand von derzeit nur 1.278 vorhandenen öffentlich geförderten Mietwohnungen, deren Zahl weiter zurück geht. Die Studie weist nach, dass es in Frechen an kleinen, bezahlbaren, barrierefreien Wohnungen und an Wohnungen sowie Häusern für Familien fehlt.
Wir dürfen den Wohnungsmarkt nicht länger sich selbst überlassen. Im Jahr 2000 gab es in Frechen noch 2.065 öffentlich geförderte Wohnungen – heute ist es gerade noch die Hälfte. Wir müssen dringend gegensteuern.
Das Baulandmodell sieht nun die Quote von 30 Prozent für öffentlich geförderten Wohnungsbau im Rahmen von Bauleitplanverfahren vor. Das heißt, bei privaten Bauprojekten ab einer Geschossfläche von 450 Quadratmetern (dies entspricht rund fünf Wohneinheiten) müssen in Zukunft 30 Prozent als öffentlich geförderter Wohnungsbau errichtet werden.
Diese müssen innerhalb bestimmter Fristen bezugsfertig und vermietet sein. Eine Veräußerung dieser Wohnungen als Eigentumswohnungen wird unzulässig sein. Gleichzeitig sollen die Investoren weiterhin verpflichtet bleiben, eine Infrastrukturabgabe zu entrichten und weitere Kosten zu übernehmen.
„Wir dürfen den Wohnungsmarkt nicht länger sich selbst überlassen“, betonte Hans Günter Eilenberger, SPD-Fraktionsvorsitzender. „Im Jahr 2000 gab es in Frechen noch 2.065 öffentlich geförderte Wohnungen – heute ist es gerade noch die Hälfte. Wir müssen dringend gegensteuern.“
Mieter müssen sich die Miete leisten können und Investoren müssen sich das Bauen leisten können.
CDU und FDP bezweifelten die Wirksamkeit der vorgeschlagenen Quote, die CDU hatte in einem Antrag 20 bis 25 Prozent und weitere Änderungen vorgeschlagen. Die FDP sprach sich deutlich gegen den Gemeinschaftsantrag aus: „Er macht Frechen für Investoren unattraktiv, wird keinen bezahlbaren Wohnraum schaffen und ist damit überhaupt keine Hilfe für die Menschen, denen wir helfen wollten und sollten“, so die FDP-Fraktionsvorsitzende Angela Lindemann-Berk, „Mieter müssen sich die Miete leisten können und Investoren müssen sich das Bauen leisten können.“
Dieses Baulandmodell ist kein kooperatives Modell, sondern ein Diktat der Stadtpolitik für die Investoren. Wir sehen hier den Wohnungsbau in Frechen auf Jahre gefährdet.
Für „starke Verunsicherung“ sorge das Baulandmodell bei der Wolf Immobilien Gruppe, teilte das Unternehmen mit. Die Investorin will für mehr als 100 Millionen Euro das Rhenania-Quartier auf dem ehemaligen Keramogelände entlang der Bonnstraße errichten. Rund 70 Prozent der 18,4 Hektar großen Fläche sollen weiter gewerblich genutzt werden, im südlichen Abschnitt soll ein urbanes Quartier mit 665 Wohnungen und Appartements entstehen. Das Unternehmen avisierte bislang 2027 für den Start des Hochbaus an.

Der geplante, klimafreundliche Stadtteil Rhenania Quartier entlang der Bonnstraße soll Wohnen, Arbeiten und Leben vereinen. (Visualisierung).
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„Das verabschiedete Baulandmodell überträgt alle Kosten und Risiken des sozialen Wohnungsbaus komplett auf die Investoren“, beurteilt Peter-Josef Wolf, geschäftsführender Gesellschafter der Gruppe, die Entscheidung des Ausschusses. „Dieses Baulandmodell ist kein kooperatives Modell, sondern ein Diktat der Stadtpolitik für die Investoren. Wir sehen hier den Wohnungsbau in Frechen auf Jahre gefährdet“, so Wolf.
Einstimmigkeit bei der Satzung zur Zweckentfremdung von Wohnungen
Damit stehe die Wirtschaftlichkeit der gesamten Entwicklung des Rhenania-Quartiers in Frage: „Wohnungsbau in Zusammenhang mit Quartiersentwicklungen rechnet sich wegen der kostenintensiven Auflagen in den hiesigen Zeiten nicht mehr. Mit der Verabschiedung des Baulandmodells in vorliegender Form ist die Entwicklung des Mischquartiers wirtschaftlich nicht mehr tragfähig“, erläutert Kevin Krukau, Projektentwickler und geschäftsführender Gesellschafter der Wolf Capital Group. „Zwar werden wir die verbleibenden Planungsarbeiten in den nächsten Wochen abschließen. Dann müssen wir jedoch das gesamte Projekt noch einmal einer Rentabilitätsprüfung unterziehen.“
„Mit dem Baulandmodell setzen wir ein klares Zeichen für die soziale Verantwortung von Bauvorhaben“, so Frechens Beigeordneter Andreas Pöttgen in seiner Zuständigkeit als Sozialdezernent. Pöttgen weiter: „Die gezielte Förderung hilft uns dabei, den Druck auf den Wohnungsmarkt zu reduzieren und nachhaltige Lösungen für die Wohnraumversorgung zu schaffen.“
Das Fazit von Bürgermeisterin Susanne Stupp (CDU) lautete: „Die Einführung des Baulandmodells ist ein bedeutender Schritt, um die drängenden Herausforderungen der Wohnraumversorgung aktiv anzugehen. Mit klaren Quoten und einer sozialen Verpflichtung schafft Frechen zukunftsorientierte Rahmenbedingungen für eine gerechte Wohnraumversorgung.“
Einigkeit gab es im Ausschuss bei einem anderen Tagesordnungspunkt: Einstimmig wurde beschlossen, dass die Verwaltung eine Zweckentfremdungssatzung zur Abstimmung vorlegt. Damit soll künftig verhindert werden, dass dringend benötigter Wohnraum leer steht oder zweckwidrig genutzt wird.