Erftstadt-Niederberg – Schon die Vorstellung, in den sonnigen Süden zu fliegen, hat etwas Verlockendes. Zurückkommen und ein neues Haus vorfinden, das ist wahrer Luxus. Den bekommen in einigen Erftstädter Orten die Schwalben geboten. Wenn sie im Frühjahr aus ihren Winterquartieren zurückkehren, können sie neue Nisthilfen beziehen. In Ahrem, Bliesheim und Niederberg sind 16 „Doppelhäuser“ für Mehlschwalben an Hauswänden angebracht worden. Weitere folgen in Friesheim, Herrig und Borr.
Die Artenschutz-Aktion ist Teil des Leader-Projektes „Na-Tür-Lich Dorf“. Leader ist eine Initiative der Europäischen Union, die südlichen Stadtteile Erftstadts gehören dabei zur Region Zülpicher Börde. Das Projekt „Na-Tür-Lich Dorf“ soll helfen, Artenvielfalt zu erhalten und zu fördern.
Nachteil: Kot beschmutzt die Hauswände
Astrid Mittelstaedt ist Mitarbeiterin der Biologischen Station Bonn/Rhein-Erft und leitet das Dorfprojekt. Im Sommer hatte sie in den Orten nachgeschaut, wo Mehlschwalben brüten. Die Vögel leben gern in Kolonien und nutzen die Nester jedes Jahr wieder. „Deshalb ist es auch im Winter verboten, Schwalbennester zu entfernen“, sagt die Diplom-Geografin und Naturpädagogin. Das gesellige Leben der Tiere bringt allerdings einen Nachteil mit sich, der die Beliebtheit deutlich schmälert: Der Kot beschmutzt die Hauswände und die Flächen unter den Nestern – und manchmal trifft er auch Passanten.
Mehlschwalben und Rauchschwalben sind die beiden häufigsten Schwalbenarten hierzulande. Beide jagen im Flug nach Insekten, und beide Arten bauen ihre Nester aus Schlamm und Lehm an Gebäuden. Der Unterschied: Mehlschwalben nisten an der Außenseite, Rauchschwalben zieht es Innere, beispielsweise in Pferdeställe oder unter Scheunendächer.
Äußerlich sind die beiden Arten gut zu unterscheiden. Die Rauchschwalbe ist die größere von beiden und wirkt deutlich bunter. Sie hat ein rotbraunes Gesicht, die Oberseite ist dunkelblau. Dazu kommen ein dunkelbraunes Brustband und eine weiße Unterseite. Die Mehlschwalbe ist etwa so groß wie ein Spatz. Die Oberseite ist blauschwarz, Unterseite und Bürzel sind weiß. Am deutlichesten fällt aber der typische gegabelte Schwanz der Rauchschwalbe ins Auge, der Schwalbenschwanz eben. Der ist bei der Mehlschwalbe viel weniger ausgeprägt und kürzer.
Die dritte im Bunde, die Uferschwalbe, sieht man in den Dörfern höchstens auf dem Durchzug. Ihr bevorzugter Lebensraum sind, wie der Name sagt, Ufer, sie braucht zum Nisten steile, unbewachsene Wände aus Lehm oder Sand. Man findet sie kaum noch an Bächen und Flüssen, sie weicht mittlerweile auf Kiesgruben aus.
Mittelstaedt warf bei den Hausbesitzern Briefe ein und bot nicht nur Nisthilfen, sondern auch Abhilfe für das Problem mit dem Schmutz an: Kotbretter. Sie werden unter dem Nest angebracht, der Dreck bleibt drauf liegen.
Unterstützung aus Bliesheim
Bei der Aktion bekam die 39-Jährige tatkräftige Unterstützung von Jochen Sahm. Der Dachdeckermeister aus Bliesheim stieg auf die Leiter und brachte Nisthilfen und Brettchen an.
Eine eigene Schwalbenkolonie hat Martin Goossens aus Ahrem: Neun Nester haben die Vögel an der Rückseite seines Hauses gebaut. Sahm schraubte ein neun Meter langes Brett darunter. Jetzt könne er endlich wieder auf der Terrasse Kaffeetrinken, freute Goossens sich. Auf die Idee, die Nester zu entfernen, sei er nie gekommen: „Wir lieben die Schwalben.“ Schwalben haben es aus zwei Gründen schwer. Zum einen gibt es immer weniger Insekten und damit immer weniger Nahrung. Zum anderen haben die Vögel in trockenen Sommern Probleme, Nester zu bauen. Sie formen die Gebilde aus Lehmkügelchen – aus bis 1500 Klümpchen, wie Expertin Mittelstaedt weiß. Wenn der Lehm zu trocken ist, haftet er nicht, das Nest zerbröselt. Abhilfe kann man schaffen, indem man eine künstliche Pfütze im Garten anlegt oder einfach eine flache Schale mit feuchtem Ton aufstellt.
Niederberg dürfte übrigens die „Hauptstadt“ der Schwalben im kommenden Jahr werden: Zwölf Nester waren schon bestellt, als Astrid Mittelstaedt sich mit Else Kaufmann-Razzaq, die sich für viele Belange des Ortes engagiert, in der Dorfmitte traf, um die Aktion in Gang zu setzen. Und kaum lehnte die Dachdeckerleiter am ersten Haus, kamen Nachbarn dazu. Prompt gab es die erste Nachbestellung – schließlich gelten Schwalben als Glücksbringer.