Bürgermeisterin Carolin Weitzel sieht für Erftstadt gute Chancen als Wissenschaftsstandort. Ein Projektteam plant eine Campuslandschaft.
Halbzeitbilanz„Es geht um das Wohl der Stadt“ – Erftstädter Bürgermeisterin im Interview
Carolin Weitzel ist bei der Kommunalwahl im September 2020 zur Bürgermeisterin von Erftstadt gewählt worden. Die 42-jährige Diplom-Verwaltungswirtin war für die CDU angetreten. Mit ihr sprach Ulla Jürgensonn.
Frau Weitzel, Sie hatten einen Start unter erschwerten Bedingungen. Als Sie gewählt wurden, herrschte die Corona-Pandemie, dann kam die Flutkatastrophe. Haben Sie das Gefühl, dass Sie gestärkt daraus hervorgegangen sind, sowohl persönlich als auch politisch?
Carolin Weitzel: Die Pandemie, die Flutkatastrophe und auch der Ukraine-Krieg waren und sind große Herausforderungen. Sie sind für mich auch ein Hinweis auf die Verwundbarkeit unserer Gesellschaft. Solche Katastrophen, vor allem, wenn sie parallel ablaufen, stellen uns vor große Aufgaben. Sie sind auch eine Chance, umzudenken und Neues zu lernen.
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Gleichzeitig erfahren wir mehr über uns persönlich. Natürlich haben mich die Krisen persönlich weitergebracht, aber vor allem haben sie uns in Erftstadt näher zusammengebracht. Für mich stehen das Wohl der Bürgerschaft und das Vertrauen in die politischen Repräsentanten an erster Stelle, darauf habe ich meinen Amtseid geleistet.
Wo sind Fehler gemacht worden in der Flutkatastrophe?
Die Prognosen damals waren unklar, sodass sich niemand auf diese Lage vorbereiten konnte. Dazu kam der Totalausfall der Infrastruktur. Die Zusammenarbeit zwischen Bezirksregierungen, Landkreisen und Kommunen ist verbesserungswürdig. Dass uns Informationen zum Starkregen nicht erreichten, war fatal. Das Melde- und Warnwesen bedarf dringend einer Verbesserung.
Im Vordergrund stand für uns immer die Rettung von Menschenleben. Tief beeindruckt und überwältigt haben mich der unermüdliche Einsatz der Rettungskräfte, der Feuerwehr und das herausragende ehrenamtliche Engagement der Menschen von nah und fern. Dank dieses Einsatzes haben wir hier keine Toten zu beklagen. Dafür bin ich unendlich dankbar.
Wir müssen aus Fehlern lernen. Ich habe als erste Kommunalpolitikerin eine Taskforce gefordert, die Krisenfälle erprobt. Sie sollten von den Landkreisen mit den Kommunen durchgeführt werden. Wir haben in Erftstadt ein eigenes Katastrophenschutzkonzept entwickelt. Als erste Kommune an der Erft überarbeiten wir unser kommunales Hochwasserschutzkonzept und entwickeln es unter Beteiligung der Bürgerschaft weiter. Außerdem arbeiten wir am interkommunalen Hochwasserschutzkonzept mit. Ich möchte, dass sich die Menschen in Erftstadt auch in Zukunft sicher fühlen.
Sie haben die Stadtverwaltung umstrukturiert und Ihre Zuständigkeit neu sortiert. War es das, oder kommt noch etwas?
Jedes Unternehmen und jede Verwaltung muss sich den Veränderungen der Zeit stellen. Ich nenne exemplarisch die Digitalisierung und Künstliche Intelligenz, die uns permanent zu Transformationsprozessen veranlassen. Gleich zu Beginn meiner Amtszeit haben wir eine Organisationsveränderung eingeleitet. Dabei wurden Prozesse optimiert und Aufgabenbereiche gebündelt, um Dienstleistungen für die Bürgerschaft schneller und besser zu erbringen.
Um deren Anliegen bearbeiten zu können, wurde zum Beispiel ein digitales Beschwerdemanagement eingeführt. Die Ausweitung der digitalen Akte auf die verschiedenen Fachbereiche ist im vollen Gang. Noch in diesem Jahr wird unsere neue Homepage veröffentlicht, die barrierefrei ist.
Erftstadt hat die Chance auf zwei Hochschulen. Wird es den ersten Spatenstich noch in dieser Ratsperiode geben?
Wichtiger als Spatenstiche sind die Chancen, die sich aus diesen Ansiedlungen ergeben. Diese zu nutzen, ist eine meiner Aufgaben, weit über meine erste Amtsperiode hinaus.
Die Stadt ist für die Hochschulen mit viel Arbeit in Vorlage gegangen. Gibt es einen Plan B?
Unabhängig von diesen Projekten bin ich davon überzeugt, dass Erftstadt Forschungs- und Wissenschaftsstandort wird. Ich habe nach meinem Amtsantritt ein Projektteam gegründet, das sich mit der Planung rund um die Campuslandschaft beschäftigt.
Auch andere Hochschulen und Unternehmen haben Interesse bekundet. Die Kreishandwerkerschaft baut derzeit einen Bildungscampus in unserem Wirtschaftspark. Die Transformationsprozesse betreffen gleichermaßen das Handwerk. Daraus ergeben sich Synergieeffekte.
Die Sanierung des Schulzentrums Lechenich wird immer teurer. Wie bekommt man das hin, in dieser angespannten Finanzlage?
Trotz aller Widrigkeiten habe ich einen Haushaltsentwurf vorgelegt, der Erftstadt aus einer zehnjährigen Haushaltssicherung führt. In meiner Haushaltsrede habe ich betont, dass ich großen Wert auf Investitionen in die Bildung unserer Kinder lege. Wir haben aus dem Digitalpakt Schule 1,58 Millionen Euro an Fördermitteln vom Land akquiriert. Mir ist es eine Herzensangelegenheit, dass die Kinder dort endlich ein adäquates Lernumfeld erhalten. Ich war selbst Schülerin dieser Schule.
Sie hatten im Wahlkampf und auch danach ein „neues Miteinander“ propagiert. Haben Sie das erreicht?
Was ich bisher erlebt habe, zeigt mir, dass wir ein neues Miteinander haben. Gleich zu Beginn meiner Amtszeit habe ich alle Fraktionen zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit eingeladen. Ich führe regelmäßige Fraktionsvorsitzendengespräche, um unsere Gremiensitzungen vorzubereiten. Wir stehen vor großen Herausforderungen des Strukturwandels, das können wir nur gemeinsam schaffen. Dazu lade ich alle ein.
Ihr Vorgänger Volker Erner ist nicht zur Wiederwahl angetreten, weil er in seiner eigenen Partei, der CDU, keinen Rückhalt mehr hatte. Wie ist Ihr Verhältnis zu Ihrer Partei?
Ich habe Unterstützung sowohl von der CDU als auch von anderen Parteien. Es geht nicht um Parteipolitik, sondern um das Wohl der Stadt.