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„Das Leid bleibt in den Häusern“Das sagen Bauexperten zu den Flutschäden in Blessem

Lesezeit 3 Minuten

Bauexperte Kristof Kronenberg Zeidler bei seinem Einsatz in Blessem.

Erftstadt – Wann immer Christof und Nadja Kronenberg Zeidler in der Nähe von Erftstadt sind, fahren sie einmal durch Blessem. Sie wollen wissen, wie sich das Dorf von den Folgen der Flutkatastrophe erholt. Und auch, wenn vieles wiederhergestellt ist, der Krater weitgehend verfüllt, ein großer Teil der Gebäude saniert, ist Christof Kronenberg Zeidler sich sicher: „Das Leid ist von der Straße, aber es bleibt in den Häusern.“

Die Eheleute sind beide Bausachverständige, sie außerdem Fachfrau für Schimmelbefall. Nach der Flut waren sie in vielen Orten – in Schleiden, Kall, Bad Münstereifel, Schuld – und haben Betroffenen eine kostenlose erste Einschätzung der Schäden angeboten. „Wir sind in Erftstadt hängengeblieben“, sagt Anja Kronenberg Zeidler. Erst war ihr Mann allein unterwegs, hat an Türen geklingelt, Flyer verteilt. Dann haben sie die Termine gebündelt, waren zweimal die Woche vor Ort.

Schicksale der Betroffenen lassen Ehepaar nicht kalt

Die menschlichen Schicksale, denen sie dabei begegnet sind, lassen sie nicht kalt. Christof Kronenberg Zeidler erzählt von einem älteren Herrn, der anfangs hoch motiviert darangegangen sei, die riesigen Schäden an seinem Haus beseitigen zu lassen. Dann habe die Versicherung sich quergestellt, die Handwerker seien nicht vorangekommen. Mittlerweile sei der Mann in psychologischer Behandlung: „Er hat aufgegeben.“ Und er sei nicht der einzige, dessen Seele Schaden genommen habe: „Da gibt es noch jede Menge Fluttraumata bei Mensch und Tier.“ Viele würden für den Rest ihres Lebens Angst haben, wenn es regne.

Die passende Ausrüstung hatten die Experten immer dabei.

Anja Kronenberg Zeidler berichtet von Menschen, die keine Hilfe geholt, keinen fachlichen Rat angenommen hätten. „Die wohnen in schimmeligen Häusern, obwohl das extrem schädlich für die Gesundheit ist“, sagt die Expertin. Sie seien an den Grenzen ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit, aber auch ihrer psychischen Kräfte. Und einen Therapeuten zu finden sei schon zu normalen Zeiten ein Problem.

Kritik an „leeren Versprechen“ der Politiker

Die Ankündigung der Politiker, jedem Hochwasseropfer werde unkompliziert geholfen, sei ein leeres Versprechen, kritisieren die beiden. Viele hätten nicht die Kraft, sich durch den Bürokratiedschungel zu kämpfen. Und viele wüssten bis heute nicht, was ihnen an Hilfe zustehe.

Ganz wichtig sei, dass die Gutachterkosten in jedem Fall ersetzt würden. „Auch wenn der Förderantrag nicht bewilligt wird, wird diese Rechnung erstattet“, sagt Christof Kronenberg Zeidler. Außerdem sei es durchaus möglich, den Antrag auf Landeshilfen erst einzureichen, nachdem die Arbeiten an Haus oder Keller abgeschossen seien.

In Erftstadt ist viel an der Infrastruktur getan worden

Sie habe einem Kunden geholfen, den Antrag zu stellen, berichtet Anja Kronenberg Zeidler. Der Mann habe das meiste selbst gemacht, habe einen ganzen Stapel Rechnungen aus dem Baumarkt eingereicht, das sei anstandslos akzeptiert worden.

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Bei aller Kritik sehen die Bausachverständigen auch manches Positive. In Erftstadt sei an der Infrastruktur sehr viel getan worden. Und sie erinnern sich gern an die viele Helfer, die gerade in Blessem Hand in Hand gearbeitet haben, an die Begegnungen vor der Kirche, wo sich Freiwillige und Betroffene zum Mittagessen getroffen haben. „Was wir gemacht haben, war nicht Besonderes“, sagt Christof Kronenberg Zeidler. Andere, Privatleute wie Organisationen, hätten viel mehr geleistet. „Und das wird viel zu wenig gewürdigt.“