Erftstadt-Blessem – Es herrscht ein Brummen in Blessem. Über dem Ort kreisen Hubschrauber, in den Straßen röhren die Dieselgeneratoren, um die Pumpen anzutreiben. In der bedrückenden Geräuschkulisse räumen die Blessemer auf, pumpen ihre Keller leer, machen klar Schiff. Überall fließen Rinnsale aus den Häusern auf die Straße.
Das Ehepaar Herbert und Hilde Mehl hat es hart getroffen. Sie sehen ihr Haus an der Frauenthaler Straße nach einer Woche wieder. Das Wasser stand mehr als einen Meter hoch im Erdgeschoss. Der Schmutzrand der Brühe ragt bis über den Lichtschalter im Wohnzimmer. „Alles ist hinüber“, sagt Hilde Mehl. „Alle Elektrogeräte, alle Sachen in den Schränken.“
Gerade noch hätten sie sich vor einer Woche aus den Fluten retten können, sagt ihr Mann Herbert. „Wir sind durch brusthohes Wasser gewatet“, schildert der Rentner. Am Donnerstag war das Wasser immer noch da. „Es stand in den Schubladen der Schränke. Mit jeder Menge Humus aus der Zülpicher Börde.“
Rückkehr nach Blessem: Notfallseelsorger sind vor Ort
Nach einer Woche durften die Blessemer wieder in ihren Ort. Lange hieß es, es bestehe Lebensgefahr wegen der Abbruchkante an der Kiesgrube. Doch seit Mittwochabend ging es ganz schnell. Erst sollten die Blessemer mit Bussen in den Ort gefahren werden, dann plötzlich auch zu Fuß und schließlich mit ihren eigenen Autos zurückkehren können, und ab Donnerstagmittag dann ließ die Polizei an den Absperrungen auch Helfer der Bewohner passieren, nachdem Fachleute grünes Licht gegeben hatten.
Wer auf die Schnelle keine Helfer auftreiben kann, dem helfen Polizisten beim Entrümpeln. Immer wieder sind Notfallseelsorger zu sehen, die unterstützen, wenn es zu Gefühlsausbrüchen kommt.
Erftstadt-Blessem: Es gibt weder Strom, Wasser noch Gas
Die meisten Blessemer erfahren erst jetzt, wie stark ihre Häuser beschädigt sind – und was das Wasser innerhalb einer Woche noch anrichten konnte, weil niemand in den Ort durfte. „Es fängt alles schon an zu schimmeln“, sagt Britta Pilz. Sie und ihr Mann waren mit ihren drei Kindern an der Nordsee, als die Erft sich den Weg in ihren Heimatort suchte. Erst jetzt können sie ihr Haus betreten. Einen Keller haben sie nicht. „Aber im Erdgeschoss sind die Schäden groß.“
Nicht alle Blessemer können nach Hause. Bewohner der Radmacherstraße, des Eschenwegs und eines Teils der Frauenthaler Straße bleiben vor den Bauzäunen stehen, die die 100-Meter-Sicherheitszone zur Abbruchkante an der Kiesgrube markieren. Hier herrscht immer noch Lebensgefahr. „Ich habe nur noch die Hoffnung, irgendwann etwas aus meinem Haus holen zu können“, sagt Frank Schneider. „Aber ich habe nicht mehr die Hoffnung, je wieder in meinem Haus wohnen zu können.“
Zwar dürfen sich viele andere Blessemer wieder dauerhaft in ihren Häusern aufhalten, selbst in der Nacht, doch gibt es weder Strom, Wasser noch Gas. „Alle arbeiten mit Hochdruck“, sagt Bürgermeisterin Carolin Weitzel. Die Wasserversorgung könne frühestens am Montag wieder hergestellt sein, aber mit der Stromversorgung werde es länger dauern. „Ein Wohnen ist in Blessem erst mal nicht möglich.“
Krisenstab baut mobile Sirenen in Blessem auf
Landrat Frank Rock räumt ein, dass es in den vergangenen Tagen ein Ringen und Streiten auch unter den Experten gab, wie sicher die Menschen an der Bruchkante zur Kiesgrube seien. Es gebe nun zwar keine absolute Sicherheit, aber man habe ein System entwickelt, dank dessen die Bürger wieder in den Ort dürften.
Der Krisenstab des Kreises hat nun mobile Sirenen im Ort installiert, um die Bewohner sofort zu warnen, sollte sich die Erde doch bewegen. In vielen Straßen befinden sich Messlinien auf dem Boden, die ständig beobachtet werden. Es werde derzeit ein Konzept erarbeitet, wie auch die Bewohner von Häusern in der Sicherheitszone zumindest kurzzeitig nach Hause könnten, sagt Rock. „Die Leute müssen davon ausgehen, dass die Häuser nicht dauerhaft standsicher sind.“
Inmitten der Katastrophe gibt es auch immer wieder gute Nachrichten, so wie die von Kathrin Hohn. Die junge Frau fand ihren Hamster Snack nach einer Woche wohlbehalten in ihrem Zimmer wieder. „Ich bin so glücklich, ich habe mir die ganze Zeit solche Sorgen gemacht.“ Versorgt mit frischem Wasser und mit Heu konnte Snack am Donnerstag den Unglücksort verlassen.