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„Em Höttche“-Wirt über Karneval„Die Jugend weiß nicht, wie sich ein Körper anfühlt“

Lesezeit 5 Minuten

Dichtes Gedränge und gute Stimmung herrschen an den Karnevalstagen in der Kneipe „Em Höttche“.

  1. Jani Petropoulos betreibt seit Jahrzehnten eine Hochburg des jecken Geschehens. Die Gaststätte „Em Höttche“ an der Bahnhofstraße zählt zu den beliebtesten Kneipen in Brühl.
  2. Der Wirt meint: Die Menschen haben sich verändert. Höfliche Kommunikation sei vielen fremd.
  3. Ein Gespräch über den Karneval, kuriose Erlebnisse und ein neues Publikum.

BrühlHerr Petropoulos, in Ihrer Gaststätte „Em Höttche“ geht es seit Jahrzehnten an den Karnevalstagen hoch her. Daran dürfte sich 2020 nichts ändern. Blickt man dieser besonderen Zeit des Jahres als Gastronom mit Vorfreude oder Bauchschmerzen entgegen?Jani Petropoulos: Mit Vorfreude, auch wenn in der Vorbereitung viel zu tun ist. Schließlich wird an Weiberfastnacht und am Sonntag nach dem Zug kräftig gefeiert, und das macht Spaß. Außerdem steht am Karnevalsfreitag meine persönliche Lieblingsparty im Jahresverlauf an. Seit etwa 20 Jahren feiern wir an diesem Abend unter dem Motto Karnevals-Friday-Night-Party mit Musik aus den 70er- und 80er-Jahren.

Welche Vorbereitungen müssen Sie zuvor treffen?

Jani Petropoulos führt seit 1986 die Gaststätte „Em Höttche“.

Seit wir 1986 mal Probleme mit einem kaputten Kanal hinter dem Haus hatten, überlassen wir nichts mehr dem Zufall. Wir machen eine komplette Revision, checken jeden Lautsprecher, jeden Abfluss und jede Toilette. An Karneval muss alles funktionieren. Am Montag vor Weiberfastnacht treffen wir uns mit allen Mitarbeitern, besprechen letzte Details und räumen alles beiseite, das wackelig ist oder, wie Barhocker oder Tische, nicht gebraucht wird. Gott sei Dank haben wir dabei inzwischen eine Menge Routine.

Wie viel Personal ist an Karneval im Einsatz und mit wie vielen Gästen rechnen Sie?

Sieben Mitarbeiter sind vor Ort. Hinzu kommen mein Bruder und ich. Am Sonntag wird es traditionell am vollsten. Rund 250 Gästen dürften es wieder werden.

Lässt sich eine Gaststätte heute noch rentabel betreiben, wenn man das Karnevalsgeschäft nicht mitnimmt?

Dieses Geschäft ganz außer Acht zu lassen kann sich kaum jemand erlauben. Der verstorbene Kölner Wirt Lommerzheim hatte an Karneval geschlossen, aber dort haben die Gäste ja auch an allen anderen Tagen Schlange gestanden. Für uns sind die Karnevalstage wichtig, weil es an den zehn Tagen davor und danach äußerst ruhig zugeht. Das muss man kompensieren. Vergessen sollte man außerdem nicht, dass man einen ordentlichen Materialverschleiß einkalkulieren muss.

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Sie führen die Kneipe seit Jahrzehnten. Da gab es doch sicherlich einige kuriose Karnevalserlebnisse, oder?

Na klar. In den 90er-Jahren kam immer wieder eine Gruppe Frauen aus Bremen zu uns. Die haben sich mindestens acht Jahre lang erfolglos vorgenommen, am Rosenmontag in Köln zu feiern, weil sie jedes Mal von den Partys in der Hütte viel zu erschöpft waren.

Es gibt noch ein Erlebnis, das ich nie vergessen werde, obwohl seitdem zwei Jahrzehnte vergangen sind: In der Nacht nach Weiberfastnacht saß ich gegen 4 Uhr früh noch als letzter Mitarbeiter im Höttche, um die Abrechnung zu machen.

Zur Person

Der Brühler Gastwirt Jani Petropoulos (56) wurde in Griechenland geboren. Als Fünfjähriger kam er mit seiner Familie nach Brühl, wo er aufwuchs und auch heute noch lebt. Der gelernte Elektrotechniker führt schon seit 1986 gemeinsam mit seinem Bruder Theo die alteingesessene Gaststätte „Em Höttche“, seit sieben Jahren betreibt er zusätzlich das Restaurant „Markt 20“. Petropoulos ist seit mehr als 20 Jahren mit Sabine Petropoulos verheiratet und hat einen erwachsenen Sohn. (wok)

Da hörte ich Klopfgeräusche. Ich habe an der Tür und hinter der Theke nachgeschaut, aber da war niemand. Erst nach einigen Augenblicken habe ich bemerkt, dass ein Gast in Lederhosen in einem Winkel neben der Tür am Kleiderhaken hing und gegen die Holzverkleidung trat. Seine Kumpels hatten ihn an den Hosenträgern aufgehängt, und er hatte dort einige Stunden im Hängen geschlafen. Ich habe ihn befreit und dabei Tränen gelacht.

Waren denn alle angetrunkenen Gäste so friedlich?

Wir haben das gut im Griff. In den vergangenen 31 Jahren gab es vielleicht drei oder vier Schlägereien in der Kneipe. Dazu beigetragen hat auch die Einführung eines Mindestverzehrs in den 90er-Jahren. Seitdem kommen nur Leute, die noch fünf Bier trinken wollen und wirklich Lust haben zu feiern. Wer herumzieht und Streit sucht, kommt nicht mehr in die Hütte.

Was hat sich nach Ihrer Wahrnehmung in den vergangenen Jahren sonst noch verändert?

Vieles. Früher waren die Jugendlichen in Brühl froh, wenn sie 16 waren und endlich in die Hütte durften. Freitags war es dann manchmal brechend voll. Die jungen Leute haben Körperkontakt gesucht und hatten Spaß an Kommunikation. Die Kneipe, der Freitagabend, das war im positiven Sinne ein Marktplatz. Heute haben die jungen Leute alle ein virtuelles Leben im Internet, mit dem sie viel Zeit verbringen.

Seit Jahrzehnten zählt die Gaststätte an der Bahnhofstraße zu den beliebtesten Kneipen in Brühl.

Die wissen dank irgendwelcher Erotikportale, wie jeder Winkel des Körpers aussieht, aber nicht, wie sich ein Körper eigentlich anfühlt. Außerdem ist höfliche und offene Kommunikation mit dem direkten Gegenüber vielen fremd. Wir bemühen uns, den analogen Kontakthof für Menschen offen zu halten.

Das heißt, es kommen weniger junge Gäste als früher, weil diese lieber Zeit mit dem Tablet und dem Smartphone verbringen?

Ja, eindeutig. Außerdem haben wir die Euro-Umstellung und das Rauchverbot deutlich im Umsatz gespürt. Letzteres stört mich gewaltig. Wir wollen keine Nichtraucher-Kneipe sein. Mir wird regelmäßig schlecht von den Gerüchen, die man nicht wahrgenommen hat, als noch drinnen geraucht werden durfte. Seit einiger Zeit merkt man, dass die hohen Mieten viele Leuten dazu zwingen, weniger Geld fürs Ausgehen auszugeben.

Hat man als Gastronom nicht irgendwann die Nase voll vom feierwütigen Volk und würde vor Karneval lieber verreisen?

Anfang der 90er-Jahre habe ich mal mit dem Gedanken gespielt, nach Texas auszuwandern. Das hatte aber nichts mit der Unlust auf Karneval und Gastronomie zu tun, es hatte persönliche Gründe. Ich sage immer, wer keinen Spaß an der Gastronomie hat, hat dort nichts zu suchen. Die Herausforderung besteht auch darin, den Gästen ein Lächeln zu schenken und ihnen zuzuhören. Manchmal ist man Friedensrichter, Sozialarbeiter oder Psychologe.